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Interview zur Richtlinienreihe VDI 2700

Spediteure aufgepasst: Neue Standards für die Ladungssicherung ab September 2024

Bild: SpanSet

Ab dem 1. September gilt es auf deutschen Straßen: Angepasste Richtlinien für die Ladungssicherung von Pkw und Lkw auf Fahrzeugtransportern. Da es keine Übergangsfrist gibt, besteht hier akuter Handlungsbedarf bei Spediteuren und Fahrern. Polizeikontrollen könnten ansonsten unschön enden. Im Gespräch klärt Hans-Josef Neunfinger von Spanset über die Änderungen auf. Neunfinger ist Sprecher des VDI-Richtlinienausschusses. Ein Podcast-Interview.

Herr Neunfinger, können Sie uns zunächst einmal erklären, was genau die VDI-Richtlinie 2700 regelt und warum sie für die Ladungssicherung auf Straßenfahrzeugen so wichtig ist?

Neunfinger: Die VDI-Richtlinienreihe 2700 befasst sich mit der Ladungssicherung auf Straßenfahrzeugen und wurde erstmals 1975 veröffentlicht. Zwischenzeitlich gibt es verschiedenste Richtlinien neben dem Hauptwerk. So sind Ladungen, wie z.B. Papierrollen, Getränke, Stahltransporte, Betonteile und vieles mehr in einzelnen Richtlinien beschrieben. Die Richtlinienreihe VDI 2700 ist eine anerkannte Regel der Technik. Auch im Rahmen der Rechtsprechung gilt die Richtlinienreihe VDI 2700 als anerkannte Regel der Technik im Sinne des § 22 StVO. Neben der strafrechtlichen Verfolgung können auch zivilrechtliche Haftungsansprüche die Folge mangelhafter Ladungssicherung sein. 

Die überarbeitete Version der VDI 2700 mit ihren Blättern 8, 8.1 und 8.2 tritt am 1. September 2024 in Kraft. Welche wesentlichen Änderungen bringt diese Aktualisierung mit sich, und warum war es notwendig, die Richtlinie zu überarbeiten?

Neunfinger: Alle fünf Jahre werden VDI-Richtlinien auf ihre Aktualität durch den Richtlinienausschuss überprüft. Die Überprüfung der Blätter 8.1 und 8.2 hat allerdings mehr als zehn Jahre in Anspruch genommen. Dies ist eher ungewöhnlich, aber die VDI-Richtlinienarbeit ist ehrenamtlich und erfordert eine Arbeitsgruppe, die fachlich möglichst alle beteiligten Kreise abdeckt. Also bei der Ladungssicherung von Fahrzeugen auf Transporter sind die Fahrzeughersteller für Pkw oder Lkw, die Hersteller der Transporter, die Zurrmittelhersteller, Transporteure, Prüfgesellschaften und die Unfallversicherung – Berufsgenossenschaft- gefordert.

Bei der Überarbeitung der alten Richtlinie hat man festgestellt, dass technische Parameter fehlten, wie z.B. die Reibung zwischen Fahrbahnelement und Reifen, die Festigkeit des Fahrbahnelementes, da die Radvorleger als auch die Zurrgurte mit den Fahrbahnelementen verbunden werden ist ein Festigkeitswert von Bedeutung. Was nutzt es, die Festigkeit eines Zurrgurtes zu definieren und nicht zu wissen, welche Kraft das Fahrbahnelement aufnehmen kann. Zudem war stets die Frage offen, ob Zurrgurte eine STF (Vorspannkraft) aufbringen müssen. Also wird der Reifen auf das Fahrbahnelement niedergezurrt. Durch Fahrversuche mit ADS Federung konnte man belegen, wie wichtig es war, dass Zurrgurte eine definierte Vorspannkraft zur Sicherung des Reifens aufbringen müssen. 

Darüber hinaus sind Fahrzeuge schwerer geworden. Elektrofahrzeuge gab es nach alter Richtlinie nicht und das Verhalten beim Transport und der Ladungssicherung musste untersucht werden. Dass Fahrzeuge gestapelt transportiert werden, ist schon lange Standard. Nun treten aber auch andere Kräfte durch die Stapelung auf und das musste untersucht werden.

Mir ist wichtig zu erwähnen, dass die Anforderungen der neuen Richtlinien durch eine Initiative von TÜV Süd, Fahrzeugaufbautenhersteller und Zurrmittelhersteller in allen Details untersucht und technisch belegbar sind. 

Die Polizei kontrolliert die Einhaltung direkt ab dem Stichtag. Wie wird die Einhaltung dieser Richtlinie aussehen? 

