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Klimaschutz

Vier Fragen zum Emissionshandelssystem

Bild: Anton Watman/Shutterstock.com

Der Europäische Emissionshandel (EU-ETS) ist seit 2005 das zentrale Klimaschutzinstrument der Europäischen Union. Mit dem Handelssystem sollen die Treibhausgas-Emissionen der Energiewirtschaft und der energieintensiven Industrien reduziert werden, zu denen auch die Stahlindustrie zählt. Das ist keine Kleinigkeit, das System erfasst etwa 40 % der gesamten Treibhausgasemissionen der EU. Was das für den Handel heißt und welche Schwierigkeiten das System mit sich bringt, erklärt Dr. Roland Geres.

Dr. Roland Geres ist Geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung FutureCamp. Das Münchener Unternehmen berät mit einem Team von rund 40 Expertinnen und Experten Konzerne, regierungsnahe Behörden, Kommunen, mittelständische Unternehmen und öffentliche Bildungsträger zu Klimaschutz, Nachhaltigkeit, Energieeffizienz, Umweltmanagement und Innovation. Dr. Roland Geres ist zudem Mitglied des Programmkomitees für das VDI-Expertenforum Emissionshandel.

Stahlreport: Wie erfolgreich ist das Europäische Emissionshandelssystem (EU-ETS, ETS = Emissions Trading System, deutsch: Emissionshandelssystem) dabei, Emissionen tatsächlich zu senken?

Dr. Roland Geres: In den letzten Jahren, circa seit 2017 und bis Ende 2021, war das EU-ETS tatsächlich ein sehr wesentlicher Treiber für Emissionsreduktionen – vor allem in der Stromerzeugung, teilweise aber auch in der Industrie. Das folgt aus den stark gestiegenen Preisen sowie der deutlich rückläufigen kostenlosen Zuteilung von Emissionsrechten in der Industrie. Eine ähnliche Rolle hatte das EU-ETS historisch übrigens schon mal, vor der Wirtschaftskrise 2008, als die Emissionsrechte-Preise auch schon bei rund 30 €/t lagen.

Darüber hinaus hat das EU-ETS de facto auch die Funktion, das Erreichen von Reduktionszielen in den erfassten Sektoren Energiewirtschaft und Industrie auch tatsächlich sicherzustellen. Dieses Ziel hat das EU-ETS konstant erreicht – übrigens wesentlich besser und zuverlässiger, als andere Instrumente, die zum Beispiel im Gebäude- oder Verkehrssektor zur Anwendung kommen.

Stahlreport: Trägt das Handelssystem – wie Kritiker zuweilen anführen – dazu bei, den Industriestandort Europa durch zu hohe Auflagen zu deindustrialisieren?

Dr. Roland Geres: Bisher nicht, jedenfalls nicht direkt. Mir ist auch kein Fall bekannt, dass allein deswegen eine Produktion verlagert wurde. Allein für die Zementindustrie, die ihre Klinkerproduktion teils nach Nordafrika verlegt, lässt sich das bisher ansatzweise empirisch nachweisen. Das heißt aber nicht, dass zunehmend steigende reale Kosten aus dem EU-ETS nicht eine Rolle bei Standortentscheidungen und Investitionen spielen. Und es heißt auch nicht, dass sich der bisherige empirische Befund einfach in die Zukunft übertragen lässt. Deshalb bleibt der Schutz vor „Carbon Leakage“ wichtig.

Kosten aus dem EU-ETS können im Verbund mit anderen Instrumenten – zum Beispiel Investitionszuschüssen oder den für die Transformation für die Stahlindustrie besonders wichtigen „Carbon Contracts for Difference“ – auch Investitionen de facto begünstigen. Der Verbund von Instrumenten kann dann umgekehrt sogar zur Stärkung der industriellen Basis beitragen. Der Umbau eines Verbundstandortes in der Primärerzeugung von Roheisen auf das Direktreduktions-Verfahren ist ein Beispiel dafür. Das EU-ETS allein kann dies nicht schaffen.

Allerdings gehört zu einer fairen Bewertung auch, dass die genannten Beihilfen ganz wesentlich aus staatlichen Auktionserlösen aus dem EU-ETS (und dem nationalen Emissionshandel) finanziert werden, der zum Beispiel in Deutschland das Sondervermögen des „Klima- und Transformationsfonds“ speist.

Stahlreport: Welche Auswirkungen hat das Emissionshandelssystem auf die betroffenen Märkte? Verteuert es beispielsweise die Erzeugnisse der Stahlhersteller?

Dr. Roland Geres: Ja, die Bepreisung von Treibhausgas-Emissionen verteuert energieintensive beziehungsweise Treibhausgas-intensive Produkte. Das ist auch der Sinn des Instruments. Ich denke, das müssen wir im Sinne des Verursacherprinzips auch akzeptieren. Im Binnenmarkt der EU ist das auch kein Wettbewerbsproblem, international aber schon.

Stahlreport: Welche Strategien verfolgen andere Regionen und Länder, um Emissionen zu senken?

Dr. Roland Geres: Sehr unterschiedliche. Zunächst mal ist es so, dass bei weitem nicht alle Staaten dem Thema Klimaschutz die Priorität geben, wie es notwendig wäre. Erfreulich ist aber, dass dies in immer mehr Staaten der Fall ist. Und: Seit Jahren gibt es einen Trend, zur Bepreisung von Treibhausgas-Emissionen als Instrument zu greifen – sowohl über Steuern als auch und gerade über Emissionshandelssysteme. Letztere decken derzeit schon über 20 Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen ab – wenn auch mit schwer vergleichbarem Design und unterschiedlichen Preisniveaus. Trotzdem ist dieser Befund ermutigend. Auch die in Glasgow [die UN-Klimakonferenz in Glasgow 2021, Anm. d. Red.] endlich erzielten Fortschritte zur Umsetzung des Pariser Abkommens sind hier hilfreich. Hoffen wir, dass die angespannte geopolitische Lage nicht dazu führt, dass dieser positive Trend stockt.

Das Interview führte Markus Huneke. Es ist erschienen im Stahlreport Ausgabe 6/22.

Fachlicher Ansprechpartner: 
Dipl.-Ing. Peter Plegnière
VDI/DIN-Kommission Reinhaltung der Luft (KRdL) - Normenausschuss
E-Mail: plegniere@vdi.de

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