Resiliente Unternehmen meistern Krisen besser

Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, Energieknappheit – in Deutschland stören zunehmend Krisen Wertschöpfungsketten und Betriebsabläufe in Unternehmen. Eine VDI-Studie hat deren Widerstandsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit untersucht und Maßnahmen zusammengestellt, die die Resilienz von Unternehmen stärken.
Unternehmen in Deutschland bewegen sich in einem zunehmend krisengeschüttelten Umfeld. Um langfristig erfolgreich zu sein, müssen sie Resilienzstrategien entwickeln. Denn in einer instabilen Welt mit Energieknappheit, Pandemien, Kriegen und Extremwetter bestehen nur widerstands- und wandlungsfähige Unternehmen, die die für sie individuell passende Balance zwischen Stabilität und Flexibilität gefunden haben. Doch die Zahl und Vielfalt der verfügbaren Resilienzmodelle ist groß.
Die VDI-Studie Widerstandsfähigkeit und Wandlungsfähigkeit von produzierenden Unternehmen am Standort Deutschland hat im Jahr 2023 Leitlinien, Modelle und Handlungshilfen zur Resilienz von Unternehmen in Deutschland untersucht. Ziel der Studie war es festzustellen, wie Unternehmen mit Herausforderungen umgehen und wie sie ihre Resilienz stärken (können). Mit Hilfe der sogenannten Desk Research-Methode wurden Berichte von internationalen Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen, Marktstudien, Statistiken und Online-Quellen gesammelt und analysiert und daraus Handlungsempfehlungen abgeleitet.
Die Studie beschreibt die verschiedenen Ansätze und untermauert sie mit konkreten Praxisbeispielen. Auftraggeber war die VDI-Gesellschaft Materials Engineering, durchgeführt hat sie VDI Research 1. Ein Sounding Board unter Leitung von Prof. Dr.-Ing. Christian Hopmann (Institut für Kunststoffverarbeitung der RWTH Aachen und Vorsitzender der VDI-Gesellschaft Materials Engineering (GME)) hat die Studie fachlich begleitet.
Unternehmen in der Polykrise
Seit der Finanzkrise im Jahr 2008 befindet sich die Welt quasi dauerhaft in der Polykrise: Ökonomische, soziale und (geo-)politische Krisen treten nicht nur immer öfter gleichzeitig auf, sie verstärken sich außerdem gegenseitig. Im Wirtschaftsstandort Deutschland gehören die schwankende Auslandsnachfrage, hohe Energie- und Rohstoffpreise, wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen, Cyberrisiken, Fachkräftemangel und fragile Lieferketten zu den größten Geschäftsrisiken. Als etwa im Frühjahr 2021 ein Frachter den Suezkanal blockierte, mussten andere Schiffe große Umwege fahren und es entstanden Versorgungsengpässe.
Unternehmensstrategie Resilienz
Auch mit der Corona-Pandemie sind Resilienz und Krisenvorsorge in den Fokus von Unternehmen gerückt. Die Mehrheit (85%) der in der Studie befragten Unternehmerinnen und Unternehmer haben sich seitdem intensiver mit den Themen nachhaltiges Handeln, Krisenmanagement und Notfallplanung auseinandergesetzt. Rund die Hälfte plant die Überarbeitung ihrer Risikoabsicherungspolitik. Resilienz bedeutet in Unternehmen, dass diese mit veränderten sozialen, wirtschaftlichen oder politischen Rahmenbedingungen umgehen und sich individuell daran anpassen können, kurz: dass sie Krisen überstehen und bestenfalls sogar gestärkt daraus hervorgehen.
Für produzierende Unternehmen in Deutschland heißt das, die für sie passenden Vorkehrungen für ihre Widerstandsfähigkeit zu treffen, um sich auf neue Bedingungen einstellen zu können. Resilienz beinhaltet zentrale Elemente des klassischen Risikomanagements: präventiver Ansatz, Fokus auf Vorhersehbarkeit und statische Planung. Sie geht jedoch über die reine Prävention hinaus, richtet den Fokus auf auch Unvorhersehbarkeit und setzt auf kontinuierliches Lernen und Verbessern.
