VDI-Ökobilanz zu PKW mit verschiedenen Antriebssystemen
Wie groß ist der CO2-Fußabdruck? E-Autos, Plug-in-Hybride und konventionell angetriebene Fahrzeuge im Vergleich
Wir sind heute so mobil wie nie zuvor. Individuelle Mobilität ist ein selbstverständlicher Teil unseres täglichen Lebens. Gleichzeitig stehen wir vor der großen Herausforderung Verkehr nachhaltiger und klimaneutral zu gestalten. Aber welche Antriebssysteme sind auf dem Weg zur klimafreundlichen Mobilität die richtigen? Und ab welcher Laufleistung und mit welchem Energiemix werden Pkw wirklich grün?
Der VDI hat in einer umfangreichen Studie nun die gesamte Ökobilanz – von der Herstellung bis zu 200.000 km Laufleistung – von E-Autos, Plug-in-Hybriden sowie konventionell angetriebenen Autos (jeweils Diesel und Benzin) untersucht, statt nur den Betrieb verschiedener Fahrzeugtypen zu betrachten. Die VDI-Ökobilanzanalyse vergleicht dabei den ökologischen Fußabdruck verschiedener Pkw-Antriebskonzepte anhand von heute produzierten Kompaktklassefahrzeugen, wie VW ID.3, Ford Focus, Toyota Corolla Hybrid oder VW Golf.
Bereits 2020 hatte der VDI verschiedene Fahrzeugtypen und -antriebe über den gesamten Lebenszyklus miteinander verglichen (LCA-Studie 2020). Für die aktualisierte Studie wurde die Berechnungsgrundlage jedoch umfassend überarbeitet. „Wir haben nach Veröffentlichung der letzten Studie im Jahr 2020 angekündigt, das Thema weiter zu verfolgen, haben uns die Anregungen und auch die Kritik zu Herzen genommen und bei dieser Studienerstellung berücksichtigt. Inhaltlich ergänzt haben wir in der vorliegenden Studie den Bereich der Hybridfahrzeuge, nicht weiter berücksichtigt wurden hingegen Pkw mit Brennstoffzelle”, so Dr.-Ing. Ralf Marquard, Sprecher des Expertengremiums Antriebe im Fachbereich Kraftfahrzeugtechnik der VDI-Gesellschaft Fahrzeug- und Verkehrstechnik.
Die VDI-Ökobilanzstudie auf einen Klick
Kernergebnis der VDI-Ökobilanz-Studie:
Den besten ökologischen Rucksack haben E-Autos und Plug-in-Hybride
Betrachtet man die Fahrzeuge von der Herstellung bis zu einer angenommenen Laufleistung von 200.000 km, so erzielen E-Autos und Plug-in-Hybride die besten Ergebnisse. Dabei zeigte sich deutlich, dass E-Autos mit Zunahme des Anteils regenerativ erzeugten Stroms immer klimafreundlicher werden. Aber erst die grün produzierte Batterie macht E-Mobilität klimafreundlich.
Dazu müssen in Zukunft Batterien in Deutschland und Europa nachhaltig produziert und recycelt werden. Außerdem gibt es keinen klimafreundlichen Verkehr in Deutschland ohne den Ausbau der Erneuerbaren Energien.
- E-Autos werden klimafreundlicher, je länger sie laufen. Ab etwa 90.000 Kilometer Laufleistung sind E-Autos in Deutschland klimafreundlicher als Verbrenner.
- Bei der angenommene Laufleistung von 200.000 km schneiden das betrachtete E-Auto und der Plug-in-Hybrid aus der Kompaktklasse bei der Klimabilanz am besten ab.
- E-Auto: 24,2 t CO2
- Plug-in-Hybrid: 24,8 t CO2
- Diesel: 33 t CO2
- Benziner: 37 t CO2
Hier geht's zur kompletten Studie und hier zur Kurzfassung FACTSHEET
Die VDI-Ökobilanzstudie bei Bloch erklärt
Nachhaltige Mobilität: wann wird Autofahren grün? Bloch erklärt #242
VDI-Podcast zur Ökobilanzstudie für Antriebsarten
Die „Ökobilanzstudie für Antriebsarten“ analysiert die Ökobilanz von E-Autos, Plugin-Hybriden und Verbrenner-Motoren. Bereits im Jahr 2020 veröffentlichte der VDI eine Studie, in der es um batterieelektrische Autos ging.
In dieser Folge sprechen Sarah Janczura und Marco Dadomo mit Dr. Ralf Marquard über die CO₂-Bilanz von verschiedenen Fahrzeugen. Welche neuen Erkenntnisse gibt es im Vergleich zur ersten Studie?
