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Weltklima

Wälder: Die Klima-Kippelemente der Biosphäre

Bild: Sebastian Condrea

Vegetation im Allgemeinen und Wälder im Besonderen gehören zu den wichtigsten Kohlenstoffsenken der Erde. Werden sie sukzessive zerstört, hat das gravierende Auswirkungen auf alle erdklimatischen Subsysteme.

Die Biosphäre ist die Gesamtheit aller von Lebewesen besiedelten Schichten der Erde. Die verschiedenen terrestrischen Ökosysteme wie Wälder, Wüsten oder Steppen gehören ebenso zur Biosphäre wie die Meere, also alle Süß- und Salzgewässer. Es liegt auf der Hand, dass die Klima-Kippelemente der Biosphäre einen besonders starken Einfluss auf die menschlichen Lebensbedingungen haben, ist der Mensch doch selbst ein Teil der Biosphäre.

Der grünen Lunge geht die Luft aus

Der Amazonas-Regenwald, die grüne Lunge der Erde, ist das zentrale Kippelement der Biosphäre. Obwohl er zunehmend abgeholzt oder infolge von Trockenheit und Dürre zerstört wird, gibt es weltweit noch etwas mehr als 12 Millionen Quadratkilometer Regenwald - das entspricht etwa der 30-fachen Fläche Deutschlands. Davon bedeckt der Amazonas-Regenwald mit fast sechs Millionen Quadratkilometern einen Großteil des Amazonasgebietes, 60 Prozent davon liegen in Brasilien. Sein Einfluss auf den Wasser- und Kohlenstoffkreislauf ist jedoch nicht nur regional, sondern erstreckt sich über die gesamte Erde.

Im Jahr 2022 wurden fast 113.000 Quadratkilometer Regenwald gerodet: zur Gewinnung von Holz und Papier, zur Umwandlung in Plantagen und Viehweiden, aber auch, um an Bodenschätze zu gelangen oder große Staudämme bauen zu können. In den meisten Fällen wird der Regenwald dafür durch Brandrodung zerstört. Dabei verbindet sich der freigesetzte Kohlenstoff aus Bäumen und Boden mit dem Sauerstoff aus der Atmosphäre zu CO2. In den gerodeten Gebieten gibt der Boden noch lange Zeit danach Kohlenstoff ab. Nach wissenschaftlichen Berechnungen gelangen so jährlich gut fünf Milliarden Tonnen CO2 zusätzlich in die Atmosphäre - rund 13 Prozent der gesamten anthropogenen CO2-Emissionen.

Der Regenwald leidet wie kaum ein anderes Ökosystem unter dem Klimawandel und befeuert ihn gleichzeitig - im wahrsten Sinne des Wortes. Seine Funktion als CO2-Senke - nach den borealen Permafrostböden die weltweit wichtigste - kann er nicht mehr erfüllen, weil er kontinuierlich zerstört wird. Denn inzwischen gibt er mehr CO2 ab, als er bindet.

Doch nicht nur die Rodung macht dem Regenwald zu schaffen. Ausbleibende Niederschläge tun ein Übriges. Hier kommt es zu Wechselwirkungen mit einem weiteren Klima-Kippelement, nämlich der Atlantischen Umwälzzirkulation (AMOC). Verlangsamt sich diese, verschieben sich auch die tropischen Niederschlagsgürtel. In diesem Fall zu Ungunsten des Amazonas-Regenwalds. Vor 20 Jahren kam es im Amazonas-Regenwald erstmals zu einer schweren Dürre, die die Nebenflüsse des größten Flusses der Erde austrocknen ließ. Eine globale Erwärmung um 2 bis 3,7 Grad Celsius, Rodungen und der intensive Ausbau von Straßen, Äckern und Weideland könnten laut Umweltbundesamt dazu führen, dass in den nächsten 25 Jahren fast die Hälfte des Amazonas-Regenwaldes austrocknet. Schon heute sind 17 Prozent der ursprünglichen Regenwaldfläche zerstört und ebenso viel geschädigt. Aktuelle Klimamodelle sehen den Kipppunkt für einen vollständigen Zusammenbruch des Amazonas-Regenwalds noch in diesem Jahrhundert. Die globalen Folgen wären, neben einem irreversiblen Verlust der Artenvielfalt in Fauna und Flora, ein massiver Anstieg der atmosphärischen CO2-Konzentration und damit der globalen Erwärmung.

Regionales Kippelement mit erdumspannender Wirkung

Ein Wald ganz anderer Art bildet eines der beiden regionalen Kippelemente der Biosphäre: der boreale Nadelwald. Diese nördlichste Vegetationszone, in der noch Bäume wachsen, zieht sich wie ein Gürtel fast über die gesamte Nordhalbkugel und macht mit insgesamt 15 Millionen Quadratkilometern fast ein Drittel der weltweiten Waldfläche aus. Die borealen Nadelwälder sind einzigartig in der Biosphäre: zum einen wegen ihrer Ausdehnung, zum anderen, weil sie jährlich fast ein Drittel des anthropogen freigesetzten CO2 aus der Atmosphäre binden.

