Wie lässt sich das Klima vorhersagen?
Das Klima verändert sich. Wie sehr, hängt maßgeblich von den zukünftigen Treibhausgasemissionen ab. Um verschiedene Szenarien für die globalen, aber auch regionalen Veränderungen berechnen und somit vorhersagen zu können, braucht es große Rechenkapazitäten. Aber wie funktioniert das, Klima vorhersagen?
Die Meteorologie, die Lehre von den physikalischen und chemischen Erscheinungen und Vorgängen in der Atmosphäre, umfasst nicht nur die alltägliche Wettervorhersage, sondern auch das Klima, also die Untersuchung der langjährigen Statistik des Wetters.
Die meteorologischen Prozesse können mit mathematischen Gleichungen beschrieben und dann mit komplexen Computerprogrammen berechnet werden. Neben der täglichen Wettervorhersage kann auch das Klima, also der mittlere Zustand des Wetters, für die zukünftigen Jahrzehnte berechnet werden. Anders als bei der Wettervorhersage, spielen hier die Annahmen über die zukünftige Entwicklung von Treibhausgasemissionen eine entscheidende Rolle.
Vom Weltklimarat werden Klimaszenarien ausgewählt, die als Randbedingungen in Klimamodelle eingehen, um verschiedene mögliche zukünftige Entwicklungen zu modellieren. Die Szenarien stellen unterschiedliche mögliche Emissions-Entwicklungspfade der Zukunft dar; von einem Szenario, mit dem das Ziel der Pariser Klimakonferenz einzuhalten ist, bis zu einem Szenario, bei dem weiter auf fossile Brennstoffe gesetzt wird. Mit den Auswertungen kann man zum einen untersuchen, welche Klimaänderungen uns erwarten und welche Wirkung Klimaschutz hätte, oder zum anderen auf welche unvermeidlichen Klimaänderungen man sich in dem jeweiligen Szenario vorbereiten muss.
Klimaszenarien im Fünften Weltklimabericht
Im Fünften Weltklimabericht werden neue Erkenntnisse über den Klimawandel auf der Grundlage zahlreicher unabhängiger wissenschaftlicher Analysen von Beobachtungen des Klimasystems, Paläoklimaarchiven, theoretischen Studien über Klimaprozesse und Simulationen mit Klimamodellen zusammengefasst. Der Bericht dient beispielsweise als Grundlage für weitere Analysen und der Ableitung von Anpassungsmaßnahmen.
Für den Fünften Weltklimabericht wurden Szenarien für die Entwicklung der Konzentration von klimarelevanten Treibhausgasen in der Atmosphäre entwickelt, die sogenannten RCP (Representative Concentration Pathways). Bei diesen Szenarien handelt es sich um Konzentrationspfade, welche sehr unterschiedliche sozioökonomische Entwicklungen und, damit verbunden, unterschiedliche Auswirkungen auf den Strahlungshaushalt der Erde bzw. deren Energiehaushalt repräsentieren. Diese werden im Wesentlichen auf unterschiedliche zukünftige Änderungen der Treibhausgasemissionen zurückgeführt. Dabei stehen vier Klimaszenarien im Fokus: RCP2.6, RCP4.5, RCP6.0 und RCP8.5.
Was bedeuten die Klimaszenarien für Deutschland?
In den letzten Jahren traten in Deutschland bereits mehrere Jahre mit besonders heißen und trockenen Sommern auf (z.B. 2003, 2015, 2018 und 2019). Unter Annahmen des RCP8.5 Klimaszenario wären solche Sommer in naher Zukunft (2031-2060) immer noch recht seltene Sommer, am Ende des Jahrhunderts (2071-2100) würden sie jedoch als durchschnittliche Sommer gelten.
Die verschiedenen Szenarien
Die Ziffern in den Szenarien-Namen repräsentieren den unter den jeweiligen Annahmen zu erwartenden zusätzlichen Strahlungsantrieb am Ende des 21. Jahrhunderts gegenüber den vorindustriellen Werten von ca. 1850, also die dem Klimasystem zusätzlich zugeführte Energie in Watt pro Quadratmeter (W/m²).
RCP2.6 steht für ein Szenario, bei dem deutliche Anstrengungen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen unternommen werden.
