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Telemedizin und Wearables

Mit innovativen Technologien Patienten aus der Ferne versorgen

Bild: Halfpoint via Getty Images

Die Zahl an Patientinnen und Patienten mit chronischen Erkrankungen nimmt Jahr für Jahr zu. Ihre Betreuung lässt sich verbessern, wenn Ärztinnen und Ärzte mit Echtzeit-Daten arbeiten. Als Hürden gelten der Datenschutz – und die Akzeptanz.

Telemedizin und Wearables haben einige Parallelen. Beide Technologien ermöglichen es Ärztinnen und Ärzten, medizinische Daten aus der Ferne zu überwachen, Diagnosen zu stellen und Therapien einzuleiten bzw. zu optimieren. Aufgrund der Echtzeit-Daten können Health Professionals schneller reagieren. Sie sehen Veränderungen des Gesundheitszustands teilweise deutlich früher, bevor Beschwerden auftreten. Außerdem gelten Telemedizin und Wearables als Lösungen, um den Zugang zur medizinischen Versorgung zu verbessern – etwa in ländlichen Gegenden ohne leicht erreichbare Arztpraxis[1]. Ein Blick auf Details.

Telemedizin: Kommunikationstechnologien für die Versorgung

Seit der COVID-19-Pandemie hat Telemedizin einen enormen Aufschwung erlebt[1]. Sie ermöglichte es Patientinnen und Patienten, medizinische Beratung zu erhalten, ohne ein erhöhtes Risiko einzugehen, sich in einer Arztpraxis oder in einem Krankenhaus zu infizieren. Selbst während der Lockdowns konnten Menschen, die keine schwerwiegende Erkrankung hatten, versorgt werden, etwa zur Verlaufskontrolle bei verschiedenen Erkrankungen.

Dieser Boom ist nicht nur auf stabile, sichere Technologien zurückzuführen, sondern auch auf regulatorische Erleichterungen: Auf dem 121. Deutschen Ärztetag 2018 haben Delegierte beschlossen, das bislang geltende Fernbehandlungsverbot zu lockern. Zuvor durften Ärztinnen und Ärzte ihre Patientinnen und Patienten nur persönlich untersuchen bzw. behandeln. Diese Lockerung gilt als entscheidender Schritt, um die Telemedizin voranzubringen[2].

Die Entwicklung ging Schlag auf Schlag weiter. Als als erste telemedizinische Leistung wurde im Jahr 2022 das Telemonitoring von Menschen mit Herzerkrankungen in den „Einheitlichen Bewertungsmaßstab“ (EBM) aufgenommen – und kann von Arztpraxen nun als Teil der Regelversorgung abgerechnet werden[1]. Über ein telemedizinisches Zentrum werden Vitalparameter, etwa Blutdruck oder elektrophysiologische Parameter, erfasst und ausgewertet. 

Weitere Einsatzbereiche der Telemedizin

Doch die Möglichkeiten sind damit längst nicht ausgereizt. In den Bereich der Telemedizin gehört auch die Teleradiologie: Patientinnen und Patienten werden vor Ort mit Technologien der Bildgebung untersucht, etwa Ultraschall, Röntgen, Kernspin- oder Computertomografie. Zur Befundung werden die Daten an räumlich entfernte Fachärztinnen und Fachärzte übermittelt. Auch die Besprechung von Diagnosen gelingt über digitale Kanäle wie Videosprechstunden. Das spart Zeit, vor allem bei Notfällen, und ermöglicht die Versorgung vor Ort auch ohne Spezialistinnen bzw. Spezialisten[1].

Die Telechirurgie wiederum ermöglicht chirurgische Eingriffe aus der Ferne, unabhängig vom Standort eines Krankenhauses. Dabei steuert eine Chirurgin bzw. ein Chirurg mit besonderer Expertise Instrumente über eine Schnittstelle, die mit einem Roboter verbunden ist. Diese Roboter führen die Bewegungen des Operateurs präzise und in Echtzeit aus[2].

Daten mit Wearables erfassen und auswerten

Doch zurück zum derzeit wichtigsten Einsatzbereich der Telemedizin, der medizinischen Überwachung von Patientinnen und Patienten. Hier spielen auch Wearables eine zentrale Rolle. Branchenschätzungen zufolge nutzen in Deutschland 23 Prozent aller Menschen ein Wearable zur Gesundheitsüberwachung[1].

