Da liegt was in der Luft
Wer hätte Mitte März gedacht, dass uns das SARS-Cov2-Virus weiterhin so sehr beschäftigt? Und jetzt wissen wir sogar, dass wir uns höchstwahrscheinlich noch etliche Monate mit verschiedenen Mitteln vor einer Ansteckung schützen sollten – zumal der Herbst da ist, und mit ihm die Erkältungs- und Grippezeit. Und jetzt steht vor allem im Raum, wie man sich in dieser Zeit am besten schützt.
Wo viel geatmet wird, befindet sich viel Kohlendioxid und viel Aerosol in der Luft. Letzteres lässt sich allerdings nur aufwendig messen. Wenn jedoch in einem Raum die Kohlendioxid-Konzentration steigt und sich der Pettenkofer-Zahl von 1.000 ppm nähert, ist die Luft auf jeden Fall schlecht: Tätigkeiten, die hohe Konzentration oder andere kognitive Leistungen erfordern, sind nahezu unmöglich. Das gilt auch ohne Pandemie.
Die Zeit, in der in einem Raum bei bekannter Belegung und Luftwechselrate eine bestimmte Konzentration an Kohlendioxid erreicht wird, lässt sich auch näherungsweise rechnerisch bestimmen. Forscher haben zeigen können, dass die feinen Aerosolteilchen, die ein Mensch ausatmet, sich in der Luft praktisch genauso gut ausbreiten wie Kohlendioxid. Und das bedeutet, diese Teilchen über Stunden in der Schwebe bleiben und damit praktisch jede Stelle im Raum erreichen können.
Während einer Pandemie stellt eine hohe Kohlendioxid-Konzentration einen indirekten Indikator für eine hohe Aerosolkonzentration und ein erhöhtes Infektionsrisiko dar. Leider kann die Aussage nicht umgekehrt werden: Die Aussage „Weniger als 1.000 ppm CO2, also kein Infektionsrisiko“ gilt nicht. Bisher herrscht noch kein Konsens in der medizinischen Community über die Antwort auf die Frage „Wie viele Viren verträgt ein durchschnittlicher Mensch, ohne zu erkranken?“ Demach kann niemand von einer „sicheren Zeit“ sprechen, sofern er eine seriöse Aussage treffen möchte.
Kohlendioxid-Rückatmung durch Masken: ein Problem?
Es kursieren im Internet Videos, in denen die Macher mittels eines Kohlendioxid-Messgeräts für die Raumluft nachweisen wollen, dass angeblich unter der Maske gefährlich hohe Kohlendioxid-Konzentrationen vorlägen. Bei den Videos, die wir uns angeschaut haben, wurden die Messungen mit Geräten durchgeführt, die für Raumluft ausgelegt sind. Die Sensoren messen im besten Fall bis 5.000 ppm, einer fünffachen Überschreitung der Pettenkofer-Zahl. Das ist für Innenräume prima, wo die Alarmgrenze bei 1.000 ppm liegt. Die Luft, die wir ausatmen, enthält jedoch rund 40.000 ppm, sodass der Sensor, wenn man ihn einmal anpustet – vermutlich auch ohne Maske – im Bereich der Übersättigung ist.
Ferner wurden passive Messgeräte verwendet, bei denen die Messluft nur durch Diffusion in die Messkammer gelangt. Solche Geräte reagieren recht langsam. Für Räume sind sie schnell genug, aber bei sich rasch ändernden Bedingungen, wie beim Ein- und Ausatmen ist die Trägheit zu groß. Nach dem ersten Anpusten befindet sich das Gerät für einige Zeit im Alarm-Modus. Für Messungen unter Masken gibt es aktive Geräte mit weitem Messbereich und eingebauter Pumpe. Diese sind den Amateuren, die die besagten Videos erstellen, aber vermutlich zu teuer. Solche Messungen taugen demzufolge rein gar nichts, um eine etwaige Rückatmung zu beurteilen.
Alltagsmasken und chirurgische Masken sind recht dünn und daher recht gut gasdurchlässig und haben zudem einen hohen Schlupf (Luft, die nicht durch das Gewebe, sondern an der Maske vorbei strömt). Chirurgen beispielsweise sind gewohnt, die Masken bei Operationen über Stunden zu tragen. Berichte über Kohlendioxid-Rückatmung sind uns diesbezüglich nicht bekannt. Aber selbst die professionellen Masken wie jene mit dem FFP2-Standard gibt es in Ausführungen, die man über mehrere Stunden ununterbrochen tragen kann. Die Grenze stellt hierbei nicht die Rückatmung von CO2 dar; es ist vielmehr die Durchfeuchtung der Maske und das damit verbundene Komfortgefühl.
