Dürresommer: Ist Landwirtschaft ohne Bewässerung noch möglich?
Der trockene, heiße Sommer 2022 ist in ganz Europa zu spüren. Auch in Deutschland führen Flüsse und Bäche wenig Wasser, Böden trocknen aus, es drohen Ernteverluste. Solche Sommer könnten in Zukunft häufiger auftreten. Ist Bewässerung die Lösung? Dr. Katrin Drastig vom Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie e.V. (ATB) erklärt im Interview, was bei der Bewässerung zu beachten ist und wie sich die Landwirtschaft sonst noch auf trockene Sommer einstellen kann.
Für welche Nutzpflanzen ist Trockenheit besonders problematisch?
Drastig: Im Hinblick auf das Betriebsergebnis ist Trockenheit für Kartoffeln, Zuckerrüben und Braugerste besonders problematisch. Auch wasserhaltige Produkte wie Obst und Gemüse sowie Blumen und Zierpflanzen reagieren bei Trockenheit sehr empfindlich mit Qualitätsverlusten. Getreide kann normalerweise zeitweiligen Trockenstress in einzelnen Entwicklungsphasen gut kompensieren. Aber wenn der Niederschlag wie in diesem Sommer zu lange ausbleibt, lohnt sich in einigen Regionen Deutschlands sogar die Beregnung von Winterweizen.
Welche Bewässerungssysteme werden in Deutschland eingesetzt?
Drastig: In Deutschland sind mobile Beregnungsmaschinen, die sogenannten „Wasserkanonen“, am weitesten verbreitet. Sie sind bei noch vertretbaren Kosten flexibel einsetzbar1). Allerdings machen die notwendigen hohen Wasserdrücke von 7-9 bar das Verfahren energieintensiv. Pro mm Beregnungswasser bei 50 m³/h Wasserförderung muss 1 l Dieselkraftstoff eingesetzt werden.
In Ostdeutschland mit seinen großen Feldeinheiten sind zunehmend die, durch hohen Grad der Automatisierung, kostengünstigen Kreisberegnungsmaschinen im Einsatz. Diese teilmobile Beregnungstechnik braucht im Vergleich zu den zuvor genannten Starkregnern weniger Energie. Durch geringere erforderliche Drücke ist, laut Jahrbuch Agrartechnik, eine Energieeinsparung im Vergleich zu Wasserkanonen von rund 50 bis 60 % möglich2).
Im Gartenbau wird aktuell meist die oberirdische, wassersparende Tropfbewässerung eingesetzt. Sie arbeitet bei niedrigen Drücken von <2 bar und hat einen relativ geringen Energiebedarf. Die engen Tropfer erfordern aber eine sehr gute Wasserqualität. Die Anschaffung ist zwar teuer und der Betrieb mit hohem Arbeitszeitbedarf verbunden, aber Tropfbewässerung hat die beste Wassereffizienz.
Aktuell ist eine Transformation der Bewässerung in Deutschland hin zur Digitalisierung und Automatisierung von Bewässerungssystemen, zu Präzisionsbewässerung bzw. teilflächenspezifischer Bewässerung zu verzeichnen3). Zunehmend kommen auch, teilweise mit Sensorik ausgestattet, Bewässerungssteuerungssysteme zum Einsatz, die es möglich macht, die effektiven Wassergaben zu ermitteln.
Je nach Wahl der Bewässerungstechnik und -steuerung sollten Anwender in Abhängigkeit von den Standortinformationen dabei die jeweils optimale Wassergabe bestimmen und eine sparsame Verwendung der wertvollen und knappen Wasserressource erreichen.
Wo kommt das Wasser zur Bewässerung her?
Drastig: 74% des Bewässerungswassers in Deutschland stammen aus dem Grundwasser, etwa 13% aus Oberflächengewässern, also Speichern, Seen und Fließgewässern. Weitere etwa 12 % stammen aus öffentlichen oder privaten Versorgungsnetzen, also Trinkwassernetzen. Spitzenreiter ist hier das Bundesland Rheinland-Pfalz, das 72% des Wassers aus dem Trinkwassernetz nimmt4).
