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VDI/VDE 3714

Big Data spart Geld und Energie

Bild: Gorodenkoff/Shutterstock.com

Maschinelles Lernen ist eine der Kernanwendungen, um Produktionsverfahren mit Künstlicher Intelligenz zu verbessern. Der Ansatz bringt jedoch spezielle Anforderungen mit sich, die weit über das maschinelle Lernen hinausgehen. Obschon die Akzeptanz dieser Technologie nur sehr langsam voranschreitet, gibt es bereits viele Einsatzgebiete – mit mehr oder weniger großem Erfolg. Dieser hängt im Wesentlichen davon ab, ob die Richtlinie VDI/VDE 3714 eingehalten wird.

Was ist der konkrete Nutzen von Daten in der Produktion?

Für eine konkrete Antwort hat die atlan-tec Systems GmbH als Konsortialführer des vom BMWK geförderten Technologieprojektes „Future Data Assets“ gemeinsam mit den beteiligten Projektunternehmen anonymisierte Daten von insgesamt 338 erfolgreich durchgeführten Big-Data-Projekten aus den Branchen Kunststoff, Chemie, Lebensmittel, Zement, Raffinerie, Energie, Papier und Metallurgie ausgewertet. Die Produktionsverfahren umfassen beispielsweise Prozesse wie Entschwefelungsanlagen, Methanolanlagen, Ammoniakanlagen, Zementöfen, Kartoffelchips-Produktion, Cracker, Sinteranlagen, Extruder, Spritzgießen und weitere. Dies ist die weltweit größte Datenbasis dieser Art.

„Die Ziele der durchgeführten Projekte bestanden entweder darin, eine vorgegebene Qualitätsspezifikation bei den erzeugten Produkten sicher einzuhalten oder den Durchsatz (Ausbeute, Yield) mit gleichbleibender Qualität zu steigern. Letztlich geht es bei der Produktion immer um das zentrale Ziel, möglichst kostengünstig ein Produkt zu erzeugen, das die Spezifikation genau und sicher einhält. Alle anderen Parameter sind nur Hilfsgrößen, um zu beurteilen, wie nah man dem Optimum gekommen ist.“  sagt Herr Froese, Vorsitzender des Fachausschusses 3.33 VDI/VDE-GMA „Big Data für Produktionsverfahren“.

Einsparungen in Milliardenhöhe

Allen Beispielen gemeinsam war eine mittlere Einsparung von 2,87 Prozent des gesamten erzielten Umsatzvolumens der Prozesse. Daraus ergibt sich bei allen Projekten zusammen eine Einsparung von fast einer Milliarde Euro pro Jahr und eine Energieeinsparung von 8 350 Gigawattstunden jährlich, das entspricht etwa 1,6 Prozent des Energieverbrauches Deutschlands. Die Kosten für Software- und Dienstleistungen liegen dagegen nur in einer Größenordnung von in Summe circa 40 Millionen Euro über alle Projekte hinweg. Die Projekte haben sich daher im Durchschnitt bereits nach 15 Tagen amortisiert!

Diese  erstaunlich kurze Amortisationszeit von 15 Tage kommt dadurch zustande, dass bei einzelnen industriellen Großprozessen in den Daten bereits 0,8 Prozent Einsparung im zweistelligen Millionenbereich entsprechen. Die Zeit bis zum Return on Investment lag immer bei weniger als sechs Monaten. Würde ein typisches DAX-Unternehmen diese Technologie also auf die gesamte Produktion ausrollen, würde sich dessen Ertrag vor Steuern im Mittel fast verdoppeln, was auch den Unternehmenswert erhöhen würde. Und das, obwohl die Investition für diesen Effekt, nicht mal ein Prozent des Jahresumsatzes ausmacht.

Big Data lohnt sich: Einige Beispiele

Herr Froese führt aus: „In einem ehemaligen Tochterunternehmen haben wir über die Hälfte der größeren Kläranlagen in Deutschland modelliert und optimiert. So konnten die Anlagen bis zu 30 % der Energiekosten für die Belüftung einsparen.

Ein weiteres Beispiel aus der Kunststoffindustrie: Polypropylen- und Polyethylen-Anlagen sparen bis zu 8 % der Rohstoffe und Energie, da sie ihren Ausschuss mit Hilfe von Big-Data-Anwendungen entscheidend reduzieren konnten.“

Für den Wirtschaftsstandort Europa gibt Herr Froese folgendes zu bedenken: „Angesichts der Diskussionen über Nachhaltigkeit, hoffen wir auf eine grundlegende Veränderung im Mindset der Europäischen Industrie, vor allem auf das Erkennen der immensen Vorteile und Potenziale, die sich aus der Digitalisierung und dem Einsatz moderner Big-Data-Methoden, wie dem maschinellen Lernen, ergeben.“

Welchen Beitrag leistet der VDI?