Unternehmensklima: Respekt ist alles
Menschen empfinden eine Mund-Nase-Bedeckung mitunter störend. Im Rahmen der Aufklärung sollten Unternehmen ihre Mitarbeiter*innen darauf hinweisen, dass das Tragen der Maske in erster Linie Ausdruck des Respekts gegenüber den Kolleg*innen ist, weniger Selbstschutz. Es sollte ein Betriebsklima existieren, in dem jeder Einzelne auf seine Kolleg*innen achtet, und in dem niemand Angst vor negativen Reaktionen hat, wenn er oder sie Kolleg*innen darauf hinweist, dass sie wohl die Maske vergessen haben.
Menschen, die ein ärztliches Attest von einem Facharzt vorweisen, dem zufolge sie von der Maskenpflicht befreit werden sollten, dürfen in manchen Bundesländern auf die weniger wirksamen Gesichtsschilde ausweichen. Dann ist jedoch ein „großer“ Gesichtsschild erforderlich, da „Bikinis“, Mini-Gesichtsschilde, die bierdeckelgroß sind und nur Mund und Nase abschirmen, praktisch unwirksam sind. Im Bereich der Lebensmittelverarbeitung oder -verteilung wie in der Gastronomie ist der Einsatz von Gesichtsschilden sehr kritisch zu sehen, weil das Aerosol praktisch ungehindert nach unten austritt – auf die Arbeitsfläche oder das Tablett mit den Nahrungsmitteln.
Umluftreinigungsgeräte: nur wirksam, wenn man es richtig macht
In Räumen ohne hinreichende Frischluftzufuhr können Umluftreinigungsgeräte die Aerosolkonzentration senken. Hier ist jedoch darauf zu achten, dass die Geräte tatsächlich die Luft im gesamten Raum filtern. Raumhohe Geräte mit Ansaugung am Boden und Auslass unter der Decke sind vorzuziehen. Es treten unter Umständen minimale Zugerscheinungen im Bereich der Ansaugung auf, unter der Decke besteht jedoch kein Zugrisiko.
Durch hohe Ausblasgeschwindigkeiten (Induktionseffekt) und Walzenbildung kommt es zu einer gründlichen Durchmischung der Raumluft, die fast im ganzen Raum die Aerosolkonzentration reduziert. Bei Luftausstoß in geringerer Höhe kann es durch Windschatten und Wirbelbildung zur Ausbildung von Totzonen kommen. Optimal sind Geräte mit Schwebstofffiltern (alte Bezeichnung H13/H14), wenngleich auch gröbere Filter (ab F9/F10) bereits Verringerungen der Aerosolkonzentration bewirken. Die Viren sind schließlich nicht „nackt“ unterwegs; meist sind es größere Tröpfchen, die sie transportieren. Da es keine „sichere“ Virendosis gibt, sind Geräte mit Schwebstofffiltern empfehlenswert.
Und die Situation im Freien?
Die Ansteckungsgefahr im Freien ist nach aktuellen Erkenntnissen geringer. Es empfiehlt sich dennoch, das Abstandsgebot strikt einzuhalten. Im Freien herrscht zwar in aller Regel viel Luftbewegung, diese verzerrt daher die Ausbreitungsmuster der ausgeatmeten Aerosole: Mit „Rückenwind“ fliegen Aerosolteilchen viel weiter, bevor sie auf den Boden fallen. Auf der anderen Seite werden die Aerosole durch die Luftbewegungen in einem praktisch unbegrenzten Luftvorrat schnell verdünnt. Eine sichere Distanz anzugeben, ist unter solch unkontrollierbaren Bedingungen unmöglich.
Wenn es kälter wird, stellt die kalte Luft allerdings eine Herausforderung für die Atemwegsschleimhaut dar: Luft, die bei niedriger Temperatur mit Feuchtigkeit gesättigt ist, erwärmt sich beim Einatmen. Wenn man Luft nur erwärmt, ändert sich ihr absoluter Wassergehalt nicht. Aber ihre relative Feuchte nimmt stark ab, weil warme Luft mehr Wasserdampf aufnehmen kann als kalte. Das wiederum bedeutet, dass die Luft für die Atemwegsschleimhaut trocken ist; sie holt sich Feuchte aus den Schleimhäuten, die dadurch austrocknen können. Trockene Schleimhäute können ihren Job als Teil unserer Abwehrsysteme nicht mehr so gut erfüllen. Dies haben viele Studien belegt.
Selbst wenn also bei abnehmenden Außentemperaturen in der Outdoor-Gastronomie wieder Heizpilze benutzt werden dürften, sollte man auf hinreichenden Abstand zu Personen aus anderen Haushalten achten, um das Infektionsrisiko zu senken. Heizpilze steigern zwar, dass man sich wohler fühlt (thermische Behaglichkeit), ändern jedoch nichts an der trockenen Luft und daran, dass bei zu geringem Abstand eine Übertragung durch große Tröpfchen wahrscheinlicher wird.
Autoren: Thomas Wollstein, Frank Magdans
Fachlicher Ansprechpartner:
Dipl.-Phys. Thomas Wollstein
VDI-Gesellschaft Bauen und Gebäudetechnik
E-Mail-Adresse: wollstein@vdi.de