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4. VDI-Racing-Camp

Technik, Teamwork, Tempo – Rennfieber in Selm

Bild: VDI e.V.

Im Juni öffnete das Lasise in Selm seine Tore für das vierte VDI-Racing-Camp powered by Norelem. 20 Teams aus ganz Deutschland kamen, um ihre Rennwagen fit zu machen für die aktuelle Formula Student Saison und sich abseits des Konkurrenzdrucks dem Urteil der Judges zu stellen. Knapp 300 Studierende und Alumni machten das Event wieder zu einer gelungenen Mischung aus harter Arbeit und entspanntem Austausch.

Lukas Huck war als Official dabei. Der 30-jährige Ingenieur hat früher selbst mit dem Team der Uni Paderborn an der Formula Student teilgenommen und organisiert inzwischen gemeinsam mit anderen Alumni den Formula-Student-Teil der Veranstaltung. Lukas kennt also beide Seiten. Im Interview erzählt er uns, warum er das Event nicht missen möchte und es darauf ankommt, dass auch die letzte Dichtung sitzt.

VDI: Wie kamst Du zur Formula Student?

Lukas Huck: Als ich in Paderborn Maschinenbau studiert habe, wusste ich, dass es das UPB Racing Team gab. Sie haben im Herbst 2014 in Vorlesungen um neue Mitglieder geworben. Und nach dem Kennenlernabend, bin ich dabeigeblieben.

Von 2016 bis 2018 haben wir vom UPB Racing Team gemeinsam mit dem VDI-Bezirksverein OWL einen offenen Testtag veranstaltet - als Preevent für die Formula Student. Die Events waren klein, mit nur drei bis vier Teams. Zur gleichen Zeit hat Norelem ebenfalls ein Preevent angeboten, dieses war in ähnlicher Größe zum heutigen Event.

Wir haben dann überlegt, gemeinsam etwas auf die Füße zu stellen und so die Teams bei der Vorbereitung auf die Formula Student zu unterstützen. Das Ergebnis ist das VDI-Racing-Camp powered by Norelem.

Seit 2019 bin ich mit dabei und gemeinsam mit anderen Alumni, bieten wir den Studierenden die Chance ihre Wagen in allen Disziplinen der Formula Student den Juroren vorzustellen. So haben die Teams eine Deadline vor dem Start der Rennsaison und können so außerhalb der Wertung gucken, wo sie noch nachbessern müssen.

Praxiserfahrung fürs spätere Berufsleben

VDI: Was ist das Besondere an diesem Wettbewerb?

Ich habe selber gesehen, wie viel man als Teil des Teams lernt und aus dem Projekt mitnehmen kann. Denn der Bau des Rennwagens bietet eine Verknüpfung von Theorie und Praxis, die weit über das hinaus geht, was man an der Uni lernt. Im Team investierst Du viel Zeit und lernst, worauf es in der praktischen Umsetzung der Theorie ankommt. Das kann keine Vorlesung leisten.

In so einem Rennwagen stecken etwa 10.000 Arbeitsstunden der Teams, vom Projektmanagement über die Konstruktion am Zeichenprogramm, den Bau bis zum Start auf der Strecke. Du lernst auch mit anderen Disziplinen zusammenzuarbeiten. Diese Erfahrung machen viele erst später im Beruf.

Reale Testbedingungen der Formula Student Disziplinen

VDI: In welche Kategorien gehen die Rennteams an den Start?

Lukas Huck: Es gibt zwei Bereiche, in denen die Teams die Juroren überzeugen müssen: dynamisch und statisch.

Dynamisch entspricht sehr dem, was wir aus dem Motorsport kennen. Die Rennwagen fahren auf der Strecke gegen die Uhr. So steht beispielsweise beim Acceleration, die Motorleistung und der Antrieb im Mittelpunkt, beim Skid Pad, wo die Wagen eine Acht fahren, geht es mehr um Fahrwerk und die Fahrdynamik. Beim Autocross wird – ähnlich dem Formel-1-Qualifying eine Runde auf Zeit gefahren, hier haben die Teams vier Versuche. Die schnellste Runde gewinnt.

Das Highlight der Veranstaltungen ist meist das Endurance. Hier muss jedes Team mehrere Runden am Stück fahren, insgesamt 22 Kilometer samt Fahrerwechsel in der Mitte. Das klingt zwar nicht viel, schließlich haben viele Menschen einen längeren Arbeitsweg, aber in der Formula Student ist das die mit Abstand härteste Disziplin mit der höchsten Ausfallquote. Denn hier rächt sich jeder noch so kleine Fehler. Dabei scheitern die Teams meist nicht an großen Problemen, sondern wenn die Qualität nicht stimmt oder an einer Stelle doch nicht sauber gearbeitet wurde. Die Wagen stehen dann, weil eine kleine Dichtung nicht korrekt befestigt war und nicht weil der Wagen auseinanderbricht.

