„Technik muss erlebt werden!"
2016 eröffnete die erste TechnoThek Deutschlands in der Kinder- und Jugendbibliothek Erfurt. Initiiert vom Landesverband und Bezirksverein Thüringen, setzt sich das Format als Erfolgsmodell durch. Seitdem widmen sich mehrere Regionalorganisationen des VDI der Aufgabe, gemeinsam mit ihren Bibliotheken vor Ort jungen Technikinteressierten und denen, die es noch werden wollen, Technikwissen zu vermitteln. Ob mit der Holzeisenbahn für die kleinen Forscher, über Fachbücher für die Schulpräsentation bis zum Baukasten zum Programmieren, wollen die TechnoTheken Technikwissen für jeden! Bereits in 22 Städten können junge Besucher das Angebot in ihren Bibliotheken vor Ort nutzen und die Zahl steigt.
Wie sind Sie auf die Idee zur TechnoThek gekommen?
Wutschke: Das war keine Projektidee, sondern eher ein großer Zufall. Eine Veranstaltung des VDIni-Clubs zum Tag des Buches 2013 in der KJB Erfurt gab den Anstoß. Da sagte ein Zuschauer zu mir: „Das müsste man öfter machen.“ Und es stellte sich heraus, dass dieser Besucher der Direktor der Stadtbibliothek Erfurt war. Und so haben er und ich als Geschäftsstellenleiter des Landesverbandes Thüringen uns in den nächsten Tagen getroffen und erste Ideen entwickelt. Das brauchte seine Zeit, aber 2015 nahm die Idee Fahrt auf und 2016 wurde die erste TechnoThek eröffnet.
Bucher: Und die Idee ist auf Reisen gegangen, denn bei uns hat später Herr Wutschke Kontakt aufgenommen, weil sich bei ihm eine Bibliothekarin gemeldet hatte, die sich ebenfalls für eine TechnoThek interessierte. So sind wir ins Gespräch gekommen. Herr Wutschke hatte ja bereits einige Erfahrungen gesammelt und damit hatten wir schnell ein Basispaket zusammen. In Frankfurt haben wir unglaublich tolle Kolleginnen in den Büchereien vor Ort. Nicht zuletzt dank ihres Engagements haben wir neben der TechnoThek in der Kinderbücherei, inzwischen auch Klassensätze für die schulbibliothekarische Ausleihe besorgt und arbeiten gerade an einem dritten Standort.
Was erwartet die Besucher in einer TechnoThek?
Wutschke: Da gibt es sehr unterschiedliche Herangehensweisen. Schwerpunktmäßig steht eine gute Auswahl neuer technisch-naturwissenschaftlicher Literatur zur Verfügung, wir sind ja in einer Bibliothek. Der Höhepunkt besteht aber im technischen Angebot, das sich über Baukästen zur Mechanik und Elektrotechnik / Elektronik bis zu programmierbaren Robotern erstreckt. Die TechnoTheken entwickeln dann ein eigenes Profil, zum Beispiel kann ein Schwerpunkt auf Schulförderung liegen. Dazu kommen verschiedene Veranstaltungskonzepte in größeren Bibliotheken, die Kinder regelmäßig zu bestimmten Themen einladen. Andere legen Wert darauf, Kindern täglich die Möglichkeit zu geben, Technikwissen zu erleben und sich ohne Vorgaben oder Anreize von außen einfach auszuprobieren.
Einige TechnoTheken, zum Beispiel in Jena, testen ein neues Ausleihsystem, das in Coronazeiten seinen Anfang nahm, als sie ganze Technikbaukästen verliehen haben. Und das läuft gut. Generell muss jeder Standort sein Konzept finden, das hängt natürlich auch stark vom Publikum vor Ort ab. Der große Pluspunkt sind die Barrierefreiheit und das kostenfreie Angebot, das während der ganzen Woche zur Verfügung steht! Aber unser Ziel ist technische Beschäftigung und die daraus folgende Technikmündigkeit, denn: technische Allgemeinbildung stärkt den Standort Deutschland.
Bucher: Wie gesagt, bei uns gibt es verschiedene Ansätze und wir profitieren sehr vom Ideenreichtum des Bibliotheksteams. Auch während Corona hatten sie immer wieder neue Ansätze. So sind sie mit einer Ausstattung in den nahe gelegenen Jugendclub gegangen, als sie noch nicht wieder Besucher empfangen durften. Sie kennen unsere Zielgruppe am besten und geben sich viel Mühe.
