Was sagen die Parteien zum Thema Mobilität der Zukunft?
Im Vorfeld der Bundestagswahl hat der VDI den Parteien Fragen zu vier technologieintensiven Zukunftsfeldern gestellt, auf die sich der VDI auch in seiner Zukunftsagenda fokussiert. Was sagen die Parteien auf unsere Fragen zum Thema Mobilität der Zukunft?
Die Antworten der Parteien zu den weiteren Zukunftsfeldern Digitale Transformation, Energie und Klimaschutz sowie Ressourceneffizienz und Circular Economy veröffentlichen wir in weiteren Artikel. Die Antworten sind außerdem als PDF abrufbar.
Das sagt der VDI in seiner Zukunftsagenda zum Thema Mobilität der Zukunft:
Der ÖPNV, seine Förderung und die Nutzung durch die Fahrgäste ist ein wichtiger Schlüssel zu einer zukünftigen Mobilität. Ihn gilt es, bedarfs- und nutzergerecht zu gestalten und auszubauen, damit er zur Nutzung einlädt. Hierbei könnten in dünner besiedelten Gebieten oder in Tagesrandzeiten auch Ridesharing-Angebote und selbstfahrende Shuttles zum Einsatz kommen. Bezahlbarkeit für alle Einkommens- und Bevölkerungsschichten spielt ebenso eine wichtige Rolle wie eine bedarfsgerechte Verfügbarkeit des ÖPNV. Dafür sind innovative und digitale Angebote notwendig. Die nachhaltige Gestaltung zukünftiger Mobilität ist ein entscheidender Baustein für mehr Klimaschutz.
Um die Klimaziele zu erreichen, müssen auch die CO2-Emissionen im Verkehrssektor deutlich reduziert werden. Das wird nur gelingen, wenn Politik und Wirtschaft hinsichtlich der Fahrzeugantriebe einen technologieoffenen Ansatz verfolgen. Je nach Einsatz, Fahrzeugtyp und Fahrprofil unterscheiden sich die Anforderungen signifikant und damit auch die Eignung verschiedener Technologien.
Frage 1: Das autonome Fahren bietet die Chance, die individuelle Mobilität aller Bevölkerungsgruppen zu verbessern. Wie wollen Sie diese Potenziale und Herausforderungen im Hinblick auf den ÖPNV und neue Mobilitätskonzepte besser vermitteln und für eine breite gesellschaftliche Akzeptanz werben?
CDU und CSU wollen die Zukunftsfähigkeit des Mobilitätsstandorts Deutschland stärken, Produktentwicklungen beschleunigen und für nachhaltige und innovative Mobilität – wie das autonome Fahren – begeistern. Wir wollen die nachhaltige Gestaltung der Mobilität befördern und Entwicklungen über die Einrichtung von Reallaboren der Zukunftsmobilität anstoßen. So kann in Stadtteilen und Landkreisen erprobt und erlebt werden, wie die Mobilität der Zukunft aussieht und welche Angebote wir zukünftig deutschlandweit ausrollen können.
Laut einer PwC-Studie aus dem Juni 2020 ("Autonome Busse im ÖPNV") gab es zum Stand der Veröffentlichung bundesweit über 40 öffentliche und private Projekte mit autonom fahrenden Bussen. Sie reichen vom First-Mover-Projekt der Deutschen Bahn in Bad Birnbach, Ride4all in Soest, EMMA in Mainz, HEAT in Hamburg bis zum Hambach Shuttle, um nur einige wenige zu nennen. An den Flughäfen in Frankfurt, München und auch Niederrhein in Weeze fahren solche Fahrzeuge. Am Düsseldorfer Airport ist mit dem Skytrain eine autonome Schwebebahn zwischen Flughafenbahnhof und den Terminals im Pendelverkehr unterwegs. In Nürnberg fahren seit Jahren mit U2 und U3 zwei der drei U-Linien autonom. Es scheint also nicht mehr um Interesse oder Akzeptanz zu gehen, sondern wir sind zum Teil über die Pilotphasen durchaus hinaus.
