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DIT 2025 – Fachsession VDI-WoMentorING

Auf dem Weg zum erfolgreichen Start-up

Trotz anhaltender Krisenstimmung erlebt die deutsche Start-up-Szene einen Aufschwung: 2023 wurden 2.766 Wachstumsfirmen gegründet – ein Anstieg von rund 11 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, wie Daten des Start-up-Verbands zeigen. Neben etablierten Metropolen wie Berlin und München gewinnen auch forschungsnahe Standorte wie Heidelberg an Bedeutung. Doch wie gelingt der Schritt von der Idee zum erfolgreichen Unternehmen?

Dr. Ansgar Schleicher kennt die Herausforderungen von Gründerinnen und Gründern aus erster Hand. Im Interview spricht er über die praktischen Essentials einer Unternehmensgründung und die wichtigsten Weichenstellungen auf dem Weg zur eigenen Firma.

VDI: Gute Ideen gibt es viele. Und die Gründungsbereitschaft in Deutschland wächst. Wie steht es um die Start-up Szene bei uns?

Ansgar Schleicher: Als Schulnote würde ich uns in Deutschland momentan ein „befriedigend +“ geben. Wir sind nicht schlecht aber auch noch nicht richtig gut. Wir haben zwei sehr starke Start-up-Zentren nämlich München und Berlin. Auch Aachen, das Rheinland, Karlsruhe, Heidelberg und Heilbronn entwickeln sich da gut aber in vielen Start-up-bezogenen Kennzahlen sind wir als gesamtes Land in Europa nicht top. Das betrifft beispielsweise das Finanzierungsvolumen aber auch die Zahl der Unicorns und die Zahl der Gründungen insgesamt. Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen könnten besser auf Start-ups und Start-up-Investments angepasst werden. Positiv gesprochen: Wir haben noch eine Menge Potenzial und das wollen wir auch heben.

VDI: Warum sollten Menschen ein Start-up gründen – und welche Motivation braucht es?

Ansgar Schleicher: Aus meiner Erfahrung gibt es kaum einen Weg sich schneller beruflich weiterzuentwickeln als ein Unternehmen zu gründen. Das schubst einen zwar ordentlich aus der Komfortzone, dafür kann man innerhalb weniger Jahre Dinge, die man in einem Angestelltenverhältnis wahrscheinlich nach zehn Jahren noch nicht beherrschen würde. Die Motivationen zu gründen sind unterschiedlich. Hilfreich ist, wenn man ein Mensch ist, der große Gestaltungsräume schätzt, sehr leistungsbereit ist und der etwas bewegen und verändern will.

VDI: Was sind aus Ihrer Sicht die größten Fallstricke, die junge Start-ups vermeiden sollten?

Ansgar Schleicher: Fehler sind ja in der frühen Gründungsphase nicht schlimm. Aus denen lernt man und in meiner Erfahrung sind die Learnings aus Fehlern, jene die am besten haften bleiben. Aber es gibt vielleicht Dinge, die man früh durchdenken sollte, zum Beispiel mit wem man eigentlich gründet. Schon dieser Schritt brauch ein gutes Maß an Professionalität und realistischer Einschätzung, was das angedachte Team an Skills besitzt und welche man gegebenenfalls, zusätzlich braucht. Auch sollte man früh den Blick heben, und von der eigenen Lösung oder Technologie auf den Markt und die Anwendung schauen. Nicht wenige Start-ups scheitern daran, dass sie zu lange an dem aus ihrer Sicht perfekten Produkt gebaut haben, und dann fand der Markt es nachher gar nicht so perfekt.

VDI: Wie finde ich als Gründerin die richtige Finanzierung? Was sollten Start-ups über Investoren und Fördermöglichkeiten wissen?

Ansgar Schleicher: Es gibt sehr viele Wege zu einer Finanzierung und was richtig ist, hängt sehr vom Zuschnitt des Start-ups ab, wie dem adressierten Markt, der Vertriebsstrategie, den Wachstumsambitionen und dem Geschäftsmodell. Wichtig ist, dass man früh mit Spezialisten dazu spricht, um eine für das Start-up passende Strategie aufzusetzen, denn man kann später nicht leicht zwischen verschiedenen Finanzierungsstrategien wechseln. Wir bieten regelmäßig „Sprechstunden“ für junge Gründungsteams an, so dass sie frühzeitig Kontakt zum Thema Finanzierung bekommen und einen Ansprechpartner persönlich kennen.

VDI: Die Entwicklung eines Unternehmens ist ein Marathon, kein Sprint – welche Meilensteine sind in der frühen Phase entscheidend?

