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CO2-neutrale Zukunft

So sieht das "New Normal" in der Luftfahrt aus

Bild: muratart/Shutterstock.com

Luftfahrtingenieur*innen arbeiten an einer CO2-neutralen Zukunft des Fliegens. Erstaunliche Modelle, aber auch Herausforderungen gab es auf dem 15. Tag der Deutschen Luft- und Raumfahrtregionen in Aachen zu sehen.

Der weltweite Flugverkehr hat mit knapp 3% nur einen vergleichsweise kleinen Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß. Dennoch beeinflusst er die Umwelt klar negativ. Energieeffizientere Flugzeuge werden bereits eingesetzt, doch die Luftfahrt muss langfristig CO2-neutral werden. Darüber und über die Auswirkungen der Corona-Pandemie wurde auf dem Branchentreff in Aachen diskutiert.

Luftfahrt: Regionalflugstrecken schneller gebaut als neue Bahngleise

CO2-Neutralität, E-Antrieb, Wasserstoff: Umweltverträgliches Fliegen ist ein  erklärtes Ziel der aktuellen Regierung. Thomas Jarzombek (CDU) sieht hingegen auf dem Branchentreff im Ausbau von Regionalflugstrecken mehr Potenzial als im Bahnverkehr. Für den Koordinator der Bundesregierung für die Deutsche Luft- und Raumfahrt sei das Fliegen noch lange nicht abgeschrieben. „Es ist klar, dass das Fliegen einen Beitrag zum Klimaschutz leisten muss. Fliegen muss klimaneutral werden, wie alle anderen Industrien auch. Dafür investieren wir im Rahmen unseres Luftfahrtforschungsprogramm 200 Millionen Euro in die Entwicklung alternativer Antriebe", sagte er. Ein hybrid-elektrisches Flugzeug, das mit Wasserstoff und Batterie fliegt, sei das Ziel. Das solle "den Weg für eine neue Mobilität ebnen, indem wir inländische und innereuropäische Flüge mit Regionalflugzeugen ersetzen können, die CO2-frei sind. "Damit sind wir sehr viel schneller als mit dem Ausbau neuer Zugstrecken. Für die letzte ICE-Strecke haben wir in Deutschland 26 Jahre gebraucht."

Weitere Möglichkeiten kristallisieren sich aktuell heraus, die das Fliegen der Zukunft definieren könnten.

Fliegen mit Elektroantrieb

Vor allem auf der Kurzstrecke kann das Fliegen mit Elektroantrieb die Lösung sein. Bei Airbus heißt es, dass 2030 mit E-Flugzeugen auf der Kurzstrecke zu rechnen sei. Zu den Vorteilen zählen einfache Wartung, geringerer Energieverbrauch gegenüber Verbrennern und ein günstiger Betrieb. Wäre da nicht die Batterieentwicklung. Oftmals ist der Akku noch viel zu schwer und verbraucht zu viel. An City-Fliegern mit Elektroantrieb wird weiter geforscht. Ende Juli 2021 verlief ein letzter Testflug von Airbus erfolgreich. Das Flugtaxi "NextGen" soll in Großstädten für eine emissionsfreie Mobilität sorgen.

"Power-to-Liquid"-Verfahren

Kann die Luftfahrtbranche so lange warten? Im sogenannten "Power-to-Liquid"-Verfahren kann ein sehr kurzfristig umsetzbarer Weg liegen. Aus grünem Strom, Wasser und CO2 wird synthetischer Kraftstoff hergestellt. Dazu wird CO2 aus der Atmosphäre gezogen und mit Wasserstoff zu einem synthetischen Rohöl verbunden. Das wiederum wird zu Kerosin raffiniert. Flugzeuge müssten nicht extra umgebaut werden, um mit dem synthetischen Kraftstoff zu fliegen.

Airbus-Flugzeug mit Wasserstoff-Betankung

2030 soll das erste Airbus-Flugzeug mit Wasserstoff-Betankung abheben. Bei der Verbrennung von Wasserstoff entstehen jedoch Stickoxide und Wasserdampf. Welche Klimawirkungen sich daraus ergeben untersuchen Ingenieur*innen unter Hochdruck. Um lediglich Wasserdampf auszustoßen, kann eine Brennstoffzelle mit integriert werden.

Wie teuer wird das Fliegen in Zukunft?

Für kleines Geld nach Mailand zum Shoppen? Muss nicht zwingend sein – ist aber durchaus reizvoll. Angesichts neuer Antriebe und den Entwicklungen zur Klimaneutralität, stellt sich die Kostenfrage. Wird Fliegen teurer? DLR hat klare Forderung an künftige Bundesregierung. Markus Fischer, Programmdirektor Luftfahrt beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) macht klar: "Es wird nicht die eine Antriebsart geben. Je nach Flugzeugklasse sind unterschiedliche Technologien sinnvoll." Fischer sieht ebenfalls Vorteile bei Batterien in Kleinflugzeugen. Regionalflugzeuge könnten mit einem hybriden Antriebssystem fliegen. "In diesem Bereich spielt das hohe Gewicht der Batterien noch keine so große Rolle wie im Mittel- oder Langstreckenverkehr", so Fischer. Seine deutliche Forderung an die Bundesregierung: "Unsere Botschaft beim DLR ist: Wir können klimaneutrales Fliegen am schnellsten erreichen, wenn wir Technologien fördern und Modelle für die gesamte Luftfahrtbranche entwickeln, mit denen sie umgehen kann." 

Luftfahrtbranche ist unter Druck – nicht nur durch Corona

Die Corona-Pandemie hat die Luftfahrtbranche stark getroffen. Zeitweise hob kein Flieger mehr vom Boden ab. Stillstand an den Flughäfen dieser Welt. Doch der Klimawandel setzt die Branche in erster Linie unter Druck. Wie gehen Airlines und Ingenieur*innen mit diesem Wandel um? Bei der Konferenz des Bundesverbandes der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI e.V.) in Kooperation mit dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Land NRW diskutierten Vertreter*innen aus Wirtschaft, Politik und Forschung, wie das Fliegen von morgen aussehen kann. Nachhaltige Kraftstoffe, die als Kerosinersatz dienen, könnten heute schon bis zu 50% beigemischt werden und den CO2-Beitrag der Luftfahrt sehr deutlich reduzieren, erklärte der DLR-Experte Markus Fischer auf der Tagung. NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) betonte: "Klimaneutrales Fliegen muss so schnell wie möglich kommen. Für die schon vorhandenen Maschinen braucht es eine Übergangslösung, zum Beispiel mit synthetischen Kraftstoffen. Aber die Maschinen, die morgen gebaut werden, müssen von vornherein in der Lage sein, klimaneutral zu fliegen."

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Propellerflugzeuge reloaded

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Große Aufbruchstimmung in der Luftfahrt

Pinkwart sehe eine große Aufbruchsstimmung in der Luftfahrtbranche. "Man will schneller energieeffizienter sein und schneller auf klimaneutrale Kraftstoffe umsteigen. Es gibt den Wunsch, die Luftfahrt zu revolutionieren", sagte er. Der erfolgreiche Einstieg in neue Technologien wird entscheidend sein.

Autor*innen: Peter Sieben und Sarah Janczura

Fachlicher Ansprechpartner im VDI:
Dipl.-Ing. Simon Jäckel
VDI-Fachbereich Luft- und Raumfahrttechnik
E-Mail-Adresse: jaeckel@vdi.de 

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