Außerdem muss man immer bedenken, dass es sich um handgefertigte Einzelstücke handelt. Wenn hier was schief geht, sind die Teams erstmal komplett aus dem Rennen. Denn komplexere Teile können nicht einfach ersetzt werden, sondern bedeuten eine Menge Arbeit und viel Geld. Das ist das Gute an Events, wie dem Racing Camp; Wenn du bei der Formula Student durch die technische Prüfung fällst, heißt das kein Rennbetrieb. Hier können die Teams alles testen und noch ihre Arbeitspakete mitnehmen

Ingenieure lernen die Vorteile der interdisziplinären Zusammenarbeit

VDI: Und worauf kommt es bei den statischen Disziplinen an?

Lukas Huck: In den statischen Disziplinen sind andere Fähigkeiten gefragt:

Zum Beispiel erinnert der Businessplan eher an die Höhle der Löwen. Die Teams müssen hier die Judges mit einem fiktiven Vermarktungssystem überzeugen. Hier gibt es tolle Ideen, von der Rennserie, über einen Verleih der Wagen für Firmenevents bis zum Verkauf an Ex-Rennfahrer.

Hier profitieren die Teams davon, dass unterschiedliche Studiengänge und Kompetenzen zusammenkommen und nicht nur Ingenieure zusammenarbeiten. Denn diese haben schon eine sehr spezielle Denkweise, die nicht immer mit anderen Anforderungen zusammengeht. Schließlich ist es so, dass fünf Ingenieure in der Theorie sicher eine Lösung für ein Problem finden, aber in der Praxis ist es dann dem Kollegen aus dem Controlling zu teuer oder die Umsetzung ist aus anderen Gründen noch möglich.

Das Know-how wie man interdisziplinär zusammenarbeitet und lernt die gleiche Sprache zu sprechen, ist sehr wertvoll.

Das hilft auch bei anderen statischen Disziplinen, wie dem Cost Report. Hier sollen die Teams eine vollständige Kostenaufstellung ihrer Wagen liefern. Das heißt, jedes Teil vom Kabelbinder bis zu Unterlegscheibe soll nachgehalten werden. Dazu auch möglichst präzise die Montageprozess und Fertigungskosten. Also wie lange brauchen alle beteiligten für die einzelnen Schritte. Hier suchen die Judges nach Fehlern und fragen auch genau nach, warum sie dieses oder jenes Bauteil selbst gefertigt und nicht gekauft wurde.

Lukas Huck im Interview

Zur Person: Lukas Huck, 30 Jahre, hat an der Universität in Paderborn Maschinenbau studiert und war vier Saisons im UPB Racing Team und hat an der Formula Student teilgenommen. In der Zeit hat er in verschiedenen Bereichen mitgearbeitet, von der Fahrzeugkonstruktion über die Fertigung bis zum Vorsitzenden für die Technik. Der Ingenieur arbeitet inzwischen in der Automobilindustrie.

 

In jedem Wagen stecken 10 000de Arbeitsstunden

VDI: Von was für Kosten sprechen wir hier?

Lukas Huck: Es ist schwer genau zu beziffern, aber schon allein beim reinen Materialwert sprechen wir von einem mittleren sechsstelligen Bereich, nehmen wir dann noch die sicher 10 000 Arbeitsstunden der Teams hinzu, landen wir im Millionenbereich.

Denn die Studierenden machen über Monate alles selbst. Das ist viel Arbeit aber bringt auch ein sehr tiefes Verständnis für die Anforderungen und Grenzen der Fertigung.

Dieses Verständnis ist auch grundlegend für die Königsdisziplin, den Design Report. Dabei müssen die Teams jede Baugruppe gegenüber einem Judge verteidigen. Da geht es schon sehr in die Tiefe. Warum sieht es so aus, was hast Du Dir gedacht? Welche gängigen Konstruktionsabläufe habt ihr zugrunde gelegt. Das Pro und Contra müssen dann gut erklärt werden können.

Es geht darum Lösungen tiefer zu durchdenken

VDI: Gibt es gängige Fehler, die immer wieder gemacht werden?

Lukas Huck: Oft ist nicht nachvollziehbar, wieso Entscheidungen für ein bestimmtes Element getroffen wurden. Dann haben die Teams das vielleicht in einer anderen Mannschaft gesehen und es nachempfunden. Hier wurde das Vorgehen nicht richtig verstanden. Wenn ich eine Lösung selbst suche und durchdenke, komme ich zu einem viel tieferen Verständnis.

Denn vielleicht ist es für meinen Wagen nicht die richtige Lösung: vielleicht haben wir weniger Leute im Team und weniger Geld zur Verfügung, dann ist die Lösung einfach zu komplex für dieses Team. Dann klingt es in der Theorie super, aber ist nicht schnell in einer Saison umsetzbar, so ist das Ergebnis dann fehleranfällig und weniger zuverlässig.

Hier zeigt sich schnell, dass es nicht nur um Technik geht, sondern Projektmanagement ein ebenso wichtiger Teil des Wettbewerbs ist.

Mir hat die Formula Student immer unglaublich viel Spaß gemacht und auch beruflich habe ich von den Erfahrungen sehr profitiert. Das möchte ich gerne zurückgeben!

Das Interview führte Gudrun Huneke.

Fachlicher Ansprechpartner:
Dipl.-Ing. Christof Kerkhoff
VDI-Gesellschaft Fahrzeug- und Verkehrstechnik
Telefon: +49 211 6214-645
E-Mail: kerkhoff@vdi.de

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