- mittlerer globaler Temperaturanstieg < 2°C im Vergleich zum vorindustriellen Wert
- Anstieg der bodennahen Temperatur in Deutschland ca. 0,9 – 1,6 °C (2071–2100 im Vergleich zu 1971-2000)
- zusätzliche Strahlungsantrieb 2,6 W/m² im Jahr 2100
RPC4.5
- Anstieg der bodennahen Temperatur in Deutschland ca. 1,6 – 2,9°C (2071–2100 im Vergleich zu 1971-2000)
- zusätzliche Strahlungsantrieb 4,5 W/m² im Jahr 2100
RPC6.0
- zusätzliche Strahlungsantrieb 6,0 W/m² im Jahr 2100
Das RCP8.5 ist das sogenannte „Weiter-wie-bisher“-Szenario. Es werden keine Anstrengungen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen unternommen.
- mittlerer globaler Temperaturanstieg ca. 4,3°C im Vergleich zum vorindustriellen Wert
- Anstieg der bodennahen Temperatur in Deutschland ca. 3,1 – 4,7 °C (2071–2100 im Vergleich zu 1971-2000)
- zusätzliche Strahlungsantrieb 8,5 W/m² im Jahr 2100
Monatelange Rechenzeiten für globale Klimamodelle
Aussagen über das weltweite Klima der Zukunft können durch globale Klimamodelle getroffen werden. Diese umfassen neben Atmosphäre und Ozeanen auch Hydrosphäre, Biosphäre und Kryosphäre (Gesamtheit des gefrorenen Wassers auf der Erde) und werden daher auch Erdsystemmodelle genannt.
Klimamodelle basieren auf physikalischen Gleichungen zur Impuls-, Energie- und Massenerhaltung. Diese Gleichungen werden zunächst so vereinfacht, dass sie für einzelne Gitterpunkte gelöst werden können. Das Klimasystem wird mit einer großen Anzahl solcher Gitterpunkte überzogen, um alle drei Raumdimensionen einzubeziehen. Der Abstand der Gitterpunkte zueinander bestimmt die räumliche Auflösung des Klimamodells. Wegen der Vielzahl an Gitterpunkten werden die Gleichungen mit Hilfe von Supercomputern für jeden Gitterpunkt des globalen Gitternetzes gelöst. Die Rechenzeit solcher Modelle ist stark von ihrer räumlichen Auflösung abhängig und liegt zwischen circa zwei Monaten (Globalmodell, ca. 100 km² räumliche Auflösung) und einem halben Jahr (hochaufgelöste Regionalmodelle, ca. 3 km² räumliche Auflösung) für den gesamten Simulationszeitraum, also z. B. 1970 – 2100.
Wegen des großen Rechenaufwandes ist die Gitterweite in globalen Klimamodellen zu groß, um kleinräumige (lokalere) meteorologische Prozesse darzustellen (z. B. einzelne Wolken, sehr lokale Starkregenereignisse, Effekte durch stark variierende Oberflächengegebenheiten wie z.B. Großstadt und Umland). Ihre Effekte werden in den Modellen aber berücksichtigt, wobei empirisch abgeleitete Zusammenhänge von den großräumigeren Zuständen und Prozessen auf die kleinräumigeren Effekte genutzt werden. Diese Vorgehensweise wird Parametrisierung genannt.
Weltweit werden die Experimente mit globalen Klimamodellen im Projekt CMIP (WCRP Coupled Model Intercomparison Project) koordiniert. Somit entstehen abgestimmt diverse Simulationen mit unterschiedlichen Klimamodellen. Die aktuelle Modellgeneration ist CMIP6, die für Auswertungen des sechsten Weltklimaberichts verwendet wurde.
Mit Downscaling von globalen Ergebnissen zu regionalen Klimamodellen
Die Auflösung globaler Klimamodelle (mit Gitterabständen von derzeit mehr als 100 km) reicht noch nicht aus, um die Unterschiede in den Ausprägungen des Klimawandels in einer Region der Erde (z. B. Europa, Deutschland) detailliert zu beschreiben.
Hierfür werden regionale Klimamodelle mit einem engmaschigeren Netz von Gitterpunkten für bestimmte Regionen, beispielsweise Kontinenten eingesetzt. Weltweit gibt es eine Reihe verschiedener regionaler, dynamischer Klimamodelle, die alle mit den Ergebnissen der globalen Klimamodelle angetrieben werden. In den regionalen Modellen kann die Gitterweite bis auf horizontale Abstände von 1-20 km verringert werden, wodurch mehr Prozesse direkt von den – dem Modell zugrunde liegenden – Gleichungen abgebildet und weniger Prozesse parametrisiert werden. Zum Beispiel kann in den regionalen Klimamodellen die Topographie viel detaillierter dargestellt werden, die einen großen Einfluss auf lokale Wind- und Niederschlagsstrukturen hat.