Eine echte Bereicherung waren und sind auch die Filme, die während Corona als Alternative entstanden sind. Sönke Ohls vom VDI hat kleine Videos gedreht, wo er dem Techniknachwuchs verschiedene Fragen beantwortet. Sehr spannend und informativ erklärt er zum Beispiel „Warum autonome Autos Fußgänger erkennen“ oder „woher die Duplobahn weiß, wann sie hupen muss.“
Wie ist die Resonanz?
Wutschke: Wir sehen eine durchweg positive Resonanz. Die Gründe, warum Kinder eine TechnoThek besuchen, sind natürlich verschieden. In der Regel steht ein beginnendes technisches Interesse im Vordergrund. Es kann das Seminarfachthema sein, aber auch der letzte Besuch der TechnoThek durch den Kindergarten, der einfach Interessen geweckt hat. Mal kommen sie gezielt, weil die Großeltern möchten, dass der Enkel mit dem Technikkasten experimentiert, mal wird die Bibliothek genutzt, um die Wartezeit auf den Schulbus zu überbrücken. Wichtig ist doch, die Kinder und Jugendlichen nehmen das Angebot und kommunizieren das Erlebte.
Eine besondere Funktion der TechnoThek ist ihre Stressfreiheit. In einer Zeit, in der sich MINT-Akteure mit Wettbewerben und Events hervortun und oft frustrierte Kinder hinterlassen, die eben keine Medaille bekommen haben und anschließend resignieren, schaffen wir einen Raum zur Selbstentfaltung eigener Talente. Wir geben ihnen die Freiheit, in ihrem eigenen Tempo eigene Ziele je nach Interesse auszuprobieren und sich weiterzuentwickeln. Wir haben dabei schnell gelernt, dass man viele Hürden leicht aus dem Weg räumen kann. So setzen wir meist auf Experimentierkästen, die statt einer aufwändigen Anleitung auf Bildbeschreibungen setzen. So können sich die Kinder das ganze schnell erschließen und einfach starten. Auch über Sprachbarrieren hinweg.
Bucher: Auch bei uns ist die Resonanz Super! Wir profitieren dabei besonders von den sehr engagierten Mitarbeiterinnen der Bibliotheken. Wir treffen uns regelmäßig und haben so auch eine ständige begleitende Evaluation. Denn sie wissen am besten, was ankommt, was vielleicht ersetzt werden muss oder wo wir noch nachrüsten sollten. So sind auch die weiteren Projekte entstanden, wie beispielsweise die Chance ganze Klassensätze an Material auszuleihen.
Was ist Ihre Empfehlung für interessierte Vereine und Bibliotheken?
Wutschke: Genau, wagen Sie einfach einen Anfang! Denn Technik muss erlebt werden. Wir erleben, wie gut das an diesen Orten funktioniert; gemischt über Alter und Kulturen hinweg. Barrierefrei ohne Kosten und ohne Termine. Als echte Begegnungsstätte. Als Bibliothek, die sich auf dem Weg zu einer modernen multifunktionalen Begegnungsstätte befindet, ist die VDI-TechnoThek genau der richtige Baustein zum Erfolg. Dazu wenden Sie sich einfach an den VDI in ihrem Bundesland. Regionale VDI-Gliederungen, also Bezirksvereine und Landesverbände, sollten sich mit dem Konzept vertraut machen und schon vorbereitet sein, wenn es „ernst“ wird.
VDI-Mitglieder, die an einem TechnoThek-Standort beheimatet sind, können sich gern unterstützend in das Projekt stürzen! Ich bin schon gespannt, wo die nächste TechnoThek entsteht!
Bucher: Suchen Sie den Kontakt und starten Sie. Egal ob mit der kleinen Infobox in der kleinen Stadtteilbibliothek oder mit einem großen Projekt in verschiedenen Standorten. Der Bedarf ist mehr als da und es gibt unzählige Arten die Zielgruppe zu erreichen. Gerne berichten wir Ihnen, was uns geholfen hat. Und es ist spannend zu sehen, wie so ein Projekt lebt und sich weiterentwickelt.
Eckart Wutschke:
Leiter der Geschäftsstelle des VDI Landesverbandes Thüringen
VDI-Gründungsmitglied des VDI Thüringer Bezirksverein seit 1990
Seit 2016 Aufbau von 12 TechnoTheken in Thüringen
Dr. Christiane Bucher:
stv. Vorsitzende des VDI BV Frankfurt-Darmstadt
Mitinitiatorin der TechnoThek in Frankfurt
Mitverantwortliche für dieses Nachwuchsangebot
hauptberuflich im Fraunhofer LBF in Darmstadt
Das Interview führte Gudrun Huneke.
Ansprechpartner im VDI:
Thomas Müllenborn
Tel.: +49 211 6214-221
E-Mail: muellenborn@vdi.de