Der Fachausschuss „Big Data für Produktionsverfahren“ der VDI/VDE-Gesellschaft für Mess- und Automatisierungstechnik will mit der Richtlinie VDI/VDE 3714 den ökonomischen und ökologischen Nutzen von Big Data aufzeigen, den Wissenstransfer über verschiedene Industrien und Branchen hinweg verbessern und die Implementierung und den Betrieb von Big-Data-Anwendungen in der produzierenden Industrie vorantreiben und vereinheitlichen.

In der Richtlinienreihe werden Technologien (Big-Data-Anwendungen) zur Datenanalyse von umfangreichen und komplexen Daten aus Produktionsprozessen beschrieben. Die Richtlinienreihe gibt eine Orientierung, welche Maßnahmen für den Einsatz von Big Data erforderlich sind und zeigt, welche Methoden für eine zielführende Arbeit geeignet sind, aber auch welche Einschränkungen und Hindernisse bestehen. So liefern wir verlässlichere Entscheidungsgrundlagen, um Produkte und Produktionsprozesse ökonomisch, ökologisch und technisch zu verbessern.

Warum ist die Richtlinienreihe VDI/VDE 3714 gerade jetzt wichtig und welche Neuerung gibt es?

Die Prozessindustrie steht vor großen Herausforderungen. Herr Froese erläutert das so: „Eine rasche Digitalisierung und Big-Data-Anwendungen im Kleinen wie im Großen können den Unternehmen helfen, auch in Zukunft agil, resilient und nachhaltig zu wirtschaften.“ Die Schwierigkeit bei neuen Technologien wie Big-Data-Anwendungen ist jedoch, dass es zunächst keine definierten regulatorischen Anforderungen und keine standardisierte Vorgehensweise gibt. Dies birgt erhebliche technische Risiken und kann zu hohen Folgekosten und unzureichenden Lösungen führen. Darunter leidet das Ansehen dieser neuen Technologien. Dies führt zu Einstiegshürden für viele Unternehmen, die lieber auf die Digitalisierung verzichteten, da der Aufwand größer als der Nutzen scheint.

Angesichts des geringen Industrie-4.0-Reifegrades vieler Unternehmen in Deutschland war es dringend erforderlich, eine Orientierung über notwendige Maßnahmen zu geben sowie konkrete Methoden und Lösungswege zu definieren. Mit der VDI/VDE 3714 liegt nun die erste Richtlinie dieser Art im Kontext der Planung, Implementierung sowie der nachhaltigen und sicheren Nutzung von Big-Data-Anwendungen in der Prozessindustrie vor.

Webinar: Standardisiertes Vorgehen bei Big-Data-Projekten – von der Schulung und Implementierung bis zur Qualifizierung

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Schulungen: Wie können Anwender bei der Umsetzung der VDI/VDE 3714 unterstützt werden?

Damit die Verantwortlichen Big-Data-Projekte optimal durchführen und unterstützen können, haben wir im Fachausschuss die Schulungsrichtlinie die VDI/VDE-MT 3714 entwickelt. MT steht dabei für die Zusammenarbeit zwischen Menschen und Technik. Die VDI/VDE-MT 3714 definiert die Inhalte und den Ausbildungslehrplan für vier aufeinander aufbauende Stufen: den Big Data Practitioner, den Big Data Engineer, den Big Data Manager, und den Big Data Business Manager. Teilnehmende der Ausbildungsstufen erhalten ein offizielles Zertifikat und können anschließend auf Basis ihrer Weiterbildung in Big Data Projekten nach der Richtlinie VDI/VDE 3714 in ihrer jeweiligen Rolle mitarbeiten und das Projekt zum Erfolg führen.

Wir vermitteln hier direkt anwendbares und praxisnahes Wissen, um mit Hilfe der digitalen Methoden aus der Richtlinie VDI/VDE 3714 die Effizienz und die Nachhaltigkeit von Unternehmen deutlich zu verbessern. Die ersten Big-Data-Schulung zur VDI/VDE-MT 3714 finden im Juni bei unserem VDI-Schulungspartner Campus Forum GmbH in Aachen statt.

Weitere Information über die Richtlinienreihe sowie dem Weiterbildungsangebot erhalten Sie unter www.vdi.de/3714.

Fachlicher Ansprechpartner: 
Mehmet Bozkurt, M.Sc.
Qualifizierung und Zertifizierung​​​​​​​
E-Mail: bozkurt@vdi.de

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