Zunehmend kommt es zu Nutzungskonflikten zwischen den Wasserversorgern und der Landwirtschaft, die die Felder bewässern muss, um Ertrag zu erwirtschaften. Aktuell ist beispielsweise in Sachsen-Anhalt die Entnahme von Oberflächenwasser verboten. Auch das Ministerium für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt in Mecklenburg-Vorpommern hat eine Einschränkung der Wasserentnahme aus Grund- und Oberflächenwasser angekündigt.
Ist Landwirtschaft mit Bewässerung noch wirtschaftlich?
Drastig: Mit zunehmendem Auftreten und stärkerer Ausprägung von Trockenjahren steigt die Beregnungswürdigkeit sowohl bereits beregneter Standorte als auch solcher, die bislang mit der Niederschlagsmenge zurechtkamen. Ob eine Bewässerung wirtschaftlich ist, hängt auch ab von der Entwicklung der Kosten für Wassermanagementsysteme sowie der Entwicklung der landwirtschaftlichen Produktpreise. Ein steigendes Produktpreisniveau könnte eine Bewässerung für einige Fruchtarten und Standorte rentabel machen, während fallende Preise zum Verlust der Rentabilität auf Grenzstandorten führen. Für Winterroggen und Silomais ist die Beregnung weder aktuell noch bei einem Preisanstieg von bis zu 20% rentabel, während Beregnung für Kartoffeln sogar bei einer Preisminderung von bis zu 20% auf 97% der Flächen rentabel bleibt5).
Angesichts der aktuell hohen Dieselpreise wandelt sich zudem das Bewusstsein hin zu mehr Energieeffizienz und zum Energiesparen in der Landwirtschaft. Alternative Energieträger wie Solartechnik, Windenergie etc. könnten einen bedeutenden Beitrag leisten, um hier die Unabhängigkeit von fossiler Energie für den Betrieb von Pumpen in der Bewässerung zu erhöhen.
Was können Landwirt*innen tun, um sich auf die neue Trockenheit einzustellen?
Drastig: Das Thema der wassersparenden Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Flächen wird in Zukunft für Landwirt*innen weiter an Bedeutung gewinnen. Mit jedem aufgewendeten Liter Wasser muss künftig eine größere Menge landwirtschaftlicher Produkte erzeugt werden – damit wird die Wasserproduktivität erhöht. Die Wasserproduktivität beschreibt das Verhältnis von Output (z.B. kg Kartoffeln) zu produktiv wirksamem Wasser-Input (z.B. m³ Transpiration). Die Wasserproduktivität wird nicht nur durch die Wasserverfügbarkeit bestimmt, sondern auch von vielen anderen Faktoren wie Bodenqualität und Bewirtschaftungspraktiken.
Bis zu einem gewissen Grad kann eine verbesserte Ausnutzung des Niederschlagswassers mit den im Folgenden genannten Maßnahmen eine Anpassung an Trockenheit und steigende Temperaturen ermöglichen. Bei einer Dürre, wie sie z.B. im Dürremonitor Deutschland vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ ausgewiesen wird, reichen diese Maßnahmen jedoch vermutlich nicht aus. Hier kann nur Bewässerung helfen, falls Bewässerungswasser in ausreichender Menge verfügbar ist.
Zu den ackerbaulichen Maßnahmen, die eine verbesserte Ausnutzung des Niederschlagswassers und auch des Bewässerungswassers ermöglichen können, zählen unter anderem6):
- Fruchtfolgen und Zwischenfrüchte optimieren
- Bodenbearbeitung: insbesondere Aufrauen der Oberfläche bzw. Aufbrechen von Krusten, um eine bessere Infiltration des Niederschlagswassers zu ermöglichen
- hohe Bestandsdichte: Ziel ist eine schnelle und lückenlose Bodenbedeckung und tiefe Durchwurzelung
- möglichst früh und zügig sähen, Saatgut eventuell vorkeimen, um der Frühjahrstrockenheit zu begegnen.
- Humuswirtschaft: Ausbringen organischer Substanz, Mulchen, um die Evaporation von der Bodenoberfläche zu vermindern
- Wahl trockenheitstoleranter Sorten bzw. von Sorten mit hoher Transpirationseffizienz
Um wirksam zu werden, sollten diese Maßnahmen im gesamten landwirtschaftlichen Bewirtschaftungssystem zur Anwendung kommen, gegebenenfalls ergänzt durch Maßnahmen zu einem verbesserten Wassermanagement in der Tierhaltung.