Interessant sind als ein nächster Schritt im ÖPNV On-demand-Verkehre, die in ausgedünnten urbanen Randzonen oder im ländlichen Raum für Konnektivität sorgen. Die verabschiedete Regulierung im Straßenverkehrsgesetz schafft dafür das rechtliche Fundament. Die Potenziale sind perspektivisch immens. Autonome Fahrzeuge bieten die Chance, dem ÖPNV einen beispielhaften Schub zu geben, sind doch die On-demand-Verkehre auch tür-zu-tür-fähig und generieren damit eine ganz neue – aber auch in Konkurrenz zum Auto – notwendige Qualität.
Autonomes Fahren bietet die Chance, Betriebskosten im ÖPNV deutlich zu verringern. In der Folge erhalten mehr Menschen, auch durch flexiblere Routen, ein Anschluss-Angebot. Das ÖV-System insgesamt würde größer und dichter – gerade auch in ländlichen Räumen. Wo Linienverkehr und On-Demand-Dienste verknüpft sind, werden Attraktivität und Nachfrage steigen. Wir GRÜNE wollen deswegen technologische Entwicklungen beim autonomen Fahren im ÖPNV und eine breite Erprobung auf den Weg bringen. Durch gute praktische Beispiele wird es gelingen, mögliche Sicherheitsbedenken bei Fahrgästen abzubauen. Wir wollen, dass Städte mehr Handlungsspielraum für eine neue Aufteilung der Verkehrsflächen bekommen (und etwa zur Beschleunigung autonom fahrender Shuttles leicht eigene Fahrspuren einrichten können) und Aufgabenträger finanziell in der Lage sind, in Digitalisierung zu investieren. Dazu wollen wir GRÜNE zusammen mit Ländern und Kommunen die Finanzierungsinstrumente des ÖPNV erweitern.
Wir Freie Demokraten glauben, dass die Zukunft der Mobilität zunehmend digital und autonom sein wird. Autonom fahrende Fahrzeuge, die über das Smartphone gebucht werden können oder Mobilitätsplattformen, die Kundinnen und Kunden über alle Verkehrsträger hinweg die kürzeste Tür zu Tür Verbindung mit den besten Tarifen heraussuchen, können schon in einigen Jahren Realität werden. Dafür müssen Zulassungs- und Testverfahren für neue Ideen vereinfacht werden und es bedarf einer langfristig angelegten Strategie für das Autonome Fahren, die nicht nur die Entwicklung der eigentlichen Technologie, sondern auch die Vernetzung aller Verkehrsteilnehmer sowie rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen miteinschließt. Besonders der ländliche Raum hat so Chancen auf eine schnellere und kostengünstigere Versorgung und auch für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten. Die beste Art, die Akzeptanz zu stärken, besteht darin, dass die Bürgerinnen und Bürger die neuen Mobilitätskonzepte nutzen können und zunehmend eigene Erfahrungen damit sammeln.
Wir wollen Mobilität für Alle gewährleisten, unabhängig vom Einkommen und dem Besitz eines Autos. Das öffentliche Mobilitätsangebot wollen wir deswegen bis 2030 verdoppeln und für den ländlichen Raum eine Mobilitätsgarantie mit einer Anbindung zur nächsten Stadt mindestens im Stundentakt von 6 bis 22 Uhr einführen. Dabei kommen flexible Angebote wie Bürgerbusse oder öffentliche Anruf-Sammeltaxis und der neue öffentliche Linienbedarfsverkehr, der von subventionierten Taxen übernommen werden kann, zum Zuge, ergänzt durch Mobilitätsstationen mit geteilten Verkehrsmitteln. Das automatisierte Fahren sehen wir allenfalls als Nischenprodukt öffentlicher Robo-Taxen in abgegrenzten Bereichen. Die Technik ist unausgereift, viele rechtliche Fragen ungeklärt, die Kosten für Entwicklung und Infrastruktur enorm – auch im Vergleich zu den Kosten der Ausweitung des öffentlichen Angebotes, die wir über die Kürzungen beim Straßenbau und die Streichung von Subventionen für Pkw finanzieren wollen.
