Viele Gründe für eine langfristige Zukunft der Verbrennungsmotoren
Studierende der Ingenieurwissenschaften kennen besser als jeder andere Berufsabsolvent den Grundsatz, dass eine gewählte technische Lösung für ein technisches Problem typischerweise immer Vor- und Nachteile mit sich bringt. Vorteile können zum Beispiel die Verarbeitungsqualität, die Kosten oder weitere Produkteigenschaften betreffen.
So können je nach Anwendungsfall oder Einsatz verschiedene Werkstoffe, Softwarestrukturen, Ausführungen von Wellen-Naben Verbindungen oder Fertigungsprozesse für den entsprechenden Anwendungsfall unterschiedlich gut geeignet sein. Man spricht von einer multikriteriellen Optimierung eines Systems. Wichtige Kriterien, die in Zukunft für alle Anwendungsfälle generell an Bedeutung gewinnen werden, sind der Rohstoffbedarf, eine ganzheitlich Umweltbilanzierung, die wirtschaftliche Abhängigkeit oder die Kostenthematik.
Überträgt man diesen elementaren Grundsatz der Ingenieurwissenschaften auf den Antrieb von Automobilen, so bleibt er uneingeschränkt erhalten. Allerdings ist in den letzten Jahren eine Schieflage in der öffentlichen Wahrnehmung zu den Nachteilen der Technologie des Verbrennungsmotors entstanden.
Verbrennungsmotoren kommen bei vielen Anwendungsfällen zum Einsatz
Zunächst ist der Hinweis entscheidend, dass die Verbrennungsmotorentechnologie in vielen Anwendungsfällen beheimatet ist. Hierzu gehören Motorsägen, Erntemaschinen, Motorräder, Lastfahrzeuge, Baumaschinen, Militäranwendungen, Flugzeug- oder Schiffsanwendungen bis hin zu Schneeraupen oder Blockheizkraftwerken. Sicherlich gibt es Anwendungsfälle, bei denen alternative Antriebslösungen ebenfalls Zukunftspotenzial aufweisen. Bei vielen Anwendungsfällen, beispielsweise bei einem Betrieb bei tiefen Außentemperaturen, mit hohen Lasten, bei benötigten günstigen Investitionskosten oder bei einem Betrieb abseits der etablierten Infrastruktur sind jedoch verbrennungsmotorische Lösungen oftmals unstrittig gesetzt.
Eine leidenschaftliche Debatte hat sich beim Verbrennungsmotor als Antrieb für Pkw-Anwendungen ergeben. Zunächst ist der Hinweis entscheidend, dass der moderne Verbrennungsmotor hinsichtlich seiner Emissions- und Immissionseigenschaften als quasi wirkungsneutral angesehen werden kann. In einer je nach Hersteller unterschiedlich zu bewertenden Gemengelage aus teilweise illegalen Softwarestrukturen, einer Ausnutzung der gesetzlichen Grauzonen der Vergangenheit und nachvollziehbaren Fehlern bei der Datensatzerstellung ist jahrelang der Eindruck vermittelt worden, dass der Diesel für ein Immissionsproblem in diesen Städten steht.
Dies stimmt für den modernen Dieselmotor nicht. Ein relevanter Zusammenhang der Immissionswerte mit modernsten Motorentechnologien ist konstruiert. Die Partikelanzahl ist im Abgas oftmals geringer als die der Umgebungsluft. Die Kohlenmonoxid- oder Kohlenwasserstoffkonzentration liegt im Abgas nach dem Kaltstart typischerweise ebenfalls niedriger als in der Umgebungsluft. Der NO2 Beitrag einer ausschließlich modernen PKW-Flotte würde an einer hochbelasteten Kreuzung zu einem Beitrag von circa 1 µg/m3 führen und ist somit etwa um einen Faktor 100 niedriger als der langfristig unbedenkliche NO2-Richtwert für Innenraumkonzentrationen.
Es ist nötig, diverse Antriebslösungen einzusetzen
Unstrittig vorhanden ist der CO2-Beitrag von Verbrennungsmotoren. So sind Batterie- oder Brennstoffzellenfahrzeug zu interessanten Technologieoptionen für die Politik geworden. Entscheidend ist nun die Vorgabe des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change). Sie besagt, dass zur Begrenzung der Erderwärmung nur noch ein Restbudget von 420 Mrd. Tonnen CO2 vorliegt, welches insgesamt noch emittiert werden darf.
Es gibt also ein CO2-Guthaben, welches wir gemäß den IPCC-Vorgaben kontinuierlich aufbrauchen, weshalb wir schnellstmöglich die CO2-Emissionen reduzieren müssen. Eine schnelle Reaktion und die Nutzung mehrerer Lösungen ist gefordert. Alle verfügbaren Technologien, also elektrische Speicher, Brennstoffzellen- oder verbrennungsmotorische Antriebssysteme werden langfristig CO2 neutral betrieben werden.