Ralf Marquard ist Antriebsexperte und Mitglied im Fachbeirat „Kraftfahrzeugtechnik“ und dort Sprecher des Expert*innen-Gremiums „Antriebe“, das die Ökobilanzstudie erstellt hat.
Handlungsempfehlungen für Deutschland
Was wir für eine klimafreundliche Mobilität brauchen:
- Wir brauchen in Deutschland den Ausbau der erneuerbaren Energien auch für eine klimafreundlichere Mobilität. Allein der Umstieg auf Elektroautos und Hybridfahrzeuge wird nicht ausreichen, wenn der Strom „dreckig“ produziert wird. Der Ausbau von Fotovoltaik und Windkraft ist wichtig und wird die Klimabilanz der Elektroautos in der Nutzungsphase spürbar verbessern.
- Die Defossilisierung der elektrischen Energieversorgung muss bei gleichzeitigem Ausbau der regenerativen Erzeugung der elektrischen Energie vorangetrieben werden.
- Die Studie zeigt erheblich erhöhte THG-Emissionen für heute neu in den Markt kommende Elektroautos (auch Plug-In-Hybride), die im Marginalansatz im System zusätzliche elektrische Verbraucher darstellen. Der Ausbau von Fotovoltaik und Windkraft sowie der erforderlichen Netzt muss daher ganz erheblich steigen, um der anvisierten Zahl rein batterieelektrischer Fahrzeuge zu genügen.
- Um die THG-Emissionen, die bei der Batterieproduktion entstehen, so gering wie möglich zu halten, muss die Batterieproduktion für E-Fahrzeuge mit regenerativer Energie erfolgen.
- Die Batterieproduktion für Elektroautos muss zwingend mit regenerativer elektrischer Energie erfolgen, um THG-Emission bei der Produktion gering zu halten. Die Studie zeigt, dass die THG-Emissionen von batterieelektrischen Fahrzeugen entscheidend durch die Produktion der Batterien bestimmt wird. Hier bei spielt auch der jeweilige Produktionsort eine entscheidende Rolle.
- Eine Batterieproduktion in Deutschland und europäischen Ländern mit hohem erneuerbarem Energieanteil sorgt neben einer europäischen Wertschöpfung für eine bessere CO2-Bilanz der Autos.
- Die Studie zeigt, dass gerade Batterien aus China hohe THG-Emissionen bei der Produktion aufweisen. Aber auch Produktionsstandorte in Europa mit einem hohen fossilen Energieanteil weisen bei der Produktion hohe THG-Emissionen auf.
- Ein Wertstoffkreislauf basierend auf einer guten Recyclingquote bei der Batterie schafft bei der Rohstoffverfügbarkeit eine gewisse Unabhängigkeit und wirkt sich positiv auf die THG-Emissionen aus.
- Wir leben in einer Zeit der Transformation. In dieser sind E-Fuels eine wichtiger Technologiebaustein für eine klimaneutrale Mobilität der Zukunft.
- Zur Erreichung der deutschen und europäischen Klimaziele im Verkehrssektor ist die Nutzung von klimaneutralen Kraftstoffen für die Bestandsflotte unabdingbar. Hierfür müssen umgehend die regulatorischen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit eine entsprechende Skalierung der Technik erfolgen kann.
- Um möglichst emissionsarm zu fahren, müssen Autofahrende auf den bestimmungsgemäßen Betrieb von Plug-in-Hybriden achten. Das bedeutet, sie müssen ihre Plug-in-Hybride prioritär und regelmäßig elektrisch laden, um einen hohen elektrischen Fahranteil zu erreichen.
- Es muss zwingend ein Augenmerk auf den bestimmungsgemäßen Betrieb von Plug-in-Hybriden gerichtet werden.
- Die Studie zeigt, das Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge bei unterschiedlichen Nutzungsszenarien (EcoTest oder WLTP) entweder Fluch oder Segen bezüglich der THG-Emissionen sein können. Produktionsbedingte Mehr-THG-Emissionen können bei bestimmungsgemäßer Nutzung der Fahrzeuge mehr als ausgeglichen werden. Bei nicht bestimmungsgemäßer Nutzung zeigt die Studie die höchsten THG-Emissionen der verglichenen Antriebsarten.
- Eine neu zu schaffende Elektro-Kleinfahrzeug-Klasse M0 für den urbanen Bereich mit entsprechend kleinen Batterien, geringem Gewicht und geringer Stellfläche, aber keinen Abstrichen bei der Sicherheit, kann viele Mobilitätsbedarfe erfüllen.
