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Studium

Wer darf sich Ingenieur oder Ingenieurin nennen?

Bild: Westend61 via Getty Images

Den Studienabschluss in der Tasche - aber bin ich jetzt auch Ingenieur? Immer wieder erreichen uns Anfragen dazu, wer den Titel "Ingenieur" bzw. "Ingenieurin" tragen darf. Dabei empfehlen wir ausdrücklich den Absolventen und Absolventinnen technisch-ingenieurwissenschaftlicher Studiengänge, die Berufsbezeichnung „Ingenieur" bzw. „Ingenieurin“ deutlich nach außen zu kommunizieren, sei es in den Social Media Profilen, in E-Mail-Signaturen, in Briefköpfen und auf Visitenkarten.

Der VDI rät Studierenden außerdem, sich durch die Hochschulen auf den Abschlussurkunden oder in einer anderen Form schriftlich bestätigen zu lassen, dass mit dem Abschluss des jeweiligen Studiums die Voraussetzungen zum Tragen der Berufsbezeichnung erfüllt sind. Ausschlaggebend ist hier das grundständige Studium, das heißt in der Regel der Bachelorabschluss. 

Weshalb besteht Unsicherheit?

Grund für die VDI-Empfehlungen sind regelmäßige Anfragen an den VDI bezüglich der Berufsbezeichnung „Ingenieur oder Ingenieurin“. Viele Absolventinnen und Absolventen sind verunsichert, weil die Hochschulen die vorhandenen Möglichkeiten zum Hinweis auf die Berechtigung zum Tragen der Berufsbezeichnung auf der Abschlussurkunde nicht nutzen oder bei Anfragen auf die Zuständigkeit anderer Stellen verweisen.

„In den Ingenieurgesetzen der einzelnen Bundesländer ist seit den 1970er Jahren explizit geregelt, wer sich Ingenieur oder Ingenieurin nennen darf. Während bei den alten  akademischen Graden „Diplom-Ingenieur/Ingenieurin“ und „Diplom-Ingenieur/Ingenieurin (FH)“ die Beziehung zwischen Abschlussgrad und Berufsbezeichnung klar erkennbar war, ist durch den Bologna-Prozess ein hohes Maß an Verunsicherung bezüglich der Rechtslage entstanden“, sagt Thomas Kiefer, im VDI u. a. für internationale Berufspolitik zuständig.

Wer darf sich Ingenieur oder Ingenieurin nennen?

  • Die Berechtigung zum Tragen der Berufsbezeichnung „Ingenieur" oder „Ingenieurin“ geht unmittelbar aus dem Ingenieurgesetz des Bundeslandes hervor, in dem der Ingenieurabschluss erworben wurde.
  • Grundvoraussetzung für die Berechtigung zum Führen der Berufsbezeichnung „Ingenieur" oder „Ingenieurin“ ist in allen Fällen der Abschluss eines grundständigen technisch-ingenieurwissenschaftlich-naturwissenschaftlichen Studienganges an einer anerkannten staatlichen oder privaten Hochschule in Deutschland.
  • Eine gesonderte Anerkennung, z. B. durch eine Ingenieurkammer, ist nicht notwendig.. Diese ist nur bei Ingenieurabschlüssen notwendig, die außerhalb Deutschlands erworben wurden.
  • Die Berechtigung zum Tragen der Berufsbezeichnung in einem Bundesland bedeutet, dass sich die Person in allen Bundesländern „Ingenieur" oder „Ingenieurin“ nennen darf.
  • Der Titelschutz gilt für alle Wortverbindungen und fremdsprachliche Varianten.

Da die deutsche Ingenieurausbildung nach wie vor ein sehr hohes Ansehen in der Welt genießt, fordert der VDI von den Hochschulen in Deutschland, die bestehenden Möglichkeiten zum Hinweis auf die Berechtigung zum Tragen der Berufsbezeichnung auf den Abschlussurkunden konsequent zu nutzen. Sie sollten ihrer Verantwortung gegenüber den Studierenden sowie den Absolventen und Absolventinnen gerecht werden und damit einen Beitrag zu mehr Klarheit und Transparenz leisten.

Autor und Ansprechpartner:
Dr. Thomas Kiefer
Ausbildung und Arbeitsmarkt
kiefer@vdi.de

125 Jahre Titel Dipl.-Ing und Dr.-Ing.

Begonnen hatte die Geschichte des „Dipl.-Ing.“ (und auch des Dr.-Ing.) am 11. Oktober 1899. An diesem Tag verfügte der Deutsche Kaiser Wilhelm II. in seiner Eigenschaft als König von Preußen per Erlass, dass an den Technischen Hochschulen das Studium als Diplom-Ingenieur und nach einer weiteren Prüfung als Doktor-Ingenieur abgeschlossen werden konnte. Zwar wurde das mit acht Tagen Verzögerung anlässlich der 100-Jahr-Feier der TH Berlin verkündet und galt erst einmal nur für Preußen, doch die anderen deutschen Staaten mit Technischen Hochschulen zogen in den Folgemonaten nach, zuletzt Bayern im Januar 1901. Ein Zugeständnis an die „altehrwürdigen“ Universitäten, die dem Ansinnen des VDI und der Technischen Hochschulen ablehnend gegenüberstanden, wurde allerdings gemacht: Im Gegensatz zu den langjährig etablierten akademischen Graden dort waren „Dipl.-Ing.“ und „Dr.-Ing.“ in deutscher statt in lateinischer Schrift zu schreiben.

Eine der ersten Frauen in Deutschland, die ein Ingenieurstudium mit Diplom abschlossen, war Ilse Knott-ter Meer, die 1925 das erste offizielle weibliche VDI-Mitglied wurde. Sie hatte in den 1920er-Jahren an den Technischen Hochschulen in Hannover und München Maschinenbau studiert.

Autor:
Dr.-Ing. Christoph Sager

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