Ein anderer Ansatz zur Verfeinerung globaler Informationen verwendet auf beobachteten Zeitreihen basierende statistische Methoden zur Übertragung von großräumiger Information auf die lokale Skala. Sie wird als empirisch-statistisches Downscaling bezeichnet.
Im Coordinated Downscaling Experiment (CORDEX, z.B. für Europa euro-cordex.net) werden basierend auf globalen Klimaprojektionen aus CMIP aufeinander abgestimmt regionale Klimaprojektionen von verschiedenen Instituten berechnet. Die entstehenden Klimaprojektionsensembles, also viele Klimamodellergebnisse für das gleiche Szenario, können dann regional ausgewertet und Bandbreiten der Klimaänderungen in der Zukunft abgeschätzt werden. Die aktuellen Auswertungen basieren hierbei auf der Generation CMIP5, die im Fünften Weltklimabericht ausgewertet wurde.
Klimawandel und Standardisierung
Im Zuge des im Dezember 2019 vorgestellten „European Green Deal“ erfährt die Standardisierung eine wesentliche Stärkung. Standards und Normen werden hier als ein wesentliches Mittel zur Eindämmung des anthropogen bedingten Klimawandels identifiziert. Im Zuge dessen wurde beispielsweise der CEN TC 467 „Climate Change“ gegründet, der die europäischen Aktivitäten auf dem Gebiet der Vermeidung von Treibhausgasemissionen und der Anpassung an die unvermeidlichen Folgen des Klimawandels koordiniert.
All diese und weitere Normungsaktivitäten benötigen robuste und verlässliche Klimadaten für Vergangenheit und Zukunft. Klimamodelle bilden hier die wesentliche Datenbasis.
Unter dem Arbeitsausschuss „Klima“ NA 134-02-02 AA in der VDI/DIN-Kommission Reinhaltung der Luft (KRdL) sind zahlreiche Projekte angesiedelt, die sich mit Thema Klima bzw. Anpassung an den Klimawandel befassen, z.B.:
- VDI 3785 Blatt 2 „Methodik bodengebundener Stadt– und Standortklimamessungen mit mobilen Messsystemen“
- VDI 3787 Blatt 8 „Stadtentwicklung im Klimawandel“
Vorhandene Richtlinien werden regelmäßig im Rahmen der anstehenden Aktualisierungen darauf hin geprüft, ob der fortschreitende Klimawandel Veränderungen erfordert. Die Anpassung und Erstellung neuer klimabezogener Richtlinien ist dabei ein dynamischer Prozess, der sich stets an den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen orientiert.
Bei DIN wurde jüngst der Normungs-Ausschuss 172-00-19 AA „Klimawandel“ samt vier Unterausschüssen
- „Minderung der Folgen des Klimawandels“
- "Anpassung an die Folgen des Klimawandels“
- „Klimaneutralität“ und
- „Treibhausgasemissionen von Transportoperationen“
ins Leben gerufen, um entsprechende internationale Aktivitäten auf nationaler Ebene zu spiegeln.
Grundlegende Richtlinien auf dem Gebiet der Anpassung an den Klimawandel:
- DIN EN ISO 14090:2020-02 „Anpassung an die Folgen des Klimawandels – Grundsätze, Anforderungen und Leitlinien“
- DIN EN ISO 14091:2021-07 „Anpassung an den Klimawandel "Wie arbeitet ein Headhunter - Teil 1" Vulnerabilität, Auswirkungen und Risikobewertung“ grundlegende Richtlinien auf dem Gebiet der Anpassung an den Klimawandel erarbeitet.
- Die ISO Reihe 14090 ff. „Anpassung an die Folgen des Klimawandels“ wird derzeit weiter ausgebaut.
Autor*innen: Nora Leps und Dr. Andreas Walter, Deutscher Wetterdienst
Ansprechpartnerin im VDI
Dr. rer. nat. Julia Nickel-Kuhn
KRdL-Fachbereich Umweltmeteorologie
E-Mail: nickel-kuhn@vdi.de