Frage 2: Mobilität spielt eine wichtige Rolle zur Erreichung der Klimaziele. Wie schätzen Sie das Potenzial elektrischer Antriebe mit Batterie, von Brennstoffzellen und von Verbrennungskraftmaschinen mit klimaneutralen Kraftstoffen in den unterschiedlichen Einsatzgebieten (Straße, Schiene, Luft, Wasser) ein?
Beim Umstieg auf die emissionsfreie Mobilität setzen CDU und CSU auf die Elektromobilität sowie auf synthetische Kraftstoffe im Straßenverkehr und wollen sie – wie auch Wasserstoff – perspektivisch auch im Schwerlastverkehr einsetzen. Nutzfahrzeuge und schwere LKW könnten andere Antriebstechnologien erfordern. Hier müssen wir technologieoffen bleiben. CDU und CSU wollen Deutschlands Position mit Forschung zur Serienfertigung von Elektrolyseuren, Brennstoffzellen und durch die Einrichtung von Wasserstoff-Technologie- und Innovationszentren ausbauen. Uns ist auch wichtig, dafür zu sorgen, dass am Standort Deutschland synthetische Kraftstoffe entwickelt und produziert werden. In der Binnenschifffahrt übernehmen wir mit einer stärkeren Förderung von alternativen Kraftstoffen wie E-Fuels und Wasserstoff die Technologieführerschaft. Wir werden die Nutzung von Ammoniak oder Methanol zur Marktreife bringen und in der Schifffahrt anwenden. Zudem werden wir die LNG-Technik ausbauen und ein Importterminal für verflüssigte Gase realisieren.
Die Arbeitsgruppen der Nationalen Plattform der Zukunft der Mobilität haben 10 Millionen batterieelektrische Fahrzeuge (BEV) mit einer Reduktion von rund 10 Millionen Tonnen CO2 per anno berechnet. Zum jetzigen Zeitpunkt gehen wir eher davon aus, dass wir 2030 sogar mindestens 15 Millionen BEVs im Gesamtbestand haben werden. Die Zahlen erscheinen angesichts der BEV-Verkaufszuwachsraten realistisch. Die Automobilhersteller haben sich von VW über Daimler bis zu BMW auf Batterie-Fahrzeuge festgelegt. Andere Alternativen werden von den deutschen Herstellern aktuell nicht mehr verfolgt.
Chancen bieten alternative Treibstoffe, sogenannte Synfuels, für die Bestandsflotte und damit für den Übergang. In 2030 werden von den aktuell 48,5 Mio. zugelassenen Pkw in Deutschland rund 30 Mio. noch Verbrenner-Motoren sein, insofern muss es für diese Flotte eine CO2-mindernde Erfüllungsoption geben. Das können nur synthetische Kraftstoffe – so genannte SynFuels – sein, seien es biogen- oder auch strombasierte Treibstoffe. Hier werden wir die verfügbaren und bezahlbaren Optionen in den Blick nehmen müssen, weil sonst eine Dekarbonisierung des Verkehrs in dem Zielrahmen 2030 kaum realisiert werden kann.
Die Brennstoffzelle ist für den Schwerverkehr eine große Perspektive, weil H2 leichter in der Fläche verteilbar ist als Strom direkt. Überdies sind Reichweiten eher gesichert. In Deutschland fahren auf mehreren Strecken bereits Regionalzüge mit Brennstoffzellen. Das wird sich ausweiten, weil die Fuelcell eine indirekte Elektrifizierung von Bahnstrecken möglich macht, ohne aufwändig einen Fahrdraht zu installieren. Gleichwohl ist der Technologiewettbewerb im Straßengüterverkehr noch offen, einige der Hersteller setzen sogar beim Schwerlastverkehr auf Batterieantriebe.
