"Als könnte ich mit meinem Zukunfts-Ich sprechen"
Zwar wächst die Anzahl an Ingenieurinnen auch in Führungspositionen seit Jahren, doch noch immer entscheiden sich wenige Frauen für Ingenieurwissenschaften. Dabei kann man gerade hier an der Lösung für die großen Herausforderungen unserer Zeit mitarbeiten und Zukunft gestalten. Weil wir als VDI junge Nachwuchskräfte in ihrer beruflichen Entwicklung aktiv unterstützen wollen, geht unser VDI-WoMentorING bereits in die 3. Runde.
Hier bringen wir berufserfahrene Mentorinnen mit jungen Ingenieurinnen zusammen, um einen direkten Austausch zu fachlichen, aber auch persönlichen Schwierigkeiten zu ermöglichen. Und wir sehen, dass beide Seiten sehr von dem intensiven Kontakt profitieren.
Aber welchen Mehrwert bietet die Teilnahme Mentorinnen wie Mentees, und was wünschen sie sich für Ingenieurinnen auf ihrem Karriereweg? Wir haben mit einem aktiven Tande gesprochen.
VDI: Wieso sind Sie dabei?
Britta Bolzern-Konrad: Zu meiner Hochschulzeit gab es noch keine solchen Programme. Erste Berührungspunkte und Erfahrung als Mentorin sammelte ich als Dozentin an der Hochschule. Das hat mich überzeugt. Und da ich schon immer sehr stark im VDI engagiert war, und seit diesem Jahr darüber hinaus auch im Rahmen des Vorstands für die Bezierksgruppe München Ober-und Unterbayern, bin ich gerne Mentorin im aktuellen VDI-WoMentorING.
Als Mentorin spielt das Zugewandtsein eine wichtige Rolle. Das echte Interesse am Gegenüber. So entwickelt sich ein durchaus auch persönlicher Erfahrungsaustausch und eine tolle Unterstützung. Es ist schön zu geben, denn es kommt auch ganz viel zurück.
Bei allem Fachlichen, ist es aber auch sehr wichtig, dass die Chemie stimmt. Alles andere läuft dann von selbst. Bei uns gab es eine außergewöhnliche Übereinstimmung, das ist sehr spannend.
Felicitas Hegmann: Es gab und gibt im beruflichen Alltag immer wieder Momente, da habe ich mir neutralen Input gewünscht. Viele meiner Kollegen und Kolleginnen sind schon seit Jahrzehnten im Unternehmen und kennen es nicht mehr anders. Mir fehlte ein Perspektivwechsel und ein Austausch mit jemandem, der ähnliche Erfahrungen woanders mit ähnlichen Voraussetzungen wie ich gemacht hat.
VDI: Braucht es generell mehr Unterstützung für Berufseinsteiger oder benötigen Frauen besonders Förderung?
Felicitas Hegmann: So ein Programm würde wirklich jedem Berufseinsteiger helfen. Besonders ist hier im VDI der Gedankenaustausch von Ingenieurin zu Ingenieurin.
Britta Bolzern-Konrad: Ingenieure sollten grundsätzlich mehr gestärkt werden! Denn neben anderen Bereichen, die wichtig für die Gesellschaft sind, kommt Ingenieuren eine besondere Rolle zu, bei den technologischen, umwelttechnischen Herausforderungen, denen wir uns aktuell und in der Zukunft stellen dürfen. Ingenieure sollten gestärkt werden, um kreative, schlaue Lösungen voranzubringen…es geht schließlich um etwas…und dabei macht es keinen Unterschied, ob Mann oder Frau.
Denn: … der Unterschied zwischen uns Menschen ist größer als der zwischen Männern und Frauen. Ich finde es gut, diesen Blickwinkel immer mal wieder ins Bewusstsein zu rufen.
Ich hatte das Glück in meinem Leben immer akzeptiert worden zu sein, so war es für mich selbstverständlich, dass ich Ingenieurin werde. Gleichwohl weiß ich, dass es noch viel Handlungsbedarf gibt. Darum stehe ich ganz bewusst Ingenieurinnen zur Seite. Denn: Frauen müssen gestärkt, nicht unterstützt werden. Auch darum braucht es ein gutes Netzwerk: es schafft Zusammenhalt und Sichtbarkeit.
Felicitas Hegmann: Natürlich gibt es solche und solche Arbeitsumgebungen. Oft sind es aber Vorurteile, die nicht unbedingt was mit dem Frausein zu tun haben, sondern in meinem Fall damit, dass Textilingenieure eher als Designer wahrgenommen werden. Wenn technisch etwas nicht funktioniert, denkt dann keiner, dass ich helfen kann, da hilft nur Humor.