Die kleinen Geräte werden am Körper getragen. Sie sammeln mit Sensoren verschiedene Daten wie den Blutdruck, den Blutzucker (HbA1C), den Puls, die Sauerstoffsättigung, die Herzfunktion (EKG), die Körpertemperatur, das Bewegungsmuster und viele mehr. Die gesammelten Daten werden an eine App auf dem Smartphone bzw. auf der Smartwatch oder direkt in die Cloud übertragen. Algorithmen werten sie aus und informieren über Gesundheit bzw. Fitness. Oder Ärztinnen bzw. Ärzte rufen die Daten im Zuge eines Monitorings ab, um Veränderungen der Gesundheit möglichst früh zu erkennen.

Ein Anwendungsszenario: Schlecht eingestellte HbA1C-Werte (Blutzucker-Werte) bei Diabetes vergrößern das Risiko von Folgeerkrankungen des Auges, der Nieren bzw. der Nerven. Als Problem gilt, dass Messungen über einen Tropfen Blut aus dem Finger nur Momentaufnahmen sind. Sogenannte rtCGM-Systeme (real-time Continuous Glucose Monitoring) verbessern die Stoffwechsellage. Sie bestehen aus einem Sensor unter der Haut, einem Transmitter zur Datenübertragung und einem mobilen Gerät zur Auswertung bzw. Anzeige der Daten in Echtzeit – und zur Optimierung der Therapie. Auch eine Insulinpumpe lässt sich damit steuern[2]. Mit Wearables gelingt damit ein Schritt in Richtung der personalisierten Medizin: Die Behandlung orientiert sich am Individuum, nicht an einer großen Gruppe von Personen.

Hürden überwinden

Doch ist auch bei Wearables nicht alles Gold, was glänzt. Zu den Herausforderungen für Firmen zählt die Zulassung als Medizinprodukt in den Risikoklassen I (niedriges Risiko) bis III (hohes Risiko)[1]. Auch die Genauigkeit der Sensoren wird wichtiger denn je. Bleibt als möglicherweise größte Herausforderung, Menschen zu motivieren: Nicht alle Patientinnen und Patienten sind bereit, Wearables zu tragen, vor allem, weil sie Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes haben[2].

Autor: ContentQualitäten


Fachlicher Ansprechpartner im VDI:
Simon Jäckel
VDI-Thema Gesundheit
E-Mail: medizintechnik@vdi.de

 

Literaturverweise

[1] McKinsey & Company (Hrsg.): E-Health Monitor 2022. Deutschlands Weg in die digitale Gesundheitsversorgung – Status quo und Perspektiven. E-Health Monitor. Berlin: MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2022

[2] Tersalvi, G., Winterton, D., Cioffi, G. M., Ghidini, S., Roberto, M., Biasco, L., Pedrazzini, G., Dauw, J., Ameri, P. u. Vicenzi, M.: Telemedicine in Heart Failure During COVID-19: A Step In-to the Future. Frontiers in cardiovascular medicine 7 (2020), S. 612818

[3] 121. Deutscher Ärztetag: Beschlussprotokoll, letzter Abruf: 29. August 2024, https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/_old-files/downloads/pdf-Ordner/121.DAET/121_Beschlussprotokoll.pdf

[4] Spethmann, S. u. Köhler, F.: Telemedizin bei chronischer Herzinsuffizienz – von klinischen Studien zur Regelversorgung. Der Internist 63 (2022) 3, S. 266–273

[5] Deutsche Röntgengesellschaft: Teleradiologie und Befundung, letzter Abruf: 29. August 2024, https://www.apt.drg.de/media/document/14657/Sendler-Medizinische-Tablets-fuer-die-Befundung.pdf

[6] Bayerische TelemedAllianz: Was ist Telechirurgie? Letzter Abruf: 29. August 2024, https://www.telemedallianz.de/themenfelder/telemedizin/telechirurgie

[7] Macwelt: Apple Watch & Co.: Wearable-Markt in Deutschland stagniert, letzter Abruf: 29. August 2024, https://www.macwelt.de/article/2046546/apple-watch-wearable-markt-deutschland.html,

[8] Diabinfo: Kontinuierliche Glukosemessung, letzter Abruf: 29. August 2024, https://www.diabinfo.de/leben/behandlung/kontinuierliche-gewebezuckermessung.html

[9] TÜV Süd: Smarte Prüflösungen für medizinische Wearables, letzter Abruf: 29. August 2024, https://www.tuvsud.com/de-de/-/media/de/product-service/pdf/broschueren-und-flyer/mhs/wearables.pdf

[10] Mone, V, Shakhlo, F: Health Data on the Go: Navigating Privacy Concerns with Wearable Technologies Published online by Cambridge University Press, 17. November 2023, letzter Abruf: 29. August 2024, https://www.cambridge.org/core/journals/legal-information-management/article/abs/health-data-on-the-go-navigating-privacy-concerns-with-wearable-technologies/05DAF11EFA807051362BB39260C4814C

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