Heute liegen jedoch weder grüner Strom noch grüner Kraftstoff in ausreichender Form vor. Nur rund zehn Prozent des Endenergiebedarfs in Deutschland wird durch Strom aus Fotovoltaik, Wind- oder Wasserkraft abgedeckt. Über 90 Prozent des verbrannten Kraftstoffes ist fossil. So ergeben sich für die multikriteriellen Anforderungen eines nachhaltigen Verkehrssystems der Zukunft unabdingbar mindestens vier Anforderungen, die erfüllt sein müssen:
- Die Antriebstechnologien müssen in ihrem Herstellungsprozess CO2-frei sein.
- Die Antriebstechnologien müssen in ihrem Betrieb mit „grüner“ Energie, also mit grünem Strom oder mit grünem chemischem Energieträger, betrieben werden.
- Die Infrastruktur zum Betrieb der Fahrzeuge muss vorliegen und unter allen Randbedingungen funktionieren.
- Die Technologie muss für jede Einkommensklasse eine akzeptable Lösung anbieten.
Für Batteriefahrzeuge müsste es eine Ladesäuleninfrastruktur für alle Haushalte geben
Für das Batteriefahrzeug müsste eine Ladesäuleninfrastruktur für alle Haushalte aufgebaut werden. Ferner dauert es mindestens bis 2050, bis zumindest der Strommarkt als weitestgehend CO2-frei angesehen werden kann, womit der Produktionsprozess entlastet werden kann. Eindrückliche Batteriefahrzeuge werden bereits heute angeboten, gleichwohl ist kein langstreckentaugliches Fahrzeug im 22.000-Euro-Segment in Sicht.
Beim Verbrennungsmotor ist lediglich der Kraftstoffpfad zu überarbeiten, was mit Milliardeninvestitionen der Mineralölindustrie verbunden ist! Die Technologieführerschaft Deutschlands könnte verteidigt werden. Alle anderen Anforderungen an das Mobilitätssystem werden bereits heute vollumfänglich erfüllt. Die Wertschöpfung ist deutlich größer, insbesondere von Hybridanwendungen.
Als Hauptargument gegen die CO2-neutralen Kraftstoffe reFuels wird der Wirkungsgrad angeführt. Dieses Argument ist substanzlos. Langfristig werden wir die Energie, die wir in Deutschland benötigen, aus sonnen-, wind- und wasserkraftreichen Gegenden dieser Erde in chemisch gebundener Form einführen. Die Frage ist, wie lange wir benötigen, diesen Zustand zu realisieren.
China oder Japan setzten auf mehrere Lösungen der Zukunft, wobei der verbrennungsmotorische Antrieb eine Kernsäule darstellt. Leider wird in Europa aus ideologischen Gründen permanent vom Verbot des Verbrennungsmotors gesprochen. Diese dogmatische Argumentation ist ein Frontalangriff auf den Wohlstand unseres Landes.
Im Jahr 2030 kann die flächendeckende Einführung von R33-Kraftstoff mit einem CO2-Reduktionspotenzial von rund 25 Prozent in Kombination mit einem moderneren hybridisierten 48-Volt-Parallelhybrid-Dieselmotor mit einem Potenzial von weiteren rund 25 Prozent ein CO2-Potenzial in der Größenordnung von fast 50 Prozent für ein Neufahrzeug beitragen. Zudem wird die Bestandsflotte aus Verbrennerfahrzeugen ebenfalls in ihrer CO2-Emission signifikant reduziert. Eine Halbierung des CO2-Footprints des deutschen Stromnetzes innerhalb von zehn Jahren ist nicht darstellbar.
Verbrennungsmotorische Hybridfahrzeuge werden über Jahrzehnte im Straßenverkehr, insbesondere unter ganzheitlichen Ökobilanz-Gesichtspunkten, nicht wegzudenken bleiben und in einem spannenden Wettbewerb mit anderen eindrücklichen Technologien stehen.
Autor: Prof. Thomas Koch, Leiter des Instituts für Kolbenmaschinen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Weiterführende Informationen: „Ein komplementäres Miteinander der Technologien ist unsere einzige Chance, die CO2-Ziele für 2030 zu erreichen“, so VDI-Präsident Dr.-Ing. Volker Kefer. Darum nehmen wir die Möglichkeiten der unterschiedlichen Technologien für die Mobilität heute und die Potenziale von morgen in der Reihe Antriebssysteme in den Fokus: Verbrenner, Batterie, Brennstoffzelle.
Fachlicher Ansprechpartner im VDI:
Dipl.-Ing. Simon Jäckel
VDI-Gesellschaft Fahrzeug- und Verkehrstechnik
E-Mail-Adresse: jaeckel@vdi.de