Neunfinger: VDI-Richtlinien beschreiben den aktuellen Stand der Technik. Ab 1. September 2024 legen die drei Richtlinien den neuen Stand der Technik dar. Übergangsfristen gibt es nicht. Somit gilt ab September der Inhalt der Richtlinien. Da die Richtlinien in der Ausführung den § 22 STVO ergänzen, sind alle Beteiligten Akteure angehalten zum Stichtag die Richtlinie zu erfüllen. Die Kontrollorgane werden der neuen Richtlinienreihe entsprechend ihre Überprüfungen durchführen, somit ist den Fahrzeughaltern zu empfehlen, dass sie sich vom Aufbautenhersteller des Transportfahrzeuges oder einer Prüforganisation bestätigen lassen, dass ihr Fahrzeug den neuen Anforderungen entspricht.  Auch sollten sie überprüfen, ob ihre Ausrüstung, wie Radvorleger oder Zurrgurte, dem neuen Regelwerk gerecht wird.

Wenn Sie ein Spediteur oder eine Spediteurin wären, was würden Sie jetzt konkret tun?

Neunfinger: Als Spediteur bin ich bereits über die Veränderungen informiert, denn es gab vor Erscheinen der Richtlinien bereits verschiedene Informationsveranstaltungen.  Wenn dies aber alles nicht ausreichend war, sollte sich der Spediteur als Erstes mit seinem Aufbautenhersteller in Verbindung setzen, um zu erfahren, ob sein Transporter den neuen Richtlinien bereits entspricht bzw. welche Nachbesserungen zu erfolgen haben. Der Lkw des Spediteurs wird sicherlich bereits dann auf Erfüllen der aktuellen Richtlinie überprüft werden, wenn er seine Ladung beim Hersteller abholt. Denn alle uns bekannten Hersteller werden ihre Verladerichtlinien den neuen VDI-Richtlinien anpassen und vom Spediteur erwarten, dass sowohl der Transporter als auch der Fahrer entsprechen geeignet ist. Übrigens: Ein Transportfahrzeug kann auch ein Kleintransporter eines Autohauses sein, der nur einen Pkw transportiert. Ich gehe davon aus, dass es in dem Bereich große Unwissenheit gibt.  

Was sind die möglichen Konsequenzen für Unternehmen, die die neuen Vorschriften nicht einhalten? Welche Strafen oder Sanktionen könnten verhängt werden?

Neunfinger: Wenn der Transporter den Richtlinien nicht entspricht, wird er höchstwahrscheinlich nicht mehr bei einem OEM beladen, also eine erhebliche wirtschaftliche Folge erleiden. Bei der Kontrolle auf der Straße drohen ihm Bußgeld, Punkte in Flensburg bis hin zur Untersagung der Weiterfahrt – also wieder ein wirtschaftlicher Schaden. Bußgelder können den Fahrer aber vor allem den Halter treffen, wenn das Fahrzeug nicht ordnungsgemäß ausgestattet ist. 

Wie sieht es aus, wenn ich von anderen Ländern komme und die VDI 2700 nicht einhalte und dann in Deutschland kontrolliert werde?

Neunfinger: Auf deutschen Straßen gilt deutsches Recht. Der § 22 STVO mit seinen Auslegungen kommt somit auch für den ausländischen Transporter in Anwendung. Da die VDI-Richtlinie speziell für Deutschland gilt, habe ich als Mitglied im deutschen Normenausschuss den Antrag gestellt, die VDI-Richtlinien für den Transport von Fahrzeugen in eine europäische Norm zu überführen. Da jetzt die Richtlinien auch in englischer Sprache vorliegen, können sich andere EU-Länder mit dem Inhalt befassen und hoffentlich irgendwann zu einem europäischen Regelwerk geführt werden.

Gibt es Schulungsangebote für die Änderungen durch die VDI-Richtlinie?

Neunfinger: Am 20. September 2024 besteht die Möglichkeit sich auf der IAA Transportation in Hannover über die Veränderungen der VDI-Richtlinien informieren zu lassen. Die Veranstaltung ist meines Wissen kostenlos. Weitere Angebote gibt es sicherlich von Prüfgesellschaften oder Zurrmittelhersteller. TÜV Süd bietet beispielsweise solche Seminare an.

Zum Schluss noch die Frage: Wie sieht die Zukunft der Ladungssicherung in Deutschland aus? 

Neunfinger: Ladungssicherung ist etabliert in Deutschland. Wichtig ist eine Übertragung auf Europa. Selbstverständlich gibt es dort auch Regeln zur Ladungssicherung, aber sie sollten im Rahmen der EU vereinheitlicht werden. Zurück zu uns nach Deutschland: Ob es zukünftig noch weitere Richtlinien geben wird, kommt auf die Interessengruppen an. 

Danke für das Gespräch, Herr Neunfinger.

Interview: Sarah Janczura, Marco Dadomo

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