VDI: Welche Tipps würden Sie Einsteigerinnen mit auf den Weg geben?
Britta Bolzern-Konrad: Für mich war immer entscheiden, dass ich von dem, was ich tue, begeistert bin. Dies hat sich wie ein roter Faden durch mein Leben gezogen. Das Wissen um die eigenen fachlichen Kompetenzen ist wichtig. Gleichermaßen geht es darum gut zuzuhören, auch auf die Menschen zu gucken, denen man begegnet. Was bringen die anderen mit? Auch an Erfahrungen. Es gilt den Wert von jungen und von erfahrenen Kollegen und Kolleginnen zu schätzen. Denn das Erfahrungswissen, also auch das, was zwischen dem Fachlichen liegt, ist sehr wertvoll. Und eben, dass das Thema einen begeistert. Das gibt Energie, Kraft, Überzeugung, entwickelt die eigene Kompetenz. Am Ende ist das Entscheidende, was mich antreibt. Denn wenn ich das Bild vor Augen habe, wo ich hinwill, was wirklich für mich Sinn macht, schaffe ich auch die Herausforderung. Dann nehme ich die Hürden…weil ich es wirklich will.
Felicitas Hegmann: Mir hat der Kontakt zu den anderen Mentees sehr geholfen. Wir kommen alle mehr oder weniger frisch aus dem Studium, manche bringen (wie ich) schon eine Ausbildung mit und müssen uns im Berufsleben behaupten. Wir alle haben Kollegen und Kolleginnen, mit denen wir besser oder schlechter zurecht kommen und gehen den Weg von Berufseinsteigern. Darum ist der Austausch mit den anderen Mentees auch so hilfreich: was für die Eine vollkommen logisch ist, sieht die Andere erst auf den zweiten Blick. Das ist im Austausch mit Britta nochmal potenziert: Sie hat den anderen Blick + ihre Lebenserfahrung.
Britta Bolzern-Konrad: Da sind wir auch wieder beim Perspektivwechsel. Denn es hilft den Blick nach links und rechts zu öffnen. Auch um Übertragungen und Erkenntnisse aus und in andere Branchen zu sehen und zu schaffen, denn dann werden aus Luftfedern in Autos, plötzlich dynamische Bestandteile in Prothesen im Medizinbereich oder aus Lösungen, die die Natur gefunden hat werden technische Lösungen (Bionik).
Über die Interviewpartnerinnen:
Ich bin Britta Bolzern-Konrad. Als Textil-Ingenieurin und Betriebswirtin mit langjährigem Industriebackground, verbinde ich Lehre & Business - Betriebswirtschaft & Technologie - Strategie & Vertrauen. Auch durch meine Zeit als Professorin für Technische Betriebswirtschaft am Campus Burghausen der TH Rosenheim, den ich zwischen 2015 und 2022 aufgebaut und geleitet habe, sowie im Rahmen meiner selbständigen Tätigkeit fasziniert mich der interdisziplinäre Blick auf die Dinge.
Ich bin überzeugt: wir können technisch herausragend sein, wenn wir aber Angst davor haben, Fehler zu machen, werden wir keinen nachhaltigen Erfolg haben. Neben meinen Schwerpunkten in den Bereichen Materialwissenschaften, Qualitätsmanagement und Kreislaufstrategien begeistert mich die Philosophie hinter den Managementsystemen über die ich intensiv in das Thema Vertrauensforschung eingestiegen bin und ein messbares, in den Strategieprozess implementierbares und im Rahmen von Managementsystemen anwendbares Vertrauensmodell entwickelt habe (RoT-Return on Trust). Ich bin überzeugt: "Die Währung für den Erfolg und die Sinnhaftigkeit unseres Tuns ist: Vertrauen!"
Ich bin Felicitas Hegmann. Als Textil-Ingenieurin und Groß- und Außenhandelskauffrau kenne ich 2 Welten sehr gut: Die Technik und die Betriebswirtschaft. Nebenbei habe ich viele IT-Themen bearbeitet. Dabei bin ich auf viele interessante Charaktere gestoßen, die zusammen das Unternehmen voranbringen konnten. Ich bin mir sicher, wenn wir alle zusammenarbeiten und keiner Angst vor Fehlern haben muss, können wir Großartiges erreichen. Neben meinen Schwerpunkten in den Bereichen Textiltechnik, Prozess und Qualitätsmanagement begeistert mich die Netzwerktechnik und SAP. Beispielsweise habe ich als Prozessingenieurin ein System zur Messung der Gesamtanlageneffektivität (OEE) als Key-User eingeführt und jedes Netzwerkproblem gefunden (und behoben!), was bis dahin versteckt war. Einen anderen Prozess konnte ich dank SAP prozesssicherer gestalten. Ich hätte gerne noch weiter gemacht und mehr Prozesse effizienter gemacht. Deshalb suche ich meine nächste berufliche Herausforderung im SAP Umfeld.
