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Wie Maschinelles Lernen die Produktion verändert

Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen dringen immer weiter in die industriellen Produktionsabläufe vor. Schon heute unterstützen Maschinelle Lernsysteme Fertigung, Wartung und Reparatur von Produktionsanlagen. Was sind die aktuellen Entwicklungen? Wie sieht die Zukunft aus? Antworten von der VDI-Gesellschaft Mess- und Automatisierungstechnik.

Ingenieure von heute kommen an Künstlicher Intelligenz (KI) nicht mehr vorbei. In der Mess- und Automatisierungstechnik spielt besonders das Maschinelle Lernen (ML) eine immer größere Rolle. Wenn Prozesse zu kompliziert sind, um sie analytisch zu beschreiben, aber genügend Daten –  etwa Sensordaten oder Bilder – verfügbar sind, ist ML gefragt. Die Stärken von ML liegen in Bildverarbeitungsaufgaben, wie das Erkennen von Objekten oder deren Klassifizierung. Zeigen zum Beispiel einzelne Bilder Abweichungen von den Vorgaben, lassen sich daraus Störungen im Fertigungsablauf ableiten und ermöglichen es, frühzeitig gegenzusteuern.

Drei verschiedene Anwendungsfelder sind aus Sicht der Mess- und Automatisierungstechnik besonders geeignet, um ML einzusetzen: Bei Auswertungen in automatisierungstechnischen Komponenten, bei der Produktion und schließlich auch im weiteren Lebenszyklus der Produkte.
Ziel ist es, die Bedienbarkeit und Lebensdauer von Fertigungsanlagen zu optimieren, beziehungsweise zu verlängern. Das steigert die Produktqualität und schont gleichzeitig Ressourcen.

Optimierung im Produktionsablauf

Produktionsanlagen bestehen aus vielen einzelnen Komponenten, wie etwa Antriebselemente, Transport- oder Bedieneinheiten. Unterschiedliche Betriebszustände der einzelnen Komponenten, aber auch der Produktionsprozess selbst liefern eine Fülle von Messdaten: Betriebsstunden, Temperaturen, Spannungen, Ströme oder Geräusche. Diese Daten werden gesammelt und mit ML-Systemen analysiert. Ursachen für die Fertigung fehlerhafter Teile lassen sich so schneller und präziser ermitteln.

An der Schnittstelle zwischen Maschine und Mensch erkennen ML-Systeme häufig vorkommende Bediensequenzen und helfen, die Handhabung zu verbessern. So kann zum Beispiel ein Bedienpaneel einer Maschine mit einer neuen, intuitiven Menüführung ausgerüstet werden.

Die von ML-Systemen ausgewerteten Daten liefern aber auch Informationen zur Menge von Stoffen oder Materialien, die in einem Produktionsdurchgang zum Einsatz kommen. Die Anlage läuft unter optimaler Auslastung und so effizient wie möglich. Das erhöht die Qualität im Produktionsprozess und damit auch die Qualität der Produkte.

Rechtzeitige Wartung verlängert Lebenszyklus

Predictive Maintenance - also vorausschauende Wartung auf Basis historischer Daten - wäre ohne ML nicht möglich. In den Anlagen fest verbaute oder speziell zu Wartungszwecken eingesetzte Sensoren erheben Messwerte und machen Bilder. Beim Betrieb, der Wartung und Reparatur von Produktionsanlagen können aus diesen Daten mittels ML Rückschlüsse gezogen werden. Ungewohnte Geräusche oder ein höherer Stromverbrauch deuten auf beginnenden Verschleiß, Störungen oder einen Ausfall hin. Werden solche Alarmmuster rechtzeitig erkannt, wird die Wartung vorgezogen und Ausfälle oder Fehlproduktionen vermieden.

Aber nicht nur die Produktionsanlagen selbst, auch die einzelnen Produktbestanteile werden während des Produktionsprozesses kontinuierlich auf Schwachstellen hin überprüft. Mangelhafte oder ungeeignete Materialien fallen früher auf und können ausgetauscht werden, bevor eine ganze Charge umsonst gefertigt, oder, im schlimmsten Fall sogar die Anlage beschädigt wird.

Von den Produktionshallen in den Alltag

In der Mess- und Automatisierungstechnik ist ML im Bereich der Bildverarbeitung bereits erprobt. Die dort gewonnenen Erfahrungen lassen sich auf andere Technologiefelder übertragen.
In der Automobiltechnik wird die Bildverarbeitung mit Objekterkennung in Fahrassistenzsystemen eingesetzt. Die gebündelten Daten von Kameras, Radar- und Ultraschallsensoren befähigen das Fahrzeug, seine Umgebung zu erfassen, Objekte zu unterscheiden und rechtzeitig auszuweichen oder zu bremsen. Die Entwicklung des Autonomen Fahrens wäre ohne ML nicht denkbar.

Große Datenmengen zu verarbeiten, zu klassifizieren und analysieren, ist der Kern aller ML-Systeme. Das macht sich auch die bildgestützte Medizin zu Nutze. Ist das, was im MRT zu sehen ist, eine intakte Zelle oder ist sie krankhaft verändert? In umfangreichen Referenzdatenbanken sucht ML nach Mustern, die hilfreiche Hinweise für den aktuellen Fall liefern. Gerade in der Krebsdiagnostik und -behandlung unterstützt ML die Mediziner in ihren Entscheidungen.

Schließlich basiert auch die Wahrung der öffentlichen Sicherheit zunehmend auf ML. Erst durch die Analyse von Bildszenen, Objekten oder Personen und deren Emotionen kann das, was Überwachungskameras aufzeichnen, erfolgreich ausgewertet werden.

Die Zukunft des ML

Prognosen des European Information Technology Observatory (EITO) zufolge entsteht in den nächsten Jahren ein großer internationaler Markt für ML-basierte Produkte und Dienstleistungen. Allein für Europa wird das jährliche Wachstum von rund drei Milliarden Euro in 2019 bis auf 10 Milliarden Euro im Jahr 2022 geschätzt. Betroffen sind neben der industriellen Fertigung auch weitere, datenintensive Bereiche mit hohem Automatisierungspotenzial wie Transport, Gesundheitswesen und Energie. Die Herausforderung ist der Zugang zu hinreichend großen und qualitativ hochwertigen Datenbeständen. Vor allem in der industriellen Produktion ist hier noch Handlungsbedarf, wenn Deutschland im internationalen Wettbewerb mithalten will.

Der VDI-Statusreport "Maschinelles Lernen" aus November 2019 wird von der VDI-Gesellschaft Mess- und Automatisierungstechnik, Fachbereich Optische Technologien herausgegeben.

Lesen Sie auch folgende weitere Fachartikel zu diesem Statusreport:

Am Statusreport haben neben haupt- und ehrenamtlichen Experten des VDI auch Vertreter von Hochschulen, aus dem Karlsruher Institut für Technologie, dem Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung sowie Hersteller von industriellen Software- und Sensorlösungen mitgewirkt.


Autorin: Alice Quack
Redaktion: Thomas Kresser

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