Spannungsfelder der Unternehmensresilienz
Effizienz oder Resilienz? Oft ein Zielkonflikt für Unternehmen. Um auf Krisen vorbereitet zu sein, entstehen zusätzliche Kosten für Reserven und Resilienzmaßnahmen. Deren Nutzen zeigt sich aber erst in der Zukunft – oder gar nicht, wenn Störungen nicht eintreten. Keine Maßnahmen und Fokussierung nur auf die kurzfristige Effizienz kann hingegen zu empfindlich erhöhter Verwundbarkeit in Krisen führen. Es gilt, die richtige Balance zu finden. Vier Spannungsfelder hat die Studie als besonders relevant identifiziert:
- Kosten versus Notfallpläne: Optimierung der Betriebsausgaben bei gleichzeitigem hohen Maß an Sicherheit
- Flexibilität versus Regulierungsanforderungen: Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen, ohne die Fähigkeit zur schnellen Anpassung an Veränderungen zu verlieren
- Lokale versus globale Resilienz: Balance finden zwischen der Absicherung gegen globale Risiken und der Bewältigung lokaler Herausforderungen
- Nachhaltige Entwicklung versus kurzfristige Resilienz: Kurzfristige Ziele wie die Versorgungssicherheit können langfristigen Veränderungen wie der Nutzung erneuerbarer Energien entgegenstehen.
Überblick über Resilienz-Modelle und Handlungshilfen
Die VDI-Studie fasst die wichtigsten Resilienz-Modelle zusammen, denn die schiere Menge an verfügbaren Handlungshilfen und Leitfäden für Resilienzstrategien in Unternehmen ist kaum zu überblicken. Sie sind zudem oft auch branchenspezifisch. Institutionen wie etwa die Fraunhofer Gesellschaften, Fachhochschulen und Verbände wie der VDI stellen Checklisten, Methoden zur Risikoanalyse, Empfehlungen für den Aufbau von Krisenmanagement-Strukturen und Tipps zur Optimierung von Lieferketten und Produktionsprozessen zur Verfügung. Zu den wichtigsten zählen ISO-Normen, die etwa die Sicherheitsprozesse innerhalb einer Lieferkette oder das Risikomanagement regeln.
Manche Modelle und Konzepte bieten neben den theoretischen Grundlagen auch praktische Werkzeuge, um Unternehmensresilienz zu entwickeln, etwa das „Rahmenmodell für Resiliente Wertschöpfung“ vom Fraunhofer-Verbund Produktion oder der „Resilienzleitfaden“ der Plattform Industrie 4.0. Auch der „Resilienz-Kompass“ des Instituts der Deutschen Wirtschaft ist explizit praxisorientiert. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt Unternehmen mit der Förderrichtlinie „Dynamische Wertschöpfungsnetzwerke im turbulenten Umfeld – Aufbau von Resilienz in produzierenden Unternehmen“.
VDI-Kompendium Unternehmensresilienz
Der VDI hilft Unternehmen mit mehreren Instrumenten, Resilienz aufzubauen: Der VDI ZRE Baukasten Ressourceneffizienz etwa stellt eine strukturierte Sammlung von Wissen, Beispielen und Entscheidungshilfen bereit, VDI ZRE-Apps wie Kostenrechneroder Ressourcenchecks bieten Werkzeuge zur Ressourceneffizienz praktisch auf dem Handy.
Das VDI-Kompendium Unternehmensresilienz sammelt systematisch deutschsprachige Handlungshilfen wie Leitfäden, Normen, Checklisten, Good Practice-Anleitungen und andere Ressourcen. Das Nachschlagewerk soll Unternehmen Hilfe zur Selbsthilfe bieten und es ihnen unkompliziert ermöglichen, Good Practice anderer auch bei sich umzusetzen. Die Handlungshilfen sind nach fünf Lösungsansätzen strukturiert:
- Ressourceneffizienz: Schonung von Ressourcen und Reduzierung der Abhängigkeit von Rohstoffmärkten
- Diversifizierung: Abhängigkeiten in Beschaffung und Produktion reduzieren
- Reservenbildung: Schutz vor Lieferengpässen
- Arbeitsorganisation und -prozesse: Steigerung der Flexibilität und Widerstandsfähigkeit
- Digitalisierung / Automatisierung: Wettbewerbsfähigkeit erhöhen und Prozesse beschleunigen.
Im Anhang der Studie sind schließlich insgesamt 130 Handlungshilfen, Normen und Leitfäden für und von unterschiedlichen produzierenden Unternehmen gesammelt – auf welchem Ansatz der Fokus liegt, ist jeweils markiert. Andere Unternehmen können damit leichter die zu ihnen passenden Krisenbewältigungsstrategien finden.
Der deutschen Politik empfiehlt die Studie unter anderem, Anreizsysteme zur Förderung von Resilienz zu schaffen, verbindliche Notfall- und Krisenübungen zu unterstützen, ein standardisiertes Resilienz-Monitoring zu etablieren und Maßnahmen gegen Cyber-Risiken zu verstärken. Die europäische Politik sollte zudem nationale Frühwarnsysteme sowie stärkere Netzwerke zwischen Unternehmen aufbauen.
Autor: Content Qualitäten
Fachliche Ansprechperson:
Dr.-Ing. Hans-Jürgen Schäfer
VDI-Gesellschaft Materials Engineering
Telefon: +49 211 6214-254
E-Mail: schaefer@vdi.de