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Wie Biotechnologie hilft die Auswirkungen zu mildern

Gesundheitsrisiko Klimawandel

Bild: MW 3DStudio/Shutterstock.com

Der Klimawandel hat vielfältige Auswirkungen. Auch unsere Gesundheit ist davon negativ betroffen. Die Folgen reichen von Kreislaufproblemen und Überhitzung über Lungenkrankheiten und der Ausbreitung von bislang bei uns unbekannten Infektionskrankheiten bis hin zur Verfügbarkeit von gesunder und sicherer Nahrung und Wasser. 

Die Biotechnologie kann wichtige Beiträge dazu leisten, sich an die veränderten Klimabedingungen und deren Folgen anzupassen. Wie diese konkret aussehen und welche Chance sie für die Zukunft bieten, erklärt uns Frau Dr. Claudia Englbrecht von BIO Deutschland e.V. 

VDI: Hitzebedingte Herz- und Kreislaufprobleme sind bekannte Risiken für die Gesundheit. Allerdings birgt die globale Erwärmung weitaus mehr Gesundheitsprobleme. Womit haben wir hierzulande zu rechnen?

Dr. Claudia Englbrecht: Der Klimawandel führt bei uns zu zunehmend heißeren Sommern und milderen Wintern. Die Hitze hat nicht nur direkt Einfluss auf unser Wohlbefinden. Auch die Pflanzen- und Tierwelt wird dadurch natürlich beeinflusst. 

Bäume blühen zum Beispiel früher und länger, so dass sich die Pollensaison verlängert. Durch die zusätzliche Luftbelastung mit Feinstaub und Stickoxiden in Städten kann sich außerdem die Allergenität von Pollen erhöhen. Für Allergiker sind das keine guten Aussichten. 

Zudem verändern sich die Verbreitungsgebiete von Insekten und Zecken, die Infektionserreger übertragen. So können Zecken mittlerweile sogar im Winter aktiv bleiben. Die Zeckenpopulationen wachsen und mit ihnen breiten sich die Erreger der Borreliose oder der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) aus. Auch neue Zeckenarten aus den Tropen verbreiten sich aufgrund der gestiegenen Temperaturen bei uns und bringen bisher nicht relevante Infektionserreger nach Deutschland.  Gleiches gilt für neue Mückenarten, die bei uns heimisch werden, wie beispielsweise die asiatische Tigermücke, die Zika, Chikungunya- oder Dengue-Fieber übertragen kann. 

VDI: Welchen Beitrag kann die Biotechnologie hierbei leisten?

Dr. Claudia Englbrecht: Es gibt verschiedene Ansatzpunkte, um die Ausbreitung von Überträgerarten bzw. Infektionen mithilfe der Biotechnologie einzudämmen. 

Ein altbekannter Weg ist die Entwicklung von Impfstoffen. So gibt es ja schon seit längerem einen wirkungsvollen Impfstoff gegen FSME. Auch gegen das Dengue-Fieber sind bereits zwei Impfstoffe verfügbar. Der erste Impfstoff eines österreichischen Biotechnologie-Unternehmens gegen das Chinkungunya-Fieber steht kurz vor der Zulassung. Dasselbe Unternehmen testet auch einen Impfstoff-Kandidaten gegen Borreliose in fortgeschrittenen klinischen Studien.

Ein Ansatz, der ganz neu ist und sich noch in der früheren Entwicklungsphase befindet, ist ein Impfstoff gegen Zecken selbst. Dieser soll dazu führen soll, dass Zecken schon kurz nach dem Biss wieder loslassen. Gelingen soll das, indem eine Immunantwort gegen Eiweißstoffe im Speichel der Zecken hervorgerufen wird.

Eine in Nord- und Südamerika schon angewandte Methode greift direkt in die Fortpflanzung von Mückenpopulationen ein. Dabei werden männliche Mücken genetisch so verändert, dass ihre weiblichen Nachkommen sich nicht zur Geschlechtsreife entwickeln können. Dies führt zu einer deutlichen Reduktion von Mückenpopulationen. Natürlich gibt es auch Kritiker an diesem Ansatz, da genetisch veränderte Mücken ausgebracht werden. 

Zwar hat die Biotechnologie noch kein Mittel gegen Pollenflug gefunden, allerdings wird auf Hochtouren an neuen wirksamen Medikamenten gegen Asthma geforscht. So arbeitet ein deutsches Biotech-Unternehmen an einer neuen Molekülklasse, die sehr spezifisch und lokal in der Lunge gegen Asthma wirkt.

VDI: Welche Rolle spielt Deutschland bei der Entwicklung?

Dr. Claudia Englbrecht: Deutschland ist ein starker Forschungsstandort. Die Impfstoff- und Therapieprogramme, die ich schon genannt hatte, sind zum Teil aus Deutschland. Die Entwicklung des Impfstoffs gegen Zecken kommt z.B. von der TU Braunschweig und wird mit dem Förderprogramm „Gründungsoffensive Biotechnologie“ (GO-Bio) vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. 

Ein weiteres spannendes Projekt zum Thema Asthma wird ebenfalls durch GO-Bio unterstützt. Forschende aus München haben Bestandteile aus Stallstaub identifiziert, die das Entstehen von Asthma verhindern könnten. Das Ziel ist, eine Anwendung zur Verfügung zu stellen, die Kinder vor einer Asthmaerkrankung schützt. 

Trotz der Forschungsstärke hierzulande fehlt es aber leider immer noch an ausreichenden Finanzierungsquellen, um vielversprechende Ansätze zur Marktreife zu bringen.

