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Interview: VDI-WoMentorING

Wie Mentoring berufliches Wissen und Soft Skills vereint

Bild: Claudia Kandzia

Überall liest man von der Bedeutung lebenslangen Lernens. Dabei spielt die menschliche Seite im Job genauso eine zentrale Rolle. Oft aber fehlt der Austausch über Schwierigkeiten im Arbeitsalltag. Im Gespräch erzählen Katharina Freihart und Claudia Kandzia, wie das Programm VDI-WoMentorING hierbei hilft. 

VDI: Was hat Sie dazu motiviert, sich als Mentorin im Programm VDI-WoMentorING zu engagieren beziehungsweise sich als Mentee zu bewerben?

Claudia: In meiner Tätigkeit als technische Referentin bin ich sehr nah an den aktuellen Fragestellungen und Zielen diverser Unternehmen. Dieser Austausch ist für mich immer besonders interessant und sehr bereichernd. Leider treffe ich in diesen Runden auf nahezu keine Frau. Da ist bisher wirklich wenig passiert; das muss sich ändern. In meinem Nebenamt als Dozentin an einer Berufsakademie hatte ich im letzten Semester 39 Studierende, vier davon waren weiblich. Auch das ist einfach zu wenig. Es ist so wichtig, dass Frauen im Ingenieurberuf wahrgenommen werden. Es sollte für junge Frauen eine interessante Option sein, sich für die Ausbildung zur Ingenieurin zu entscheiden. Daher möchte ich jungen Frauen vorleben, dass alles erreicht und geschafft werden kann, wenn man nur einen Sinn in den Dingen sieht und Begeisterung entwickelt.

Katharina: Ich habe tagtäglich fast nur mit männlichen Kollegen zu tun. Ich arbeite sehr gern in meinem Job. Dennoch gibt es immer wieder Situationen, in denen ich spüre, als Frau anders zu sein. Aufgrund der fehlenden Vorbilder im eigenen Umfeld nutzte ich die Chance, mich bei WoMentorING anzumelden, um mich dort mit Ingenieurinnen in der gleichen Situation und besonders auch mit mehr Berufserfahrung austauschen zu können.

Vom „Erfahrungsschatz der anderen“ profitieren

VDI: Welche Erwartungen haben Sie mit ins Programm gebracht?

Claudia: Es ist ein sehr junges Programm. Ich war sehr neugierig, wie die Umsetzung der Austausche zwischen den Mentorinnen und Mentees tatsächlich aussieht, wie es den Organisatorinnen gelingt, die verschiedenen Erfahrungen und Werdegänge so zusammenzubringen, dass die Mitwirkenden davon profitieren können. Natürlich erweitert sich über das Mitwirken in diesem Programm schlagartig das eigene Netzwerk. So wird auch die eigene Sichtbarkeit erhöht. Man profitiert von dem Erfahrungsschatz der anderen und stärkt den Zusammenhalt.

Katharina: Neben dem Austausch mit anderen Ingenieurinnen wollte ich über den Tellerrand meines täglichen Arbeitsumfeldes hinausschauen und mich weiterentwickeln. Zudem habe ich die Frage mitgebracht, wie ich neben meiner rationalen Seite, die ich als Ingenieurin selbstverständlich und sehr gerne auslebe, auch für meine emotionale Seite eine Art und Weise finde, diese gewinnbringend in meinen Arbeitsalltag als Ingenieurin einzubringen. Da erhoffte ich mir, in WoMentorING den passenden Raum und Inspiration dafür zu bekommen.

„Die eigenen Erfahrungen neu bewerten“

VDI: Welchen Mehrwert sehen Sie persönlich in der Zusammenarbeit eines so unterschiedlichen Teams?

Claudia: Wenn man für eine Weile einer gewissen Tätigkeit nachgeht, entwickelt man zwangsläufig eine gewisse Routine in den Arbeitsabläufen. Das ist einerseits natürlich positiv. Es braucht schließlich die Erfahrungen und die Zeit, um eine gewisse Expertise zu erlangen. Andererseits nimmt es einem aber auch zu einem gewissen Grad, die Möglichkeit, flexibel auf Problemstellungen zu reagieren. Hier ist es so wertvoll, wenn man im Austausch andere Strategien und Ideen erzählt bekommt. Mentee und Mentorin sind nie aus einem Unternehmen. Hier ergeben sich also zwangsläufig unterschiedliche Herangehensweisen. Das ist super wertvoll und sehr interessant.

Katharina: Ich finde in unserem Tandem auch interessant, dass wir aus unterschiedlichen Branchen sind. Es ist spannend zu sehen, dass es Themen gibt, die unabhängig von der Branche auftreten. Diese verschiedenen Blickwinkel ermöglichen es, die eigenen Erfahrungen nochmal neu bewerten und einordnen zu können.

„Absolut ehrlich miteinander“ umgehen

VDI: Was sind Ihrer Meinung nach die Schlüsselfaktoren für eine erfolgreiche Zusammenarbeit im Tandem?

Claudia: Katharina und ich haben es sehr schnell geschafft, Vertrauen zueinander aufzubauen. Wir begegnen uns auf Augenhöhe, respektieren die Meinung der anderen und nehmen einander ernst. Tatsächlich ist es uns gelungen, keinen Termin absagen zu müssen. Weiterhin war der Workshop zum wertschätzenden Feedback sensationell. Viele dieser Punkte haben wir in unseren Austausch einfließen lassen. Es ist so wichtig, dass man eine andere Meinung durchaus auch als neue Idee oder neuen Impuls interpretieren kann.