- Die Studie zeigt, dass kleine und schnellladefähige Batterien die THG-Emissionen batterieelektrischer Fahrzeuge verbessern. Der Gestaltungsspielraum und damit das Marktpotenzial für diese kleinen Elektroautos kann wegen der europäischen Gesetzgebung derzeit nicht erfüllt werden.
- Ein Teil der Wertschöpfung soll in Deutschland bleiben, um den Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort zu stärken.
- Die Studie sieht neben bereits erfolgten regulatorischen Vorgaben einen verstärkten Handlungsbedarf beim Recycling der Traktionsbatterien von Elektroautos, insbesondere bei den Themen Forschung und Entwicklung sowie einer Skalierung auf einen industriellen Maßstab. Mit Blick auf Materialbedarf und Materialverfügbarkeit wird dem Thema Recycling zukünftig eine immer wichtigere Rolle zukommen.
VDI-Ökobilanz
Kurz und bündig
Die VDI-Studie wurde durchgeführt vom interdisziplinären Expertengremium Antriebe des VDI-Fachbereichs Kraftfahrzeugtechnik in der VDI-Gesellschaft Fahrzeug- und Verkehrstechnik und durch das Karlsruhe Institute of Technologie (KIT) unterstützt.
Die Methodik und Ergebnisse wurden einem Reviewverfahren durch das unabhängige Paul Scherrer Institut (PSI) unterzogen.
Bei der Erstellung wurden als Maßstab die DIN EN ISO 14040 sowie DIN EN ISO 14044 herangezogen. Als Datenbank wurde ecoinvent v.3.8 verwendet.
Die VDI-Ökobilanzanalyse betrachtet den Umwelteinfluss von verschiedenen Pkw-Antriebskonzepten am Beispiel des Anwendungsfalls von produzierten Kompaktklassefahrzeugen im Jahr 2021, wie VW ID3, Ford Focus, VW Golf oder Toyota Corolla Hybrid. Batterieelektrische Antriebe, Hybridantriebe in unterschiedlichen Ausgestaltungsformen und rein verbrennungsmotorische Konzepte werden analysiert und verglichen.
Die technologiebasierte Modellierung der Ökobilanzanalyse basiert auf einer detaillierten Abbildung der Antriebstechnologien. Der Schwerpunkt lag auf einer Analyse des Bilanzraums Deutschland. Der Vergleich der verschiedenen Antriebsstrangkonzepte basiert auf der Grundlage einer umfangreichen Berücksichtigung von vielfältigen Einflüssen (z. B. Materialen (auch Rohstoffe), Prozesse, Produktionsorte). Aufgrund bislang fehlender großmaßstäblicher Daten konnte der Einfluss des Batterierecyclings nur auf der Potenzialseite berücksichtigt werden.
Der Treibhausgas-Emissionsvergleich erfolgte unter Berücksichtigung der Fahrzeugproduktion im Jahr 2021 und Nutzung der Fahrzeuge bis zum Jahr 2035 mit einer Referenzlaufzeit von 200.000 km sowie der entsprechenden Netto-Stromerzeugung in diesem Zeitraum.
Die technologiebasierte Modellierung der Ökobilanzanalyse basiert auf einer detaillierten Abbildung der Antriebstechnologien. Der Schwerpunkt lag auf einer Analyse des Bilanzraums Deutschland. Der Vergleich der verschiedenen Antriebsstrangkonzepte basiert auf der Grundlage einer umfangreichen Berücksichtigung von vielfältigen Einflüssen (z. B. Materialen (auch Rohstoffe), Prozesse, Produktionsorte). Aufgrund bislang fehlender großmaßstäblicher Daten konnte der Einfluss des Batterierecyclings nur auf der Potenzialseite berücksichtigt werden.
Die Studie nutzt unterschiedliche Nutzungsszenarien (z. B. WLTP, EcoTest) und verwendet durchgängig die zwei energetischen Berechnungsgrundlagen Mittelwert- und Marginalansatz. Der Mittelwertansatz ist die übliche Berechnungsgrundlage und liefert die mittlere CO2-Emission von allen vorhandenen elektrischen Verbrauchern im Sinne eines arithmetischen Mittelwerts über feste Zeiträume. Er geht davon aus, dass immer ausreichend Strom aus erneuerbaren Energien verfügbar ist. Der Marginalansatz als weitere Berechnungsgrundlage zeigt das mögliche CO2-Einsparpotenzial bei Abschaltung eines elektrischen Verbrauchers beziehungsweise die CO2-Zusatzemissionen beim Hinzufügen eines weiteren elektrischen Verbrauchers, z. B. eines neu zugelassenen Elektrofahrzeugs. Hierbei die Annahme, dass nicht immer ausreichend Strom aus regenerativen Energien vorhanden ist, sodass zusätzlicher Strom aus fossilen Energieträgern gewonnen werden muss, um den Bedarf zu decken.
