„Wir beurteilen die tatsächliche Situation“
Die Corona-Krise ruft massive wirtschaftliche Folgen hervor: Tausende Betriebe haben Kurzarbeit angemeldet; Selbstständige machen sich große Sorgen um ihre berufliche Existenz. Wie in Not geratene Ingenieur*innen Unterstützung bekommen können, erläutert der Vorsitzende der Ingenieurhilfe des VDI, Prof. Dr.-Ing. Thomas Hahn, im Gespräch.
Die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie zwingen die weltweite Wirtschaft in die Knie. Davon sind leider auch hierzulande zahlreiche Ingenieur*innen betroffen. Welchen Beitrag kann die Ingenieurhilfe in dieser Krise leisten?
Hahn: Unsere Ingenieurhilfe betrachtet die persönliche Notlage von Ingenieur*innen und ergänzt daher die Bemühungen des Staates, kleine Unternehmen zu unterstützen oder die Arbeitsplätze durch Kurzarbeitergeld zu sichern.
Wie sieht die Unterstützung für Ingenieur*innen konkret aus?
Hahn: Die Erträge aus kleinen Ingenieurbüros beziehungsweise Unternehmen dienen dazu, die monatlichen Kosten im privaten Bereich zu decken. Die staatlichen Soforthilfen sollen jedoch nur für die Unternehmensbelange eingesetzt werden. Somit steht dieses Geld für die private Mietzahlung und die Krankenversicherung der Selbstständigen nicht zur Verfügung. Hier kann die Ingenieurhilfe gegebenenfalls für die ersten Monate mit einem Zuschuss helfen.
Einige sozialversicherungspflichtig angestellte Ingenieur*innen müssen sich mit Kurzarbeitergeld arrangieren. Ist darüber hinaus noch eine Unterstützung durch die Ingenieurhilfe möglich?
Hahn: Wir beurteilen die tatsächliche Situation, in der sich Bedürftige befinden, die sich an uns wenden. Ein Kurzarbeitergeld kann, gemessen an den Fixkosten, für Arbeitnehmer*innen für eine gewisse Zeit knapp, aber ausreichend sein. In Einzelfällen kommt es jedoch zu besonderen Engpässen durch die individuellen Lebensumstände. Hier bedeutet „Hilfe zur Selbsthilfe“, dass wir durch finanzielle Zuschüsse die Grundbedürfnisse für einige Wochen aufrechterhalten können. Wenn Angestellte nach Arbeitsplatzverlust auf Jobsuche sind, können wir sie bei der Suche unterstützen. Dazu arbeiten wir zum Beispiel mit der VDI-Karriereberatung zusammen und können auch bei der Vorbereitung auf Bewerbungsverfahren und Vorstellungsgespräche helfen.
Das Motto der Ingenieurhilfe: „Hilfe zur Selbsthilfe“
Gibt es auch Hilfsmöglichkeiten für Studierende?
Hahn: Ja, die Ingenieurhilfe kann Studierende der Ingenieurwissenschaften bei Krankheit vorübergehend unterstützen. In der aktuellen Situation verlieren Studierende durch die Corona-Einschränkungen ihren Nebenjob oder Werkvertrag, damit sie sich nicht einem Infektionsrisiko aussetzen müssen. Dieser Schutz der eigenen Gesundheit zieht jedoch durch den Verdienstausfall eine Gefährdung der Lebensgrundlage nach sich. Auch hier ist im Einzelfall der Erhalt der Wohnsituation und die Krankenversicherung das Ziel unserer Unterstützung. Idealerweise ist ein Abbruch des Studiums zu verhindern.
Wie lange kann die Ingenieurhilfe unterstützen?
Hahn: Da unser Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“ lautet, streben wir kurze Laufzeiten oder besser gesagt Einzel-Unterstützungen an. Wir wollen mit unseren Maßnahmen stützen und begleiten, so dass die Kolleg*innen von aktuellen Lasten befreit werden und der Mut gestärkt wird, die Dinge wieder selbst in die Hand zu nehmen.
Wie können Ingenieur*innen oder Studierende Kontakt zur Ingenieurhilfe aufnehmen?
Hahn: Um sich in einer Notsituation öffnen zu können, ist Vertraulichkeit unverzichtbar. Deshalb haben wir in den VDI-Bezirksvereinen Vertrauenspersonen der Ingenieurhilfe, die man in der Region direkt ansprechen kann. Die Kontaktdaten sind auf den Internetseiten und über die Geschäftsstellen der Bezirksvereine zu bekommen. Alternativ ist immer auch eine direkte Kontaktaufnahme mit der Geschäftsstelle der Ingenieurhilfe in Düsseldorf möglich, etwa per E-Mail an ingenieurhilfe@vdi.de.
Wenn die Ingenieurhilfe nun viel mehr Kolleg*innen in dieser besonderen Situation unterstützt, benötigt der Verein dann zusätzlich Spenden?
Hahn: Mit 125 Jahren Vereinstätigkeit sind wir ja keine spontan entstandene Corona-Initiative. Wie schon zur Flutkatastrophe im Jahr 2002 können wir auch in der akuten Situation vielen Bedürftigen helfen. Allerdings besteht kein Rechtsanspruch auf unsere Beihilfe, und individuell muss die Bedürftigkeit dargelegt werden.
Interview: Frank Magdans
Hinweis:
Spenden von Menschen, Initiativen oder Unternehmen, die die Arbeit der Ingenieurhilfe unterstützen möchten, sind jederzeit willkommen. Die Bankverbindung ist unter der Internetadresse www.vdi-ingenieurhilfe.de verfügbar. Jede Spende lässt sich steuermindernd absetzen und wird auf Wunsch bescheinigt.
Hintergrund:
Die VDI-Ingenieurhilfe bietet ihre Unterstützung jeder Person an, die eine abgeschlossene Ingenieurausbildung beziehungsweise die Immatrikulation in einem Bereich der Ingenieurwissenschaften nachweisen kann. Darüber hinaus steht die Ingenieurhilfe den Hinterbliebenen von Ingenieur*innen zur Seite, um so die Angst vor dem „Leben danach“ ein Stück weit zu nehmen. Die finanziellen Mittel erhalten wir aus Spenden, die zu einem großen Teil die Mitglieder des VDI e.V. erbringen. Viele von ihnen reichen zusammen mit der Zahlung des VDI-Jahresbeitrags ihre Spenden ein. Der VDI reicht diese Beträge an die Ingenieurhilfe weiter. Darüber hinaus wird in den Versammlungen der VDI-Bezirksvereine Spenden gesammelt. Die Vertrauenspersonen der Ingenieurhilfe nehmen vor Ort eine sehr wichtige Funktion ein: Sie sind ein Bindeglied zu den Mitgliedern im Bezirksverein und stehen den Hilfesuchenden als Ansprechpartner zur Verfügung. Darüber hinaus wird eine Mitgliedschaft im VDI oder ähnlichen Organisationen nicht vorausgesetzt.