Katharina: Vertrauen ist mir auch als allererstes eingefallen. Darüber hinaus Ehrlichkeit und Offenheit. Wir haben von Anfang an offen kommuniziert. Es war einfach klar, wir wollen gemeinsam vorankommen. Das geht nur, wenn wir einander vertrauen und absolut ehrlich miteinander sind. Dann ist es wichtig, offen für das zu sein, was das Gegenüber mir mitgibt. Und Claudia als Mentorin war stets offen für die Themen, die ich mitbrachte.

Selbstbild und Fremdbild

VDI: Wo zum Beispiel hat Ihnen der Austausch besonders geholfen?

Katharina: Wir haben eine Stärken-Schwächen-Analyse gemacht. Aufgrund unseres absolut ehrlichen und vertrauensvollen Umgangs konnte ich mich sehr offen bei Claudia zeigen, und sie mit ihrer Rückmeldung. Claudia hat mir mit ihrem Blick von außen ihre Wahrnehmung gespiegelt, wodurch ich zu meinem Selbstbild ihr Fremdbild bekommen habe. Das hat mir aufgezeigt, wo ich mich selbst anders wahrnehme als ich nach außen wirke. Dieses Wissen und Claudias Tipps, wie ich in Zukunft anders auf mein Verhalten blicken könnte, haben mir seitdem in Alltag sehr geholfen.

Andere Perspektiven zulassen

VDI: Was haben Sie dazu gelernt  fachlich wie persönlich?

Claudia: Die begleitenden Workshops in diesem Programm zu Sichtbarkeit und wertschätzender Kommunikation waren sowohl inhaltlich als auch seitens der Referentinnen sehr ansprechend. Hier konnte ich viele Informationen für mich mitnehmen, die ich gut im Alltag anwenden kann. Immer wieder haben wir in den gemeinsamen Austauschen festgestellt, wie wichtig es ist, sich gegenseitig zuzuhören, den anderen aussprechen zu lassen. Man sollte sich aber auch immer trauen, seine Fragen zu stellen. Es ist so spannend, wie sich eine Lösung für eine Fragestellung finden lässt, wenn man nur den Blickwinkel verändert oder eine andere Perspektive zulässt.

Katharina: Besonders fand ich durch den Austausch mit Claudia das Gefühl, mein zehn Jahre älteres Ich vor mir stehen zu sehen. Dadurch sehe ich, dass meine Vision, die ich vom Leben habe, bereits in der Realität existiert, was mir Motivation schenkt. Darüber hinaus fand ich auch den Austausch mit den anderen Mentees und Mentorinnen besonders wertvoll. Es war schön zu sehen, wie unterschiedlich wir sind und uns damit ehrlich aufeinander eingelassen haben, einander zugehört haben und dass daraus Respekt für die Sichtweisen und individuellen Stärken jeder einzelnen entstanden ist. Darüber hinaus war der Besuch auf der FEMWORX für mich ein Motivations-Booster, aus dem ich viel Inspiration mitnehmen konnte, etwa mutig zu sein und sich für seine Ideen und Ziele einzusetzen.

„Raum für gegenseitiges Feedback abseits des Jobs“

VDI: Braucht es mehr solcher Projekte oder wünschen Sie sich zukünftig andere Formen der Unterstützung?

Katharina: Unbedingt braucht es mehr solcher Projekte. Sie bieten Gelegenheiten, Vorbilder kennenzulernen, die im nahen Umfeld fehlen. Außerdem bieten sie die Möglichkeit, ein Netzwerk aufzubauen, in dem Verständnis und Unterstützung erfahren werden können. So ist Raum für gegenseitiges Feedback abseits des Jobs. Das ist so wertvoll. Es kann helfen, sich nicht allein zu fühlen, und es stärkt damit die Selbstwirksamkeit. Ich finde das für Berufsanfänger wichtig, um den Einstieg zu erleichtern, genauso aber auch für Schülerinnen und Schüler als Hilfestellung bei der Berufswahl, und für all jene, die sich weiterentwickeln wollen – man lernt ja nie aus.

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VDI: Welche Hoffnungen und Erwartungen haben Sie an die Zukunft des VDI-WoMentorING Programms und wie könnte es sich weiterentwickeln?

Claudia: Ich hoffe, dass das Programm weiter an Sichtbarkeit gewinnt und noch mehr Zulauf bekommt. Dafür braucht es natürlich die entsprechende Unterstützung. Interessant könnte es auch sein, dieses Programm in Unternehmen oder an Universitäten vorzustellen, um noch mehr Reichweite zu erlangen und die angehenden Ingenieurinnen frühzeitig darüber zu informieren, dass sie unterstützt werden. Vielleicht würde das die ein oder andere Kandidatin, die sich vor der Männerdomäne scheut, überzeugen, diesen interessanten Weg zu gehen.

Zu den Personen

Katharina Freihart ist 31 Jahre alt und Fachkoordinatorin für Netzberechnung. Sie hat Energietechnik an der FAU Erlangen-Nürnberg studiert (Bachelor/Master).

Claudia Kandzia arbeitet als technische Referentin im Fachverband für Gebäude-Klima e.V. und ist als Dozentin im Nebenamt an der Berufsakademie in Riesa tätig. Sie hat an der TU in Berlin Gebäudetechnik studiert und 2012 an der RWTH in Aachen promoviert.

Interview/Redaktion: Gudrun Huneke, Frank Magdans

Fachliche Ansprechpartnerin im VDI:
Nina Schulz
Projektleiterin VDI-WoMentorING
E-Mail: schulz_n@vdi.de

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