VDI: Und was haben Sie dazu gelernt? fachlich und persönlich?
Felicitas Hegmann: Mir hat die Unterstützung, die ich erfahren habe, sehr geholfen. Der intensive Austausch hat mir neue Ideen gegeben.
Für mich war es toll, Brittas Methoden kennenzulernen. Aber ich konnte ihr auch einige Impulse geben, weil ich jünger bin und einen anderen Blick mitbringe. Sie hat ihre Erfahrung und ich Kompetenzen in anderen Bereichen. Ich bin viel digitaler aufgewachsen und kann ihr auch etwas mitgeben. Darüber habe ich mich sehr gefreut.
Britta Bolzern-Konrad: Wir sind einen durchaus bereits langen Weg miteinander gegangen, mit regelmäßigen Gesprächen und sehr intensiver Arbeit.
Für mich ist Mentoring eine Herzensangelegenheit, bei dem gerade auch der Altersunterschied sehr bereichernd ist. Ich bewundere an Felicitas und ihrer Generation, dass sie viel konsequenter in ihrem Mut zu Veränderung sind.
Diese Generation bringt eine gewisse Unerschrockenheit mit; das kennzeichnet sie.
Felicitas Hegmann: Ich glaube das hat auch viel mit Anreizen zu tun. Denn Dinge, die in der früheren Generation selbstverständlich waren wie ein Eigenheim oder eine sichere Rente sind für meine Generation nicht selbstverständlich. Also folgt die Überlegung: Wie ist die Balance zwischen Arbeit und Leben? Was will ich? Was macht mich glücklich?
VDI: Welche Rolle spielen für Frauen im Ingenieurberuf ein berufliches Netzwerk und Projekte wie VDI-WoMentorING?
Felicitas Hegmann: Es geht um einen offenen Austausch, gleicher unter gleichen.
Britta Bolzern-Konrad: Darum ist es auch wichtig in der Öffentlichkeit noch mehr für Traineeprogramme, wie dieses,zu werben. An dieser Stelle möchte ich sagen, dass das VDI-WoMentorING sehr professionell organisiert ist. Es geht darum Kompetenzen sichtbar zu machen, die da sind, und die in der Gesellschaft verstärkt gebraucht werden. Aber eines ist auch wichtig: die Anforderungen haben sich gewandelt. Die Beziehungsebene, die Soft Skills, haben an Bedeutung gewonnen und dürfen gleichzeitig zur technologischen Kompetenz, die dringend, wie noch nie gebraucht wird gefördert werden.
Und gerade hier liegt eine riesige Chance für Ingenieurinnen, denen diese Kombi einfach liegt. Die Mischung aus systematischem Ingenieursdenken mit der Beziehungsebene ist es, die es zu stärken gilt.
Ich bin Ingenieurin und habe gleichermaßen zum Thema Vertrauen geforscht, darüber wie durch Vertrauen Kompetenzen entfaltet und damit an ein Unternehmen gebunden werden könne. Das wird immer wichtiger. Dazu brauche ich eine Umgebung, in der mir Vertrauen entgegengebracht wird, wo ich Fehler machen kann, wo ich Risiko aushalten kann. Eine Umgebung der Zugewandtheit, wie ich sie hier auch im Mentoring voraussetze.
VDI: Welche konkreten Maßnahmen können Unternehmen ergreifen, um die Karriereentwicklung oder die Attraktivität dieses Berufsfeldes gerade für Frauen im Ingenieurwesen zu unterstützen?
Felicitas Hegmann: Es müsste mehr Wert auf ein Miteinander gelegt werden statt auf Macht und Hierarchiegefälle. Es halten sich Vorurteile, wie „Frauen seien so emotional“, dabei habe ich schon viele Kollegen erlebt, die laut werden, wenn Ihnen etwas nicht passt. Männer akzeptieren es eher, wenn andere Männer die Stimme heben, statt Frauen. Das heißt dann „Ich spreche halt laut.“ Als ob ich die übliche Lautstärke des Kollegen nicht kennen würde.
Britta Bolzern-Konrad: Ich halte es für wichtig, von Anfang an Rahmenbedingungen des Jobs genau abzusprechen. Wenn das gut geklärt ist, sind die Grenzen klar und die Vereinbarkeit von Job und Familie möglich. Da hilft nur Offenheit, dann geht man auch gut miteinander um, wenn‘s brennt.
Das Interview führte Gudrun Huneke.
Fachliche Ansprechpartnerin:
Nina Schulz
Projektleiterin VDI-WoMentorING
E-Mail: schulz_n@vdi.de