Lehre in Zeiten von Corona
Die Corona-Pandemie: ein ungewolltes Großexperiment. Doch neben all den gesundheitlichen Risiken und der allgemeinen Verunsicherung entstehen Chancen. So stößt die Lage zum Beispiel die Digitalisierung im beruflichen Alltag und in der Lehre an.
Eines ist sicher: Viele der digital unterstützten sowie der vollständig digitalen Lehrkonzepte funktionieren. Sie wurden zwar Schritt für Schritt und nacheinander eingeführt; aber sie funktionieren. Doch von heute auf morgen muss alles gleichzeitig geschehen, und am besten schon gestern passiert sein – Digitalisierung im Zeitraffer, sozusagen. Für langes Konzipieren bleibt keine Zeit. Denn in dieser Krise ändert sich der Status Quo rasant. Zudem kann niemand sagen, wie sich die Situation in vier Wochen darstellt.
Deshalb lautet das derzeitige Motto: The show must go on. Und wie viele Lernende gerade sehr intensiv erleben ist der weitere Betrieb ausschließlich mit digitalen Hilfsmitteln möglich. Dass sich wegen der aktuellen Lage keine mündlichen und schriftlichen Prüfungen durchführen lassen, ist nur die Spitze des Eisbergs, die Lehrkräfte seit einiger Zeit umtreibt. Angesichts aller negativen Auswirkungen der Pandemie müssen Hochschulen schließlich praxistaugliche Zukunftsperspektiven für die digitale Lehre entwickeln.
Präsenzlehre digitalisiert aufbereiten
„Gefragt sind Lösungen, um auch Präsenzlehre digitalisiert aufzubereiten – und zwar nicht hochpolierte, sondern durchaus sogenannte Quick-and-Dirty-Varianten“, sagt Prof. Dr. phil. Ingrid Isenhardt vom Lehrstuhl für Informationsmanagement im Maschinenbau an der RWTH Aachen. Ihrer Meinung nach gilt die Devise: Jetzt machen statt nur denken. Denn grundsätzlich lerne man ja nicht nur aus dem Feedback, was im Reinraum unter Experimentalbedingungen in der Petrischale entsteht, sondern vor allem aus einem: aus Fehlern.
Was in dieser Zeit im Lehrkontext wichtig ist? Dies sei Fehlertoleranz, so Isenhardt. Wenn nämlich etwas nicht funktioniert, dann sei auch das ein brauchbares Resultat. Dabei müsse jetzt gelten: Alles ist erlaubt, quasi „Probieren geht über Studieren“. Denn „Not macht ja oft auch erfinderisch. Um zum Beispiel die Kármánsche Wirbelstraße zu erklären, eignet sich vielleicht auch ein im Homeoffice selbstgedrehtes Video vom Milchkaffee, den man sich in der Mittagspause zubereitet“, meint Isenhardt.
Vielfältige Möglichkeiten, die Lehre effizient und schnell zu digitalisieren
Die aktuelle Krise stellt eine große Chance zur flächendeckenden Weiterentwicklung und Akzeptanz von Lehr- und Lernkonzepten, die auf rein digitalen Tools und Methoden basieren. Isenhardt hält fest: „Wir haben in dieser besonderen Situation vielfältige Möglichkeiten, die Lehre effizient und schnell zu digitalisieren. Aber wir sollten nicht lange überlegen und tüfteln, sondern ausprobieren und umsetzen. Zeit für Perfektionismus bleibt aktuell nicht“. Daher müsse es möglich sein, mit „Mut zur Lücke“ auch auf Prototypen oder bereits entwickelte, aber bisher nicht validierte Konzepte zurückgreifen zu können.
„Insbesondere in den Ingenieurwissenschaften geht es um die Anwendung und Umsetzung von theoretischem Wissen. Die digitale Lehre darf also nicht nur auf die Vermittlung von Theorie ausgelegt sein, sondern muss auch interaktive Formate mit Zugang zu praktischen Erfahrungen bieten“, sagt Isenhardt. „Dabei ist die direkte Rückkopplung mit den Studierenden essenziell. Denn wir müssen sichergehen, dass auch ankommt, was vermittelt wurde. Und wir müssen durch das Feedback Probleme identifizieren und herauszufinden, welche Methoden Erfolg haben“.
Ein Beispiel aus dem Bereich der Ingenieurlehre ist die ELLI Lab Library des Projekts ELLI 2 (Abkürzung für: „Exzellentes Lehren und Lernen in den Ingenieurwissenschaften“). Dieses Portal ermöglicht Ingenieurstudierenden den Zugriff auf Labore remote oder virtuell.
Autor: Frank Magdans