Woran forschen Sie in Ihrer Arbeitsgruppe „Wasserproduktivität in der Landwirtschaft“?
Drastig: Es besteht weiterhin dringender Forschungsbedarf zum Einsatz wassersparender (Bewässerungs-)Techniken und auch zur verbesserten Ausnutzung des Niederschlagswassers. Wir brauchen mehr Studien zur Bewertung von Maßnahmen für ein verbessertes Wassermanagement in der deutschen Landwirtschaft.
Aktuell arbeiten wir beispielsweise in der Arbeitsgruppe „Wasserproduktivität in der Landwirtschaft“ am Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie e.V. (ATB) daran, die Produktivität des technischen Wassers und des Niederschlagswassers im landwirtschaftlichen Betrieb zu verbessern. Wir entwickeln Methoden zur Modellierung und Berechnung regionaler und betriebsspezifischer wasserrelevanter Indikatoren und erstellen Rahmenwerke zur Bewertung und Verbesserung des Wassereinsatzes in Agrarsystemen. In diesem Kontext haben wir ein datenbankgestütztes System entwickelt, das es erlaubt, den Wasserbedarf in der Landwirtschaft für verschiedene Kulturen unter verschiedenen Standortbedingungen zu modellieren. Die Weiterentwicklung dieses „AgroHyd Farmmodels“ ist uns ein zentrales Anliegen, um den Wasserbedarf in der Landwirtschaft besser bewerten zu können. Das Methodenspektrum der Modellierung und Bewertung umfasst unter anderem Messungen von Wasserhaushaltsgrößen, die Ableitung von Algorithmen, die Berechnung der Wasserproduktivität und die Anwendung des Life Cycle Assessment.
Das Frühjahr 2022 war ebenfalls ungewöhnlich trocken, welche Probleme können durch Frühjahrstrockenheit entstehen?
Drastig: Eine Frühjahrstrockenheit kann die Pflanzenentwicklung erheblich beeinträchtigen. Mit beginnender Vegetationsentwicklung haben die Pflanzen einen relativ hohen Wasserbedarf. Ab einem gewissen Grad der Austrocknung – und je nach Bodenart - nehmen die Saugkräfte im Boden sehr stark zu, die das restliche Wasser im Boden festhalten. Diese Kräfte müssen die Pflanzen überwinden, um ihren Bedarf decken zu können. Die Folgen von Frühjahrstrockenheit sind geringere Wasser- und Nährstoffaufnahmen, ein Rückgang der Verdunstung mit reduziertem Stoffumsatz sowie am Ende auch ein vermindertes Pflanzenwachstum und ein geringer Ertrag - bis hin zum kompletten Ertragsausfall.
Schon im Jahr 2018 sagte der Deutsche Wetterdienst - DWD „Was die Wärme angeht, fahren wir auf der Überholspur - was den Regen angeht, auf der Standspur". Dies gilt auch im Jahr 2022. Zu Beginn jeden Frühjahrs kann man normalerweise nahezu überall in Deutschland davon ausgehen, dass die Böden mit Wasser gesättigt sind. Zum aktuellen Regenmangel in diesem Frühjahr kamen zusätzlich die Nachwirkungen der drei vorherigen Dürrejahre 2018, 2019, 2020. Bodenfeuchten deutlich unter den Normalwerten resultieren aus dieser Frühjahrstrockenheit.
Dr. Katrin Drastig leitet die Arbeitsgruppe "Wasserproduktivität in der Landwirtschaft (AgroHyd)" Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie e.V. (ATB) in Potsdam.
Interview: Heike Homann
Ansprechpartner im VDI:
Dr. Andreas Herrmann
VDI-Fachbereich Max-Eyth-Gesellschaft Agrartechnik
E-Mail: meg@vdi.de
1) Jahrbuch Agrartechnik 2021 (2022) 2) Thünen Working Paper 85 (2018) 3) Jahrbuch Agrartechnik 2020 (2021) 4) Destatis 2009 (2010) 5) Thünen Report Nr. 30 (2015) 6) Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften Diskussionspapier 3 (2010)