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Künstliche Intelligenz

Studie zu KI im Ingenieurberuf: Herausforderung und Chance

Bild: Westend61 via Getty Images

Künstliche Intelligenz ist in aller Munde – doch welche Auswirkungen haben Large Language Modelle wie Chat GPT konkret auf den Arbeitsalltag von Ingenieurinnen und Ingenieuren? Alexander Fay und Christine Maul haben in einer GMA-Studie die "gKI und seinen Auswirkungen auf die Arbeit von Ingenieurinnen und Ingenieuren" beleuchtet. Welche Chancen und Risiken birgt generative KI und wie wird sie unseren Arbeitswelt verändern? Im Interview sprechen sie über Effizienzpotenziale, Wettbewerbsvorteile und die Rolle Deutschlands als Technologiestandort.

VDI: Die Entwicklung von KI hat enorm an Tempo zugelegt. Was heißt das für unsere Arbeitswelt und warum ist dies Thema gerade jetzt so wichtig, insbesondere im Ingenieurwesen?

Maul/ Fay: Die Entwicklung der Large Language Modelle der Künstlichen Intelligenz (LLM KI) gibt es ja schon eine Weile, alle haben schon von ChatGPT gehört. Die Beschleunigung ihrer Weiterentwicklung in den letzten Monaten und Jahren hat uns aber alle überrascht. Auch durch den Wettbewerb zwischen inzwischen zahlreichen Anbietern von kommerziell einsatzfähigen LLM ist nun ein regelrechter Hype entstanden, den wir mit unserer Studie einordnen möchten. Konkret möchten wir den Mitgliedern des VDI eine Hilfestellung geben, damit sie verstehen, was zu erwarten ist und wie sie am besten damit umgehen.

VDI: Welche Chancen sehen Sie bei der Anwendung von generativer KI in der Industrie und speziell in technischen Berufen?

Maul/ Fay: In der täglichen Arbeit der Ingenieure gibt es Tätigkeiten, die sich durch Nutzen eines LLMs sehr viel schneller bearbeiten lassen als mit bisherigen Hilfsmitteln und den eigenen persönlichen Fähigkeiten. Die durch LLMs erstellten Ergebnisse sind als Entwürfe zu betrachten und müssen dann aber noch von uns geprüft werden, um sicher zu gehen, dass keine Halluzinationen vorliegen. Bei konsequenter Nutzung einer LLM KI für Teile unserer täglichen Arbeit werden wir in technischen Berufen potenziell sehr viel schneller im Abarbeiten von wohldefinierten Aufgaben. Damit haben wir mehr Zeit – für andere Themen, für weitere Projekte, u.a.m.

VDI: Und welche Risiken sehen Sie und wir können wir diese Herausforderungen meistern?

Maul/ Fay: Im Gegenzug ist es aber auch so, dass andere Ingenieure – z.B. unsere Konkurrenz – dieselben Möglichkeiten haben und damit auch schneller und effizienter werden. Wenn wir also nicht mitziehen, sind wir nicht mehr wettbewerbsfähig. Ich vergleiche das Ganze gerne mit der Einführung des PCs: alle nutzen ihn heute und der dadurch erreichte Effizienzgewinn war schon groß. Die persönlichen Fähigkeiten des einzelnen werden weniger relevant, wenn jeder auf Basis derselben LLM gleiche oder ähnliche Ergebnisse generieren kann.

Was auch noch zu berücksichtigen ist: wer öffentliche Versionen von LLMs nutzt, tritt automatisch die Verfasserrechte der Fragen und Inhalte, die eingegeben und ausgegeben werden, an die Firma ab, die dieses LLM entwickelt hat. Es ist also zu empfehlen, vor Nutzung einer LLM das Kleingedruckte zu lesen.

VDI: In Ihrer Studie haben Sie sich mit gKI und den Auswirkungen auf die Arbeit von Ingenieurinnen und Ingenieuren befasst. Können Sie uns einen kurzen Überblick über die wichtigsten Ergebnisse geben?

Maul/ Fay: Nun, die Studie ist noch in Arbeit, aber was sich bereits herausstellt, ist, dass Applikationen wie ChatGPT wirklich alle technischen Bereiche betreffen: Ideengenerierung, Planung, Realisierung, Prüfung, Dokumentation. Alle Bereiche erwarten, dass Arbeitsabläufe sich ändern und wir von ursprünglichen Bearbeitern, die etwas von Grund auf neu aufsetzen, zu Überarbeitern werden, die etwas Bestehendes prüfen und verbessern. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Arbeiten, bei denen eine schnell erreichte, weitgehend richtige Lösung ausreicht (wofür sich LLM gut eignen) und solchen, bei denen es auf 100% Richtigkeit ankommt.

VDI: Welche Veränderungen bringt das kurz- und mittelfristig mit sich? Gibt es konkrete Beispiele?

Maul/ Fay: LLM sind besonders erfolgreich beim Erstellen von Texten und beim Umwandeln von gesprochenem in geschriebenem Text und umgekehrt. Programmierarbeiten können von ChatGPT erledigt werden, Software-Tests können automatisch generiert werden,

Folienentwürfe für Vorträge können mit Angabe einiger Stichworte entstehen, Schaltpläne können automatisch ausgewertet werden, Berichte können automatisch erstellt werden u.v.m.

VDI: Und vielleicht noch einen Ausblick und warum diese Erkenntnisse und Entwicklungen auch wichtig sind für die Zukunft des Technologiestandorts Deutschland, denn das ist ja das Motto des diesjährigen DIT.

Maul/ Fay: Nun, der Technologiestandort Deutschland kann sich dieser neuen Technologie nicht verweigern – sonst sind wir kein Technologiestandort mehr. Ich verstehe, dass neue Methoden und Ansätze nicht ungeprüft übernommen werden sollten, aber gerade die Prüfung von neuen Methoden und Ansätzen ist ja etwas, das wir Ingenieure gelernt haben and das sollten wir hier unvoreingenommen tun. Generell besteht bei uns in Deutschland im internationalen Vergleich häufig der Vorwurf, dass wir zu teuer sind. Durch die Anwendung dieser neuen Technologie wirken wir dem entgegen und sind unser Geld wert!

Interview:
Gudrun Huneke

Fachlicher Ansprechpartner:
Sascha Dessel M.Sc.
VDI/VDE-Gesellschaft Mess- und Automatisierungstechnik
E-Mail: dessel@vdi.de

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