Warum gibt es keine deutsche Astronautin?
Sigmund Jähn, Ulf Merbold. Thomas Reiter, Ulrich Walter und – na klar – Alexander „Astro-Alex“ Gerst. Elf Deutsche waren bereits im Weltall. Aber einen weiblichen Vornamen sucht man in der Namensliste vergebens. Denn noch nie gab es eine deutsche Astronautin. Deutschland ist damit die einzige größere Raumfahrernation, die noch keine Frau ins All geschickt hat.
Wie kann das sein? „Ich kann mir das auch nicht erklären. Es hängt sicher damit zusammen, dass es in Deutschland im internationalen Vergleich relativ wenige Frauen in den MINT-Berufen gibt. Das wiederum muss wohl an der sozialen Prägung liegen“, sagt Suzanna Randall. Die 41-Jährige will die erste deutsche Astronautin werden – im Rahmen eines privaten Projekts mit dem gleichermaßen programmatischen wie schlichten Namen „Die Astronautin“.
Ingenieurwesen ist nur was für Jungs?
Sie glaubt: In der Gesellschaft herrscht immer noch das alte Bild vor, Mathe, Physik und Ingenieurwesen seien Bereiche für Jungs. „Das war in meiner Schulzeit auch so. Natürlich hat niemand gesagt: Mathe ist nichts für dich, aber unterschwellig war schon so ein Gefühl da. Im Mathe-LK war ich zum Beispiel das einzige Mädchen. Das Fach war irgendwie uncool für die meisten Schülerinnen. Für mich selber auch. Mathe war einfach das notwendige Übel, um das machen zu können, was ich möchte, nämlich Astrophysikerin werden“, so Randall. Sie ist eine der beiden Finalistinnen der Astronautinnen-Auswahl, 2021 werden entweder sie oder ihre Mitbewerberin Insa Thiele-Eich zur Internationalen Raumstation ISS fliegen. 50 Millionen Euro kostet die Mission: Das Astronautentraining ist teuer, und der Platz an Bord des SpaceX-Raumschiffs erst recht. Auch die Luft zum Atmen, das Essen auf der Station und die Nutzung der Sportgeräte auf der ISS kosten Geld.
„Die Astronautin“ finanziert sich über Spenden und Einnahmen aus Vorträgen. Man sei finanziell noch nicht am Ziel, so Randall. Staatliche Unterstützung gibt es nicht. „Die Bundesregierung sagt seit Jahren zu uns: Das ist ja ganz super und wichtig, was Sie da machen, das müsste man unterstützen. Aber es macht keiner Nägel mit Köpfen“, sagt Randall. „Das macht mich wütend, denn die Regierung hätte jetzt die Chance, auch mal ein Zeichen zu setzen.“
Keine Hilfe von der Regierung
Das Bundeswirtschaftsministerium hat für den Bundeshaushalt 2020 „mehr Mittel für Künstliche Intelligenz, Digitalisierung sowie Luft- und Raumfahrt“ vorgesehen. Und die Parlamentarische Staatssekretärin Elisabeth Winkelmeier-Becker hatte erst im März angekündigt, „mehr Mädchen für die gut bezahlten MINT-Berufe gewinnen“ zu wollen.
Eine deutsche Astronautin könnte da Vorbild sein. Auf Nachfrage heißt es beim Wirtschaftsministerium indes: „Die Bundesregierung hat die Privatinitiative „Die Astronautin“ von Beginn an ideell auch aus dem politischen Raum unterstützt. Stets wurde dabei aber der private Charakter der Initiative betont und keine Finanzzusagen gegeben.“
Dabei sehe man durchaus eine mögliche „positive Wirkung in den Politikbereichen Frauen, Jugend“ und Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie MINT-Nachwuchs, Berufsausbildung, Digitalisierung, und Raumfahrt-Forschung. „Deshalb hat die Bundesregierung einen ressortübergreifenden Ansatz zur Unterstützung der Initiative geprüft.“ Aber: „Eine ressortübergreifende Finanzierung der Initiative erscheint nach der Prüfung derzeit nicht möglich. Zudem soll auch der primär private Charakter der Initiative gewahrt bleiben und sich in den privaten Beiträgen widerspiegeln.“
Mehr als ein Symbol
Dabei gehe es um mehr, als ein bloßes gesellschaftspolitisches Symbol, sagt Suzanna Randall. Neben Materialforschung werden auf der ISS regelmäßig auch physiologische Experimente durchgeführt. Die Auswirkung der Schwerelosigkeit wirkt sich teilweise unterschiedlich auf Frauen und Männer aus. „Zum Beispiel scheint die Sehkraft von Männern im All nachzulassen, die von Frauen aber nicht. Dazu wollen wir in Kooperation mit dem DLR Experimente durchführen“, erklärt Suzanna Randall. Zum anderen gehe es um medizinische Erkenntnisse etwa zur Osteoporose: Die kann man auf der ISS wie im Zeitraffer beobachten, weil die Knochendichte im All besonders schnell abnimmt. „Und das ist eine Krankheit, die Frauen sehr viel häufiger haben als Männer.“
Überhaupt hakt es in der Europäischen Raumfahrt mit der Gleichstellung. Dabei gibt es durchaus Ambitionen bei der Europäischen Raumfahrtagentur ESA: Deren Generaldirektor Jan Wörner machte Diversität und Inklusivität zu Top-Themen. „Die ESA verstärkt auch ihre Bemühungen, ein modernes, integratives Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem die Menschen die Vielfalt in Teams schätzen, die Perspektiven anderer berücksichtigen und sich wohl fühlen - unabhängig von Geschlecht, Geschlechtsidentität und -ausdruck“, heißt es in einem persönlichen Statement. Und tatsächlich wurden jüngst immerhin 40 Prozent der neuen Stellen in der Behörde mit Frauen besetzt – in den Spitzenpositionen allerdings sieht es anders aus: Die zehn Direktorposten haben neun Männer inne. Und im Esa-Astronautenkorps ist Samantha Christoforetti die einzige Frau neben fünf männlichen Astronauten. Zum Vergleich: In den USA sind inzwischen fast genauso viele Frauen wie Männer im NASA-Astronautenteam.
Wenige Bewerberinnen bei der ESA
Ein Grund mag in der niedrigen Zahl an Bewerberinnen liegen: Nur 16 Prozent waren bei der letzten Ausschreibung weiblich. „Die Frage ist: Warum haben sich so wenige Frauen beworben? Das fängt schon damit an, dass in der Bewerbungsausschreibung fast nur Männerfotos abgebildet waren. Frauen fühlen sich von einer solchen Ausschreibung sicherlich weniger angesprochen“, glaubt Suzanna Randall.
Autor: Peter Sieben
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Dipl.-Ing. Simon Jäckel
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