Ingenieurinnen gesucht
Im Wintersemester 2019/20 waren nur ein Viertel der Studienanfänger in den Ingenieurwissenschaften weiblich. Auch auf dem Ingenieurarbeitsmarkt sind Frauen unterrepräsentiert, nur rund 18 Prozent aller erwerbstätigen Ingenieur*innen sind Frauen, Tendenz steigend. Durch den demografischen Wandel zeichnet sich jetzt schon eine dramatische Verringerung des Erwerbspersonenpotenzials ab. Dies wird sich auch auf den Ingenieurarbeitsmarkt auswirken.
Bereits 2015 stellte der VDI gemeinsam mit dem Institut der Deutschen Wirtschaft in einer Studie fest, dass bis 2029 die starke Generation der Babyboomer in Rente gehen wird und damit auch 710.000 Ingenieurinnen und Ingenieure altersbedingt den Arbeitsmarkt verlassen werden. Ein Weg, diesen Verlust an Fachkräften in den klassischen Ingenieurberufen abzumildern, ist es, mehr junge Frauen für den Ingenieurberuf und die Aufnahme eines Ingenieurstudiums zu begeistern. Doch wie sieht die aktuelle Situation von Ingenieurinnen auf dem Arbeitsmarkt aus?
Regionale Analyse der Erwerbstätigkeit von Ingenieurinnen deckt Defizite auf
Im VDI/IW-Ingenieurmonitor 2020/I ist untersucht worden, in welchen Regionen Deutschlands besonders viele Ingenieurinnen arbeiten. Folgende Abbildung zeigt die Situation auf Basis der aktuell verfügbaren Daten (Stichtag: 31. Oktober 2019) differenziert nach Bundesländern. Im Bundesschnitt belief sich der Frauenanteil an allen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in den klassischen Ingenieurberufen auf 18,2 Prozent.
Neun Bundesländer liegen über diesem Schnitt, darunter sämtliche ostdeutschen Flächenländer und Berlin. Mit Hessen (19,4 Prozent) kommt das erste westdeutsche Flächenland erst auf Platz acht. Die südwest- und süddeutschen Bundesländer weisen hingegen einen zum Teil deutlichen Rückstand bei der Beschäftigung von Ingenieurinnen auf.
Die (traditionell) deutlich technikaffiner erfolgende Studien- und Berufswahl ostdeutscher Frauen – von der frühkindlichen MINT-Förderung über die schulische Leistungskurswahl bis zu den deutlich höheren Anteilen von Ingenieurstudentinnen – ist der Hauptgrund für die großen Erfolge der ostdeutschen Bundesländer. Gerade die süddeutschen Bundesländer und auch NRW haben jedoch angesichts eines besonders geringen Anteils weiblicher Ingenieurarbeitskräfte beim Thema Fachkräftesicherung einen hohen Handlungsbedarf. Gelingt es letzteren nicht, zeitnah diesbezügliche Erfolge zu entwickeln und deutlich mehr Ingenieurinnen als bislang zu gewinnen, lassen sich die demografischen Probleme im Ingenieurbereich dort nicht bewältigen – mit potenziell gravierenden Folgen für die regionale Wirtschaft.
Beschäftigung von Ingenieurinnen in kreisfreien Großstädten am höchsten
Geht man in der regionalen Analyse auf die Ebene der Kreise und kreisfreien Städte fällt darüber hinaus auf: Die Beschäftigung von Ingenieurinnen ist in kreisfreien Großstädten am höchsten (20,7 Prozent). Alle anderen Kreistypen, von den dünn besiedelten ländlichen Kreisen (17,3 Prozent) bis zu den städtischen Kreise (15,7 Prozent) liegen unter dem Schnitt und weisen einen großen Rückstand auf.
Diese Tatsache lässt sich dadurch erklären, dass ein besonders großer Teil der Ingenieurbeschäftigung in den Großstädten auf baunahe Berufe entfällt und der Frauenanteil in letzteren deutlich höher liegt als in den industrienahen Ingenieurberufen. Umgekehrt finden sich klassische, in der Regel kapital- und platzintensive Industriearbeitgeber oft in den Speckgürteln um die Großstädte, sprich in den städtisch geprägten Kreisen – nah genug an den Universitäten und Hochschulen, jedoch weit genug von den hohen Bodenpreisen der Großstädte entfernt. Zum anderen ist die Präferenz akademisch qualifizierter Frauen für einen großstädtischen Arbeits- und Wohnort in den letzten zwei Jahrzehnten gestiegen.
Wie lassen sich mehr junge Frauen für den Ingenieurberuf begeistern?
Der Weg um junge Frauen und Mädchen für die Aufnahme eines technischen Studiums zu begeistern, beginnt bereits in der frühkindlichen technischen Bildung. Bereits hier Interesse für technische Lösungen und Herangehensweisen zu wecken, ist Ziel technischer Bildung.
Des Weiteren hilft es, an den Hochschulen Fakultätsgrenzen zu überwinden. Eine Verzahnung von Disziplinen begeistert weiblichen Nachwuchs mehr als die klassischen Ingenieurfächer. Interdisziplinäre Studiengänge wie Raumplanung, Medizinische Informatik, Geoökologie oder Umwelttechnik lassen bereits in ihrer Bezeichnung eine gestalterisch-kreative, ökologische oder medizinisch-gesundheitliche Ausrichtung und eine spätere sinnstiftende Tätigkeit erkennen.
Last but not least gilt es, in der Arbeitswelt Vielfalt zu nutzen und gleiche Chancen zu eröffnen.
Ansprechpartner:
Ingo Rauhut
Ausbildung und Arbeitsmarkt
E-Mail-Adresse: rauhut@vdi.de