VDI: Im Zuge des Klimawandels wird es immer wichtiger, ausreichend und gesunde Nahrung zur Verfügung zu stellen. Hier könnten auch Methoden zur Genom-Editierung, wie die kürzlich mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Genschere CRISPR/Cas, eine Rolle spielen. Welche Chancen und Risiken ergeben sich aus diesen Entwicklungen?

Dr. Claudia Englbrecht: Offensichtlich erschwert der Klimawandel auch die Landwirtschaft in weiten Teilen der Welt. Wir brauchen also dringend Nutzpflanzen, die Hitze, Trockenheit, Versalzung und Wind standhalten, gute Erträge liefern und nährstoffreich sind. Ein weiterhin guter Ernteertrag ist auch deshalb so wichtig, weil eine Ausweitung der Landnutzung - z.B. durch Waldrodung - wieder zu Lasten des Klimas und der Biodiversität geht. 

Die Genom-Editierung ist ein fantastisches Werkzeug, um Pflanzen zu erforschen und Pflanzen sehr gezielt und relativ schnell so zu verändern, dass sie gewünschte Eigenschaften haben. Dies ist übrigens auch nur möglich, weil wir schon Jahre in die Erforschung des Erbguts von Nutzpflanzen investiert haben.

In der Datenbank von EUSAGE (European Sustainable Agriculture Through Genome Editing) über genom-editierte Nutzpflanzen finden sich aktuell 733 Einträge, allein 60 davon zu Veränderungen, die Pflanzen helfen sollen, mit abiotischem Stress (z.B. Hitze, Salz) klarzukommen. Diese Pflanzen sind noch nicht auf dem Markt. Man sieht aber, wie viel hier geforscht wird. Die Chancen sind wirklich groß, dass wir damit bessere Nutzpflanzen in kürzerer Zeit als bei der konventionellen Züchtung oder der herkömmlichen Gentechnik bekommen. Risiken sind bei sehr kleinen Veränderungen im Genom, die auch auf natürliche Weise entstehen können, nicht zu erwarten. Es ist ja sogar so, dass diese kleinen Veränderungen nicht nachweisbar sind, wenn nicht explizit angegeben wird, wo im Erbgut sie eingeführt wurden. Entsprechend werden Nutzpflanzen mit solchen Veränderungen in vielen Ländern nicht mehr nach dem Gentechnikrecht reguliert. Bei größeren Veränderungen sollten natürlich etwaige Risiken für das Ökosystem nach dem Vorsorgeprinzip geprüft werden.

VDI: Neben Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel sind Maßnahmen zum Klimaschutz auch weiterhin unabdingbar. Die Bioökonomie gilt als ein Schlüssel für eine klimaneutrale Wirtschaft. Wo sehen Sie hier die größten Chancen, auch für den Wirtschaftsstandort Deutschland?  

Dr. Claudia Englbrecht: Der Bioökonomierat der Bundesregierung bezeichnet die Bioökonomie als Teile der Wirtschaft, die auf biologischen Ressourcen und dem Wissen zu deren Nutzung basieren. Das Ziel ist nachhaltiges Wirtschaften. Die Bioökonomie umfasst die Erzeugung, Erschließung und Nutzung biologischer Ressourcen, Prozesse und Systeme, um Produkte, Verfahren und Dienstleistungen in allen wirtschaftlichen Sektoren herzustellen. Man hat sich heute darauf verständigt, dass Biomasse solange wie möglich im Kreislauf gehalten und stofflich genutzt werden sollte, bevor sie energetisch verwertet wird, d.h., dass auch Rest- und Abfallströme wertvolle Materialien sind. 

Wichtig ist, dass Biomasse nicht einfach nur fossile Ausgangsstoffe ersetzt, sondern Produkte und Verfahren verbessert und nachhaltiger macht. Hier spielt die Biotechnologie eine wichtige Rolle. Mit der Biotechnologie können biologische Baustoffe hergestellt, tierische Eiweiße ganz ohne Tier produziert, Biogasanlagen optimiert, Alkohole aus CO2 von Rauchgasanlagen gewonnen, Biokraftstoffe aus Reststoffen oder bioabbaubarem Bioplastik hergestellt werden, um nur ein paar Beispiele zu nennen.  

All diese Produkte basieren auf Fermentationsprozessen. Damit das Scale-up vom Labor- in den Industriemaßstab gelingen kann, ist eine Verzahnung von Biologie bzw. Biotechnologie mit Ingenieur-Know-how unerlässlich. Der Fachbereich  Biotechnologie des VDI spiegelt die Symbiose dieser Disziplinen durch seine Besetzung und seine Projekte wider, z.B. anhand der Richtlinie zu Bioraffinerien.

Technik allein kann die Herausforderungen des Klimawandels nicht eindämmen. Dennoch müssen technische Innovationen Teil unserer Bemühungen sein, den Klimawandel zu bremsen und die Erde für uns und alle anderen Arten bewohnbar zu halten. 

Interview: Catharina Fröhling und Johanna Vondran

Zur Person: Dr. Claudia Englbrecht ist Biologin und bei BIO Deutschland e.V. für den Bereich Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation, den Technologietransfer und die Deutschen Biotechnologietage verantwortlich.

Ansprechpersonen:
Dipl.-Geogr. Catharina Fröhling / Johanna Vondran, M.Sc. 
Projektkoordination „Herausforderung – Anpassung an den Klimawandel
E-Mail: klimaanpassung@vdi.de 

Dr. Martin Follmann
VDI-Fachbereich Biotechnologie
E-Mail: biotechnologie@vdi.de  

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