Im Luftverkehr werden wir in den kommenden 10 Jahren Maschinen sehen, die direkt mit Wasserstoff fliegen – zum Beispiel Airbus arbeitet an solchen Varianten. Die Bestandsflotte wird zunehmend mit SAF (Sustainable Aviation Fuel) fliegen. Interkontinental-Flüge sind ohne SAF klimafreundlich oder gar absehbar klimaneutral nicht denkbar. Allerdings müssen wir darauf achten, dass dieser erheblich teurere Treibstoff nicht die europäischen Fluggesellschaften im Wettbewerb deutlich benachteiligt, weil zum Beispiel über London oder Istanbul andere Airlines Interkontinental-Flüge mit rein fossilem Kerosin zu erheblich günstigeren Preisen anbieten können. Dagegen brauchen wir einen Carbon Leakage – Schutz für fairen weltweiten Wettbewerb im Flugverkehr. Im Kontext von Urban- und auch Regional Air Mobility wird zunehmend auf batterieelektrische Varianten gesetzt. Ein vollständig CO2-neutrales Fliegen ist technologisch möglich und wird nach 2035 auch Realität sein.
Alle nachhaltigen Technologien werden benötigt, um die Klimaziele im Verkehr zu erreichen. Mit Blick auf Entwicklungsstand, Energiebedarf und Kosten müssen sie aber jeweils dort eingesetzt werden, wo sie besonders sinnvoll sind. Beim Auto ist die E-Mobilität der effizienteste, sauberste und aussichtsreichste Antrieb. Die knappen synthetischen Kraftstoffe werden hier nicht benötigt, zumal sie die Alltagsmobilität deutlich verteuern würden. Beim Lkw kommen neben elektrischen Antrieben zudem wasserstoffbasierte Antriebe auf den längeren Strecken infrage. Für den Luftverkehr wiederum, der auch langfristig auf Flüssigkraftstoffe angewiesen sein wird, müssen wir synthetische Kraftstoffe reservieren. Das gilt grundsätzlich auch für den Schiffsverkehr. Im Bahnverkehr setzen wir Grüne vor allem auf die Elektrifizierung mit Fahrdraht. Für kürzere Strecken ohne Fahrdraht eignen sich Batteriezüge, für längere Strecken Brennstoffzellenzüge.
Für uns ist der Emissionshandel das zentrale Instrument zum Erreichen der Klimaschutzziele. Schrittweise wollen wir ihn auf alle Sektoren ausweiten und für weltweite Wettbewerbsgleichheit auch nach Möglichkeit global ausrichten. Unter dem Dach des Emissionshandels muss Technologieoffenheit möglich sein. Weitere Lenkungsmaßnahmen, wie eine nationale CO2 Steuer, sind nicht nötig. Statt staatlicher Preissetzung setzen wir auf wettbewerbliche Effekte, um kostengünstig und effizient CO2 einzusparen. Jede Technologie wird benötigt und wird auf diese Weise ihren effizienten Einsatzort finden.
Für uns steht es außer Frage, dass Pkw in Zukunft batterieelektrisch betrieben werden. Wir setzen uns für ein Verbot der Zulassung neuer Pkw mit Verbrennerantrieb ab 2030 ein. Die Brennstoffzelle mit einem zwei- bis vierfach höheren Energieverbrauch und synthetische Kraftstoffe mit Faktor fünf bis sechs sind im Vergleich viel zu ineffizient – und dementsprechend auch deutlich teurer. Erneuerbar erzeugter Strom ist ein sehr knappes Gut – und wird es auch bleiben, deswegen dürfen Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe nur da eingesetzt werden, wo es keine Alternativen gibt, wie insbesondere im Luftverkehr und in der Schifffahrt. Wasserstoff als Energiequelle wird vor allem in der Industrie benötigt. Die Bahn wollen wir vollständig elektrifizieren. Oberleitungen für Lkw an Autobahnen lehnen wir als zu teure falsche Weichenstellung ab.
Ansprechpartner:
Christian Krause
VDI-Büro Berlin
E-Mail-Adresse: krause_C@vdi.de