Mehr ausländische Fachkräfte dank Chancenkarte?
Dem Fachkräftemangel möchte die Bundesregierung mit der Chancenkarte entgegenwirken. Doch kann sie dadurch die Zuwanderung von Fachkräfte vor allem in akademischen Berufen fördern?
Im täglichen Leben ist es überall spürbar: In Deutschland fehlen Fachkräfte an allen Ecken und Enden. Die Gefahr ist groß, dass Unternehmen deshalb wirtschaftliche Chancen nicht nutzen können, denn gerade bei Fachkräften aus akademischen Berufen wie Ingenieurinnen und Ingenieuren ist die Kluft zwischen Bedarf und Mangel besonders eklatant. So schwankt die Zahl offener Stellen in den klassischen Ingenieurberufen laut VDI/IW-Ingenieurmonitor um 160.000 – Tendenz steigend.
Expertinnen und Experten sehen in der qualifizierten Zuwanderung einen wichtigen Baustein, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Die Bundesregierung hat nun entsprechend reagiert und mit der Chancenkarte Voraussetzungen geschaffen, die die qualifizierte Zuwanderung erleichtern sollen. Ab dem 01. Juni 2024 ist es für zuwanderungswillige Fachkräfte aus Drittstaaten möglich, diese Chancenkarte zu beantragen.
Auf Grundlage der im Jahr 2019 erfolgten Novellierung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes soll mit Einführung der Chancenkarte die qualifizierte Zuwanderung aus Drittstaaten berufsübergreifend um bis zu 65.000 Personen pro Jahr gesteigert werden, so das erklärte Ziel der Bundesregierung.
Punkte sammeln für den Erfolg
Wer die Chancenkarte beantragen möchte, muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen: Eine ausländische berufliche oder akademische Qualifikation, die in Deutschland voll anerkannt ist, alternativ ein in Deutschland erworbener Hochschul- oder Berufsabschluss oder eine im Herkunftsland erfolgreich abgeschlossene, staatlich anerkannte berufliche oder akademische Ausbildung von mindestens zweijähriger Dauer.
Kommen einfache Deutsch- oder gute Englischkenntnisse hinzu, besteht die Möglichkeit, für weitere Kriterien, wie Anerkennung der Qualifikationen in Deutschland oder Berufserfahrung mit Deutschlandbezug Punkte zu sammeln. Andere Länder, wie beispielsweise Kanada praktizieren ein solches Punktesystem schon erfolgreich - je mehr Punkte zusammenkommen, desto größer sind die Erfolgsaussichten. Die Chancenkarte gilt zunächst für maximal ein Jahr. In dieser Zeit muss der Lebensunterhalt nachweislich gesichert sein.
Qualifizierung, Job oder Selbständigkeit
Mit der Chancenkarte sucht die zuwanderungswillige Fachkraft eine Arbeitsstelle oder gründet eine selbstständige Existenz. In dieser Phase sind mehrere Nebentätigkeiten, aber auch Probebeschäftigungen zulässig, sofern sie dem Ziel dienen, eine qualifizierte Beschäftigung, Ausbildung oder Qualifizierungsmaßnahme zu finden. Für Zugewanderte, die nach einem Jahr noch nicht über einen anderen Aufenthaltstitel im Sinne des Aufenthaltsgesetzes verfügen, aber ein Angebot für eine qualifizierte Beschäftigung haben, kann die Chancenkarte um weitere zwei Jahre verlängert werden.
„Die Chancenkarte ist der Einstieg in ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild und daher positiv zu bewerten“, sagt VDI-Arbeitsmarktexperte Ingo Rauhut. „Es bleibt aber dabei: Zuwanderungswillige Fachkräfte sehen sich mit einer Reihe hoher bürokratischer Hürden konfrontiert, die eine Zuwanderung nach Deutschland für sie nicht gerade attraktiv macht.“
Mit VDI-Xpand die nächsten Hürden nehmen
Ist der neue Job gefunden oder die Selbstständigkeit auf den Weg gebracht, stehen zugewanderte Fachkräfte vor der nächsten Herausforderung: der Integration in Arbeitswelt und Gesellschaft.
Mit VDI-Xpand entwickelt der VDI in einem Pilotprojekt beispielhafte Wege, wie zugewanderte Ingenieurinnen und Ingenieure dabei unterstützt werden können. Kernstück ist ein Mentoring-Programm, in dem qualifizierten Zugewanderten berufserfahrene Ingenieurinnen und Ingenieure aus dem Kreis der VDI-Mitglieder zur Seite gestellt werden. Das Mentoring wird nach fachlichen Kriterien gematcht und findet überwiegend online statt. Weitere ergänzende Angebote erhalten die Zugewanderten vor Ort in den VDI-Bezirksvereinen.
Das Pilotprojekt VDI-Xpand ist Teil des Regionalen Integrationsnetzwerks IQ RIN NRW-West im Förderprogramm „IQ – Integration durch Qualifizierung“. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und die Europäische Union fördern dieses Netzwerk aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds Plus (ESF Plus). Partner bei der Umsetzung sind das Bundesministerium für Bildung und Forschung und die Bundesagentur für Arbeit, die Verwaltung liegt beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
Fachlicher Ansprechpartner:
Ingo Rauhut
Ausbildung und Arbeitsmarkt
Telefon: +49 211 6214-697
E-Mail: rauhut@vdi.de