Die wichtigsten Ergebnisse im Details
Welche Antriebe bei PKW haben die beste CO2-Bilanz?
Eine der wichtigsten Erkenntnisse der Studie sind die Treibhausgas-Emissionen (THG), die bei der Herstellung eines Pkw entstehen. Hier entfällt beim Elektroauto immer noch über die Hälfte der CO2-Emissionen allein auf die Produktion des Antriebsstrangs. Bei einem Elektroauto mit einer Akkukapazität von 82 kWh sind dies 10,12 t CO2äq. Bei einem Verbrenner mit Benzin sind es lediglich 1,21 t CO2äq (siehe Bild 1).
Gehen wir bei der Produktion des Antriebsstrangs eines Elektroauto noch weiter ins Detail, wird sichtbar, dass die Produktion der Batterie mit 83 % (8,37 t CO2äq) der Hauptverursacher für die hohen CO2-Emissionen bei der Produktion veraqntwortlich ist (siehe Bild 2). Die weiteren Komponenten spielen eine untergeordnete Rolle.
Das Elektroauto startet folglich mit einer schlechteren produktionsbedingten CO2-Bilanz, die es über die Nutzungsphase wieder „einfahren“ muss. Wir konnten deutlich aufgezeigen, dass Fahrprofil und Energieträger je nach Antriebskonzept entscheidenden Einfluss auf die betriebsbedingten THG-Emissionen ausüben.
Grundlage unserer Betrachtung waren eine angenommene Laufleistung von 200.000 Kilometern bei Verwendung des Mittelwertansatzes und Verwendung des WLTP-Szenarios. Dabei schneiden das betrachtete Elektroauto mit eine Akkukapazität vom 62 kWh (24,2 t CO2äq) und der Plug-in-Hybrid (24,8 t CO2äq) aus der Kompaktklasse am besten ab. Diesel (33 t CO2äq) und Benziner (37,1 t CO2äq) folgen (siehe Bild 3). Der Vorteil des Elektroautos stellt sich bei 90.000 km ein. Ab diesem Punkt ist das Elektroauto klimafreundlicher als der konventionelle Verbrenner mit Benzin.
In Abhängigkeit der unterschiedlichen Randbedingungen der Bilanzanalyse, wie dem bei der Bilanzierung herangezogenen Ansatz der Energie (Mittelwertansatz und Marginalansatz) oder den unterschiedlichen Fahrprofilen (WLTP, Kurzstrecke usw.), ergibt sich eine Spreizung der resultierenden Bilanzergebnisse.
Auf der Basis des mittleren, sogenannten WLTP-Energiebedarfs der Fahrzeuge ergeben sich bei der Verwendung des Mittelwertansatzes bei einem Elektroauto mit einer Akkukapazität von 62 kWh THG-Emissionen in Höhe von 24,2 t CO2äq. Bei Berücksichtigung des Marginalstromansatzes resultiert je nach Betrachtung ein Wert von ca. 33,8 t CO2äq. Wird das Fahrzeug mit Solarstrom geladen, ergeben sich sogar nur 19,1 t CO2äq. Beim Fahrprofil Autobahn liegen die Werte bei 27,5 t CO2äq beim Mittelwertansatz und 40,8 t CO2äq bei Berücksichtigung des Marginalstromansatzes.
Bei Plug-in-Hybrid-Fahrzeugen ergeben sich THG-Emissionen zwischen 24,8 t CO2äq (WLTP, Mittelwertansatz) und 46,0 t CO2äq (EcoTest im Hybridmodus) je nach Analyseansatz und Anwendungsprofil.
Bei Diesel- und Benzin- sowie Hybridfahrzeugen ergeben sich THG-Emissionen zwischen 25,1 t CO2äq (FHEV-g) und 43,6 t CO2äq (ICEV-g, Kurzstrecke) je nach Technologieausführungen und Fahrprofilen.
Die größte Bandbreite an Ergebnissen weist das Plug-in-Hybrid-Fahrzeug (PHEV-g) auf. Einsatzfall und Analysemethode führen zu einer großen Bandbreite von 24,8 t CO2äq bis 46,0 t CO2äq.
Bild 3: Vergleich der kumulativen THG-Emissionen für unterschiedliche Antriebsstrangkonzepte auf Basis der WLTP-Verbräuche für den Marginalansatz (Ma) und den Mittelwertansatz (Mi) für BEV mit 62-kWh- bzw. 82-kWh-Batterie sowie PHEV-g und ICEV-d, FHEV-g, MHEV-g-P0, ICEV-g
VDI-Publikationen zum Thema E-Mobilität
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