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Menschen bestmöglich versorgen

Additive Fertigung personalisierter Medizinprodukte – innovative Lösungen für die Therapie

Bild: Monty Rakusen via Getty Images

"One size fits all" passt selten – auch nicht in der Medizin. Moderne Konzepte sind patientenindividuell, um die Versorgung zu optimieren. Ein Blick auf den Status quo und auf Perspektiven.

Die personalisierte Medizin gehört zu den modernen Konzepten der Versorgung von Menschen. Ziel ist, Diagnostik, Therapie und Prävention auf die individuellen Eigenschaften einer Patientin oder eines Patienten abzustimmen.

Anders als bei der traditionellen „One-size-fits-all“-Medizin berücksichtigt die personalisierte Medizin Informationen über Anatomie, Genetik, Lebensstil und Umweltfaktoren einer Person, um sie maßgeschneidert zu versorgen. Der Ansatz verspricht effektivere Therapien bei höherer Kosteneffizienz, verglichen mit der Standard-Herangehensweise. Er eignet sich für alle Indikationen; besonders viele Studien existieren zu onkologischen Krankheitsbildern[1]. Aber auch die Medizintechnik hat die Vorteile personalisierter Ansätze für sich entdeckt.

Welchen Mehrwert haben personalisierte Medizinprodukte?

Bei der Individualisierung von Medizinprodukten lassen sich drei Stufen unterscheiden[2]:

  • Es gibt Fertigprodukte in bestimmten Größen oder Maßen, etwa bei Bandagen. Ärztin oder Arzt wählen das bestmögliche Produkt aus.
  • Halbfertigfabrikate bestehen aus einer identischen Grundstruktur, die durch weitere Komponenten individualisiert wird, etwa bei Exoprothesen.
  • Medizinprodukte, beispielsweise Endoprothesen, lassen sich durch additive Verfahren komplett individualisiert herstellen.

Bei welchen Erkrankungen kommen personalisierte Medizinprodukte zum Einsatz?

Zu den Einsatzgebieten gehören beispielsweise die Chirurgie bzw. die Orthopädie: Endoprothesen werden implantiert, um erkrankte oder beschädigte Gelenke durch künstliche Gelenke zu ersetzen. Dies geschieht, wenn konservative Behandlungsmethoden wie Physiotherapie, Schmerzmedikamente oder andere Strategien nicht mehr ausreichen, um die Beschwerden zu lindern und die Funktion des betroffenen Gelenks wiederherzustellen.

In der Kardiologie wiederum kommen Herzschrittmacher, implantierbare Defibrillatoren, Herzklappen oder Stents (Gefäßstützen) als Medizinprodukte zum Einsatz. Sie sind derzeit eher auf Gruppen von Patientinnen oder Patienten als auf Individuen zugeschnitten. Das gilt auch für Dispensiersysteme, sprich Geräte, um Arzneimittel gezielt abzugeben. Dazu zählen Pumpsysteme, die Insulin gezielt abgeben, etwa Closed-Loop-Systeme (Stichwort „künstliche Bauchspeicheldrüse“).

Mit der additiven Fertigung zu personalisierten Medizinprodukten

Doch hier zeichnet sich ein Paradigmenwechsel ab: Moderne Technologien verringern die Hürden für personalisierte Medizinprodukte; bewährt haben sich additive Verfahren[3].

Zuerst sammeln Ärztinnen und Ärzte genaue Daten über die Anatomie der zu behandelnden Person. Hier eignen sich bildgebende Verfahren wie die Computertomographie (CT) oder die Magnetresonanztomographie (MRT). Hochauflösende Bilder werden verwendet, um ein 3D-Modell des zu ersetzenden Körperteils oder der Knochenstruktur zu erstellen. Mithilfe von CAD-Software (Computer-Aided Design) entsteht aus den gesammelten Bilddaten ein präzises 3-D-Modell des Implantats. Es entspricht genau der Anatomie und berücksichtigt alle Besonderheiten des Individuums, um sicherzustellen, dass das Implantat perfekt passt. Die Daten werden anschließend an einen Drucker übertragen.

Je nach Anwendungsbereich des Implantats wählen Ärztinnen und Ärzte das geeignete Material aus. Häufig verwendete Materialien für 3-D-gedruckte Implantate sind Titan, Polymere, Keramiken oder biokompatible Kunststoffe. Titan kommt bei orthopädischen Implantaten zum Einsatz, da es sowohl leicht als auch extrem stabil ist.

Ein Blick auf mögliche Verfahren:

  • Selektives Laserschmelzen (SLM): Dieses Verfahren eignet sich für metallische Implantate. Metallpulver wird schichtweise aufgetragen, durch einen Laserstrahl geschmolzen und verfestigt. Jede Schicht wird schrittweise aufgebaut, bis das gesamte Implantat vollständig ist.
  • Stereolithographie (SLA): Für Implantate aus Kunststoffen oder biokompatiblen Harzen kommt die Stereolithographie zum Einsatz. Hierbei wird flüssiges Harz schichtweise mit einem UV-Laser ausgehärtet.
  • Fused Deposition Modeling (FDM): Dieses Verfahren hat sich für Prototypen oder für Implantate aus thermoplastischen Kunststoffen bewährt. Ein Kunststoff-Filament wird geschmolzen und Schicht für Schicht aufgetragen.

Nach dem Druckprozess muss das Implantat noch nachbearbeitet und vor der OP sterilisiert werden.

Medizinprodukt trifft Therapie

Doch additive Verfahren bieten perspektivisch noch viel mehr. Mit neuer Technologie gelingt es, eine Beschichtung zur Förderung des Zellwachstums tief im Inneren von Knochenimplantaten herzustellen, damit sich Implantate leichter mit Knochen verbinden[4].

Hier nutzt das Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST einen Plasma-Jet, der reaktive Aminogruppen auf die Implantatoberfläche aufbringt, um das Zellwachstum zu fördern. 3-D-Druck und Beschichtung erfolgen kombiniert im selben Gerät: eine kostengünstige und umweltfreundliche Herangehensweise.

Das Implantat selbst, gefertigt aus einem speziellen Copolymer, imitiert die Struktur von natürlichen Knochen und kann individuell angepasst werden. Mechanische Stabilität und Funktionalität lassen sich über Füllstoffe und Beschichtungen steuern.

Das Verfahren befindet sich derzeit noch im Labormaßstab und soll weiterentwickelt werden.

Autor: ContentQualitäten

Fachlicher Ansprechpartner im VDI:
Dipl.-Ing. Simon Jäckel
VDI-Thema Gesundheit
E-Mail: tls@vdi.de

Literaturverweise

[1] Bundesministerium für Bildung und Forschung: Personalisierte Medizin, https://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/personalisierte-medizin-9457.php, abgerufen am: 27.08.2024.

[2] Merck KGaA: Passend gemacht: Medizin aus dem 3D-Drucker, 2023. https://www.merckgroup.com/de/research/science-space/envisioning-tomorrow/precision-medicine/additive-manufacturing.html, abgerufen am 27.08.2024.

[3] 2022-03. DIN EN ISO/ASTM 52900. Additive Fertigung - Grundlagen - Terminologie. https://www.beuth.de/de/norm/din-eniso-astm-52900/344258696, abgerufen am: 27.08.2024.

[4] Fraunhofer Geselslchaft: Passgenaue Knochenimplantate aus dem Drucker, https://www.fraunhofer.de/de/presse/presseinformationen/2018/dezember/passgenaue-knochenimplantate-aus-dem-drucker.html, abgerufen am: 27.08.2024.

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