Zwei gegenläufige Kippprozesse machen dieses regionale Kippelement so besonders: die Ausbreitung der borealen Nadelwälder im Norden und ihr plötzliches Absterben im Süden. Beide Prozesse sind auf die zunehmende Erderwärmung zurückzuführen.

Gegenläufige Kippprozesse

Im Süden Sibiriens, wo die borealen Nadelwälder am weitesten verbreitet sind, wirken Stürme und Trockenheit destabilisierend: Waldbrände oder Schädlingsbefall, wie der Borkenkäfer, haben leichtes Spiel. Dabei sind die borealen Nadelwälder nicht nur ein einzigartiges Ökosystem, sondern auch wirtschaftlich von großem Wert für die Papier- und Schnittholzindustrie. Eine Erderwärmung um mehr als 1,4 Grad Celsius wird die Bestände aus Tannen, Fichten, Kiefern und Lärchen in den nächsten 100 Jahren mehr und mehr in baumlose Steppenlandschaften verwandeln. Der Kipppunkt steht also kurz bevor oder ist möglicherweise schon überschritten. 

In Kanada und Alaska dagegen haben sich die borealen Nadelwälder in den letzten Jahrzehnten immer weiter nach Norden ausgebreitet. Die ungewöhnlich schnelle Erwärmung gerade in dieser Region ermöglichte es den Nadelbäumen, Wurzeln zu schlagen, wo vorher der Boden gefroren war, und von der verlängerten Wachstumsperiode zu profitieren. Der Anteil der CO2-Aufnahme stieg. Doch inzwischen stoßen die Wälder an ihre Grenzen. Sie erfüllen ihre Funktion als Klimapuffer immer schlechter. Begünstigte die Erwärmung zunächst ihr Gedeihen, schadet sie ihnen inzwischen massiv, denn immer trockenere und heißere Sommer bringen eine erhöhte Waldbrandgefahr mit sich. Zwar gehören Brände seit jeher zur Geschichte der borealen Nadelwälder, aber Ausmaß und Häufigkeit lassen ihnen keine Zeit mehr, sich zu regenerieren und zu verjüngen. So entwickeln sie sich mehr und mehr von einer Kohlenstoffsenke hin zu einer Kohlenstoffquelle und heizen die Erderwärmung zusätzlich an. 
 

Wird die Wüste grün?

Das zweite regionale Kippelement ist der westafrikanische Monsun mit seinen Auswirkungen auf die Vegetation im Sahel. Der Monsun ist ein beständiger Wind, der zweimal im Jahr seine Richtung komplett ändert. Grund dafür sind Temperatur- und Luftdruckunterschiede zwischen Landmasse und Meer. In Monsungebieten gibt es nur zwei Jahreszeiten: eine Trockenzeit und eine Regenzeit. Im Sommer bringt der westafrikanische Monsun feuchte Luft aus Südwesten über das Meer ins Land, was zu zeitlich begrenzten, heftigen Regenfällen führt. Im Winter dagegen transportiert der Monsun trockene Luft aus Nordosten vom Land zum Meer. Geprägt vom Monsun als einziger Wasserquelle schwankt das Klima in kaum einer Region der Erde so stark wie im Sahel, einem mehrere hundert Kilometer breiten Gebiet zwischen der Sahara im Norden und den Savannen im Süden. Es erstreckt sich von der Atlantikküste Senegals bis nach Eritrea am Roten Meer.

Kippt das Element Monsun/Sahel bei einer angenommenen Erderwärmung um 2 bis 3,5 Grad Celsius, könnte es im Sahel bis zu 50 Prozent mehr regnen als bisher. Die Intensität der Monsunzirkulation hängt von der Meerestemperatur ab. Steigt die Oberflächentemperatur des Atlantiks durch die Erderwärmung weiter an, wird der westafrikanische Monsun stärker und reicht weiter nordwärts. Fachleute des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) sehen darin potenzielle Vorteile für Landwirtschaft und Infrastruktur des Sahel, warnen aber auch vor den damit einhergehenden Herausforderungen: Mehr als eine Million Menschen in der von Unruhen und Kriegen geprägten Region werden in der Übergangszeit von den heute vorherrschenden trockenen zu den voraussichtlich deutlich feuchteren Bedingungen am Ende dieses Jahrhunderts Jahre zwischen Dürre und Überschwemmung durchleben müssen.

Autorin: Alice Quack

Fachliche Ansprechpersonen:
Dipl.-Geogr. Catharina Fröhling
Koordinatorin des Fokusthemas „Herausforderung – Anpassung an den Klimawandel“
E-Mail: klimaanpassung@vdi.de

Dr. Jochen Theloke
Koordinator des Fokusthemas „Energie und Umwelt: das 1,5 Grad-Ziel“
E-Mail: theloke@vdi.de

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