Ansgar Schleicher: Es gibt zwei Meilensteine, die gleichzeitig ein wenig Stolpersteine in der Entwicklungsgeschichte eines Start-ups sind. Der erste Meilenstein ist die Erreichung des Product-Market-Fit und der Go-to-Market. Hier zeigt sich, ob die Gründungsidee grundsätzlich aufgeht und man tatsächlich für sein Produkt einen Zielmarkt hat. Gleichzeitig zeigt sich hier, ob das Team den Vertrieb gestemmt bekommt. Nicht selten geht ein Team davon aus, dass einige Social Media Posts die Produktnachfrage ausreichend ankurbeln werden und das ist nahezu nie der Fall. Hier zeigt sich zum ersten Mal die Anpassungsfähigkeit und der „Biss“ des Teams. Der zweite Meilenstein ist der Sprung vom jungen, maßgeblich aus Gründerinnen und Gründern bestehenden Start-up zum Unternehmen und Arbeitgeber. Dieser Schritt folgt häufig einem erfolgreichen Go-to-Market zügig nach, weil das Unternehmen jetzt mehr (Wo-)manpower braucht, um zu wachsen. Mit diesem Schritt rückt die Fähigkeit zur Führung und Kommunikation, zum Alignment und zur Motivation eines Teams in den Vordergrund. Für viele Gründer und Gründerinnen ist das ein harter Schritt, weil das Start-up jetzt ein bisschen die „Spaßzone“ verlässt. Auch Mitarbeiterende in Start-ups sind Arbeitnehmer mit allem, was dazu gehört. Das ist oft ein Kulturschock für das Gründungsteam, dass nicht zwangsläufig alle die gleiche, intensive Begeisterung für das Start-up mitbringen.

VDI: Welche Rolle spielen Netzwerke und Mentoring beim Aufbau eines Start-ups?

Ansgar Schleicher: Netzwerke schaden nur denen, die keine haben. Ohne Netzwerk wird es extrem schwer ein Startup erfolgreich zu bekommen. Über sein Netzwerk findet man beispielsweise häufig seine ersten Referenzkunden. Bei Mentoren bin ich etwas vorsichtiger. Die können einen sehr großen Effekt haben und für Start-ups großartige Sparringspartner und strategische Resonanz-Boards sein. Momentan suchen aber sehr viele nach Kontakt zu diesem ohne Zweifel spannenden Marktsegment, bringen aber gar nicht die notwendigen Skills mit. Insofern habe ich mich zuletzt auch häufiger in der Rolle wiedergefunden, durchaus wohlgemeinte Tipps anderer Mentoren wieder „einzukassieren“. Hier müssen Start-ups sehr genau selektieren und schauen wer wirklich weiterbringt. Die besten Mentoren sind die, die auch investiert haben, zum Beispiel Business Angels und VCs, denn die haben zwangsläufig gleichgeschaltete Interessen.

VDI: Gerade Ingenieurinnen und Ingenieure haben das Zeug Innovationen zu entwickeln. Oft fehlt aber die Erfahrung mit Unternehmertum – gibt es Besonderheiten für technikaffinen Gründerinnen und Gründer?

Ansgar Schleicher: Ja, gibt es. Es hilft früh die Einsicht zu haben, dass ich als Chefentwicklerin oder -entwickler und „Brain“ des Unternehmens nicht notwendigerweise auch CEO sein muss, zumindest nicht auf Dauer. Es macht auch Sinn sich sehr frühzeitig damit zu befassen, wer aus dem Gründungsteam später welche Schwerpunktrolle übernehmen soll, sei es Vertriebsleitung, Personalwesen, Finanzen und so weiter – also die Themen, die für Ingenieure und Ingenieurinnen eher fachfremd sind. Häufig entdeckt man dabei Lücken und die kann man durch gezielte Co-Founder-Suche schließen. Es ist inzwischen ein häufig anzutreffendes Modell, dass sich technische Gründungsteams mit einem Entrepreneurship-Absolventen oder einer Absolventin der WHU oder dem Gründungszentrum der RWTH verstärken und nicht selten ist das später der oder die CEO des Unternehmens.

Interview: Gudrun Huneke

Dr. Ansgar Schleicher ist seit 2011 als Startup-Investor und -Coach aktiv und seit 2021 Vorstand der S-UBG AG sowie Managing Partner der TVF Management GmbH. Zudem ist er Aufsichtsratsmitglied der SOPTIM AG. 

Auf dem DIT 2025 spricht er in der Fachsession WoMentorING zum Thema "Wie gründe ich ein Start-up und warum sollte ich das tun?"

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