Wenn die Energiewende gelingen soll, muss sich Wasserstoff durchsetzen
Der DIT 2023 steht unter dem Motto: „Zukunft gemeinsam gestalten. Innovationen für Mensch und Umwelt.“ Lasse Reinpold, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Helmut Schmidt Universität, hält dort eine Breakout Session zum Thema „Zukunft H2 – nachhaltig, automatisiert und sicher!“. Im Kern befasst sich die Session mit Elektrolyseuren und Regelleistung. Für ihn ist der Einsatz von Wasserstoff unverzichtbar, damit die Energiewende so früh wie möglich gelingt.
VDI: Worum geht es in der Breakout Session „Zukunft H2 – nachhaltig, automatisiert und sicher!“?
Reinpold: Teilnehmende lernen, wie Elektrolyseure dazu beitragen können, das Stromnetz zu stabilisieren. Stromnetze werden mithilfe von Regelleistung stabilisiert. Regelleistung ist die elektrische Leistung, die dann abgerufen wird, wenn es im Stromnetz ein Ungleichgewicht zwischen Stromerzeugung und Stromverbrauch gibt. Heute wird dies weitestgehend von Kohle- und Gaskraftwerken übernommen. In der Breakout Session wird gezeigt, wie Elektrolyseure die Aufgaben der konventionellen Kraftwerke bei der Stabilisierung des Stromnetzes übernehmen können. Dabei werden Elektrolyseure an den gleichen Märkten aktiv wie konventionelle Kraftwerke. Die Vorteile und Schwierigkeiten, die das mit sich bringt, werden den Teilnehmenden vermittelt.
VDI: Welche Rolle spielt Ihr Thema für den Zukunftsstandort Deutschland?
Reinpold: Durch die Bereitstellung von Regelleistung können Betreiber von Elektrolyseuren zusätzliche Einnahmen generieren. Dadurch sinken die Wasserstoffgestehungskosten und der Wasserstoff wird günstiger. Zusätzlich wird die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern reduziert, wenn diese nicht mehr benötigt werden, um das Stromnetz zu stabilisieren, sondern diese Aufgabe von Elektrolyseuren übernommen wird. Ein durch Elektrolyseure stabilisiertes Stromnetz ist also eine sehr futuristische Angelegenheit.
VDI: Wann kann diese futuristische Angelegenheit Wirklichkeit werden?
Reinpold: Die Anwendung ist gar nicht so futuristisch. Erste Elektrolyseure werden schon heute für die Vermarktung von Regelleistung verwendet. Teilweise werden dabei auch schon signifikante Umsätze erzielt. Die Anwendung wird meiner Einschätzung nach in den kommenden Jahren an Relevanz gewinnen, sodass hoffentlich irgendwann keine fossilen Kraftwerke mehr für die Bereitstellung von Regelleistung benötigt werden.
VDI: Was müsste dafür geschehen?
Reinpold: Damit die Technologie noch breitere Anwendung findet, sollten Elektrolyseure noch langlebiger werden. Weiterhin werden größere Wasserstoffspeicher nahe den Elektrolyseuren benötigt, um die notwendige Flexibilität des Prozesses zu gewährleisten. Somit könnten trotz des Abrufs von Regelleistung die benötigten Mengen Wasserstoff an Kunden geliefert werden.
VDI: Was glauben Sie, wird sich Wasserstoff in der Industrie und Energieversorgung durchsetzen? Wo ist ein Durchbruch am ehesten zu erwarten?
Reinpold: Wenn die Energiewende früh genug gelingen soll, muss der Wasserstoff sich durchsetzen. Beispielsweise im industriellen Sektor ist mir keine andere Technologie bekannt, die das Potenzial hat, konventionelle Energieträger im großen Maßstab zu ersetzen. Ebenso ist Wasserstoff meines Wissens nach der einzige potenziell grüne Energieträger, mit dem sich Energie über relevante Zeiträume, also saisonal, speichern lässt. Es gibt noch andere Anwendungsfälle, für die der Wasserstoff prädestiniert zu sein scheint: etwa im Lastverkehr. Hier liegt die Anwendung meines Wissens aber noch etwas weiter in der Zukunft.
VDI: Was geschieht nach dem DIT 2023 mit den Ideen der Teilnehmenden?
Reinpold: Das Schöne an so einer Breakout Session ist, dass das Wissen und die Ideen sehr vieler Menschen zusammenkommen. Das ist für mich als Wissenschaftler enorm wertvoll, da niemand mehr einen umfassenden Überblick über alle Themengebiete eines so komplexen Themas wie der Wasserstoffwirtschaft haben kann. Ich erhoffe mir also praktische Einblicke in Erfahrungen und Ideen der Teilnehmer sammeln zu können und daraus ein allgemeines Meinungsbild und hoffentlich weitere Forschungsideen gewinnen zu können. Diese fließen dann in laufende Forschungsprojekte bei uns am Institut und hoffentlich darüber hinaus ein.
Interview: Sarah Janczura
Ansprechpartner:
Sascha Dessel M. Sc.
VDI/VDE-Gesellschaft Mess- und Automatisierungstechnik
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