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Tag der Meteorologie

Wetterberatung für Großveranstaltungen

Bild: Malte Neuper

Das Wetter kann gerade bei Open-Air-Großveranstaltungen zur Gefahr für die Teilnehmenden werden. So wurden beispielsweise im Juni 2016 bei Rock am Ring in der Eifel durch Blitzschlag mindestens 51 Menschen verletzt, davon 15 Personen sogar schwer, und zwei Personen mussten reanimiert werden. Meteorologe Malte Neuper erklärt, wieso eine Wetterberatung für Großveranstaltungen sinnvoll ist und wie sie abläuft.

Die richtige Antizipation des Weitergeschehens ist nicht nur zum Schutz von Mensch und Gut wichtig, auch wirtschaftlich ist der Erfolg einer Open-Air-Veranstaltung in hohem Maße abhängig vom Wetter. Eine korrekte Wettervorhersage beeinflusst, ob im Vorfeld eher auf einen kühlen, erfrischenden Getränkevorrat oder doch auf Glühwein und wärmenden Fruchtpunch gesetzt werden soll. Eine richtige Wettervorhersage kann vor falschen Entscheidungen und damit vor einem substanziellen wirtschaftlichen Verlust schützen bzw. andersherum den wirtschaftlichen Erfolg unterstützen.

Gewitter, Sturm und Starkregen

Die Wetterelemente, um die es in der Regel bei der Vorhersage geht, sind an erster Stelle Gewitter mit Blitzschlag. Aber auch Niederschlag in jeglicher Form und Menge oder Wind, vor allem wenn er bestimmte Stärken überschreitet.  Selbst in Deutschland treten pro Jahr 20 bis 60 Tornados auf. Auch kühle oder heiße Temperaturen, sowie die Sonnenstrahlung, insbesondere im ‚sonnenbrand-relevanten‘ Bereich, nehmen Einfluss auf den Ablauf von Veranstaltungen.

Im Anwendungsfall gilt es, individuell auf die Anforderungen der Veranstaltung einzugehen. Hierbei ist die unterschiedliche Vulnerabilität der Teilnehmenden relevant. Es macht einen Unterschied, ob die Vorhersage für ein Open-Air-Opernfestival mit seinen empfindlichen Instrumenten und einem in der Regel älteren und daher nicht mehr so mobilen Publikum gemacht werden soll, oder ob ein Heavy-Metal-Festival betreut wird, bei dem knöchelhoher Schlamm fast schon zum charakteristischen Ambiente zählt. Verschiedene Sportarten sind ebenfalls unterschiedlich wetterabhängig. So führt mäßiger Regen bei einem Tennisturnier rasch zu einer Unterbrechung, während beim Fußball starker Regen erst einmal kein Grund dafür ist.

Veranstaltung abbrechen oder nicht?

Letztlich muss also bei der Veranstaltungswettervorhersage die Prognose genau auf den Ort und die Anforderungen der jeweiligen Bedürfnisse zugeschnitten werden. Am Ende muss der Veranstalter eine konkrete Entscheidung auf Basis der Prognose treffen.

Dies ist der wirkliche Nutzen einer Veranstaltungsüberwachung. Er liegt nicht in erster Linie darin eine Veranstaltung abzubrechen. Ein Abbruch ist einfach. Es geht vor allem darum, ob – trotz augenscheinlich aufziehendem Wetterunbill – die Veranstaltung doch durchgeführt werden kann. Zieht eine Gewitterzelle am Veranstaltungsort knapp vorbei oder nicht? Eine Prognose kann in der Meteorologie nur mit Wahrscheinlichkeiten arbeiten. Die mittlerweile verfügbaren meteorologischen Werkzeuge erlauben in vielen Situationen aber schon recht genaue Aussagen.

Jetzt hören: VDI-Podcast mit Malte Neuper

Wie läuft die Wettervorhersage ab?

