Mit Kleinfahrzeugen sicher und nachhaltig in die Zukunft
„Zukunft gemeinsam gestalten. Innovationen für Mensch und Umwelt“ ist das Motto des Deutschen Ingenieurtags (DIT) 2023. Da stellt sich die Frage, welche Rolle Mobilität in der Zukunft spielt. Wie können wir das Bedürfnis nach individueller Mobilität befriedigen und trotzdem sparsam mit Ressourcen umgehen?
An einer Antwort arbeitet Prof. Jan Friedhoff. Er leitet die Abteilung Fahrzeugbau an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg und ist Mitglied im VDI-Fachbeirat Kraftfahrzeugtechnik in der VDI-Gesellschaft Fahrzeug- und Verkehrstechnik.
VDI: Warum braucht es eine Breakout-Session zu Kleinfahrzeugen der Zukunft?
Friedhoff: Die ideale Mobilität findet auf kurzen Wegen und zu Fuß, per Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln statt. Dennoch lassen sich damit nicht immer und nicht überall Bewegungs- und Transportbedürfnisse stillen.
Hierfür ist in der Regel ein PKW die Lösung. Der wird gerne nach dem jeweiligen größten anzunehmenden Transportbedarf gekauft und ist damit für die alltägliche Individualmobilität deutlich überdimensioniert. Kleinere Fahrzeuge benötigen weniger Ressourcen für Herstellung und Betrieb als größere Fahrzeuge – physikalisch trivial, aber im europäischen Zulassungsrecht gibt es eine Lücke zwischen der PKW-Klasse M1 (Beispiel: VW Up!) mit sehr umfangreichen Anforderungen und den Leichtfahrzeugklassen L (Beispiel Renault Twizy), deren gesetzliche Restriktionen die mögliche Sicherheit und Komfort begrenzen. Hier könnte eine neue Zulassungsklasse M0 die Lücke schließen und effiziente und sichere Kleinfahrzeuge auf dem europäischen Markt ermöglichen, um eine bedarfsgerechte und nachhaltige Individualmobilität anbieten zu können.
VDI: Der DIT 2023 steht unter dem Motto: „Zukunft gemeinsam gestalten. Innovationen für Mensch und Umwelt.“ Was können neue Mobilitätskonzepte dazu beitragen?
Friedhoff: Mobilität ist ein menschliches Grundbedürfnis – und gleichzeitig geht mit der Befriedigung dieses Bedürfnisses ein großer Ressourcenverbrauch mit entsprechender Umweltbelastung einher. Wir wollen die gesetzliche Möglichkeit schaffen, dass das Mobilitätsbedürfnis zukünftig mit einem Ressourcenverbrauch einhergeht, der besser an den tatsächlichen individuellen Bedarf angepasst werden kann – und das ohne die notwendige Sicherheit und den angenehmen Komfort zu vernachlässigen. Besonders im urbanen Bereich lässt sich so auch der Raumbedarf der Individualmobilität deutlich reduzieren und erleichtert die zukünftige Gestaltung der Städte.
VDI: Welche Rolle spielen Kleinfahrzeuge für den Zukunftsstandort Deutschland?
Friedhoff: Mit den Kleinfahrzeugen wird ein neues Marktsegment geschaffen – preiswerter und nachhaltiger als kleine PKW, aber attraktiver und anspruchsvoller als es die Leichtfahrzeugklassen aktuell ermöglichen. Bisherige Leichtfahrzeuge sind durch das gesetzlich vorgeschriebene Maximalgewicht mit unattraktiven Einschränkungen in Sicherheit, Komfort und Wetterschutz begrenzt erfolgreich. Viele große Hersteller ziehen sich aus den kleinen PKW-Segmenten der M1 Klasse zurück, da es die gesetzlichen Anforderungen erschweren, preislich und wirtschaftlich attraktive Angebote auf den Markt zu bringen. Hier erschließt eine Differenzierung nach unten neue Möglichkeiten.
VDI: Inwiefern wird Individualmobilität dadurch nachhaltiger?
Friedhoff: Die beschriebenen Kleinfahrzeuge könnten, wie gesagt, die Lücke im europäischen Zulassungsrecht zwischen PKW und Leichtfahrzeugen schließen. Im Vergleich zu einem durchschnittlichen PKW ließe sich der Energieverbrauch so um 20 bis 50 Prozent verringern. Dadurch könnten Hersteller ihre Flotten-Emissionen reduzieren und entsprechende Produkte rentabel auf den Markt bringen.
Außerdem könnten alle, die ihren PKW nur für den Arbeitsweg und Einkäufe nutzen, ohne Komfortverzicht mit Kleinfahrzeugen die Umwelt, Verkehrs- und Parkflächen sowie ihren Geldbeutel entlasten.
Interview: Gudrun Huneke
Fachlicher Ansprechpartner:
Dipl.-Ing. Christof Kerkhoff
VDI-Topthema Mobilität der Zukunft
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