Es beginnt mit dem klassischen Vorhersagetrichter, die Grundlage jeder belastbaren und wertigen Vorhersage. Dabei verschafft man sich erst einmal einen physikalisch basierten Überblick über die großräumigen Verhältnisse und Entwicklungen, z.B. woher die Luftmassen kommen oder was die großen Druckgebilde sind. Danach geht man immer mehr ins räumliche und zeitliche Detail, wobei die Vorhersage zunächst auf den aktuellen Wettermeldungen und den diversen Produkten nummerischer Wettervorhersagemodelle fußt. Daraus legt man sich eine Geschichte für den Tag zurecht. Das heißt: Basierend auf dem eigenen physikalischen Verständnis und der Erfahrung (mittels sogenannter konzeptioneller Modelle) visualisiert man mental für sich den kommenden Wetterablauf. Wenn dann im weiteren zeitlichen Verlauf – wenn sich das Wetter nun real zu entwickeln beginnt – neue Daten verfügbar sind, wird die zurechtgelegte Geschichte hinterfragt und ggf. entsprechend angepasst.

Frei verfügbare WetterApps stellen nur etwa 5% von dem dar, was in der Meteorologie genutzt wird. Gewitterentwicklungen etwa werden 3-dimensional betrachtet und untersucht, wie sich die Blitzrate entwickelt. Daneben stehen mit neuen Radarsystemen noch zahlreiche weitere Parameter zur Verfügung, die unter anderem deutlich neue Entwicklungsschübe im Gewitterzyklus anzeigen können oder sogar einen Zugriff auf mikrophysikalische Eigenschaften erlauben. Zum Beispiel, ob sich in einem Bereich eher kleine (runde) Tropfen befinden, oder größere, die abgeplattet sind?

Mit dem in der VDI 3786 Blatt 20 E beschriebenen Wetterradar kann die räumliche Verteilung des Niederschlags in einem größeren Umkreis um das Radar erfasst werden. Das Wetterradar stellt damit ein wesentliches Instrument für die flächendeckende Erfassung von Niederschlägen dar. Eine populäre qualitative Anwendung ist die Echtzeit-Darstellung von Niederschlagsgebieten und die Verbreitung dieser Darstellungen z. B. auf verschiedenen Internetportalen, die jedermann zugänglich sind. Zahlreiche professionelle Anwender nutzen die Daten des Radarnetzes und gegebenenfalls auch ergänzender spezieller Radarstationen zur Erfassung der Niederschlagsverteilung. Diese Richtlinie beschreibt bodengebundene Wetterradarsysteme mit Wellenlängen zwischen 3 cm und 10 cm. Diese Radarsysteme sind zur flächendeckenden Erfassung von Niederschlag und anderen Zielen bis zu mehreren 1.000 m Höhe über Grund geeignet.

Zukünftige Entwicklungen in der Meteorologie

Künstliche Intelligenz (KI) wird auch in der Wettervorhersage zunehmend verwendet, wo ja traditionell große Datenmengen anfallen. Das betrifft vor allem die mittelfristige Vorhersage, also den Bereich der Eventplanung. Auch sonst werden die Nowcast-Werkzeuge, die für die Bewertung des unmittelbar aufziehenden Wetters benutzt werden, zunehmend mit KI unterstützt um bessere Wahrscheinlichkeiten zu erhalten.

Daneben werden die klassischen nummerischen Wettervorhersagemodelle, die auf der Lösung physikalischer Gleichungen beruhen, anspruchsvoller. Die Auflösung steigt und damit können mehr Prozesse, die bisher nicht abgebildet werden konnten – sogenannte subskalige Prozesse – direkt aufgelöst werden. Außerdem werden die Parametrisierungen verbessert. Dabei handelt es sich beispielsweise um Prozesse im Bereich der mikroskaligen-Wolkenphysik. Wie schnell die Gefrierwärme von den gefrierenden Hydrometeoren abgeführt wird, ist teils entscheidend für die weitere Gewitterentwicklung, da bei einem konzentrierten Freiwerden der Wärme etwaige Aufwinde entscheiden verstärkt werden können.

Autor: Malte Neuper

Ansprechpartnerin im VDI:
Dr. rer. nat. Julia Nickel-Kuhn
KRdL-Fachbereich Umweltmeteorologie​​​​​​​
E-Mail: nickel-kuhn@vdi.de

Dipl.-Meteorologe Malte Neuper (Karlsruhe Institute of Technology) berät Veranstalter von Großveranstaltungen zu Wetterrisiken. Er forscht unter anderem über Gewitter und ist im VDI als Experte im Richtlinienauschuss VDI 3786 Blatt 20 aktiv.

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