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Reportage: Jugend forscht – Bundeswettbewerb 2024

Viel Neugierde, viel Leidenschaft, und wenig Berührungsängste

Bild: Frank Magdans

Am Wochenende fand das Gipfeltreffen des 59. Bundeswettbewerbs Jugend forscht in Heilbronn statt. 175 Schülerinnen und Schüler sowie etliche Helfende bauten hierzu in der unteren Ebene der Lern- und Erlebniswelt experimenta Infostände auf, um ihre Ideen einer größeren Allgemeinheit zu präsentieren – vor allem auch der Jury. Sonntag sollten schließlich die Gewinner bekanntgegeben werden.

Es ist Samstagmorgen, neun Uhr. Ich schaue mir das Ganze in Ruhe an. Ich fahre die Rolltreppe nach unten und schwenke nach rechts. Hier fällt mir gleich ein Junge im Anzug mit Fliege auf. Er stellt einem anderen Teilnehmer mit Enthusiasmus sein Konzept eines umweltfreundlichen Flugzeugmodells dar. Das weckt zwar gleich Interesse bei mir, doch will ich mir erst einmal einen Überblick verschaffen. Außerdem fährt unweit ein Transportroboter herum, der mich irgendwie ablenkt. Es ist aber eher ein Gefühl der Aufregung – was mir aber erst später klar wird.

Nun, ich drehe eine größere Runde. Ich lese Überschriften wie „My O(w)N Detektor – Messung von Myonen im Tunnel“, „GENErAltion – KI-basierte Analyse und Synthese von Genexpressionsmustern“, „Neue Erkenntnisse zu Antibubbles“ oder „Nelkenduft aus Teer?“ und so weiter und so fort. Um zu verstehen, was die Jugendlichen damit meinen, muss man das Gespräch suchen – und ich muss sagen, das geht erstaunlich gut: Alle, mit denen ich mich unterhalte, sind total aufgeschlossen und freundlich.

Energie auf Bakterienbasis erzeugen

Während ich eine Kleinigkeit esse und etwas trinke, lerne ich Tina Thao-Ni Schatz und Anthony Eliot Striker aus Berlin kennen. Die beiden nehmen mich mit zu ihrem Infostand und erklären mir, was ihr Projekt „Microbial Fuel Cells: bioelektrochemische Energieerzeugung mit Shewanella oneidensis MR-1“ bedeutet: „Das sind Bakterien. Die sitzen auf einer Anode und erzeugen Strom. Es funktioniert im Grunde wie eine Brennstoffzelle“, so Anthony. Anwendungsmöglichkeiten sind einige denkbar; zum Beispiel könnte man mit kommunalem Abwasser Energie auf Bakterienbasis erzeugen.

Für ihr Projekt mussten Tina und Anthony eigens Labore anschreiben, um ihre Untersuchungen durchführen zu können. Denn in der Schule darf man nicht mit Mikroorganismen arbeiten. Das in Potsdam ansässige Helmholtz-Labor für integrierte Forschung (GFZ) erklärte sich hierzu bereit. „Wir hatten das Labor zwar überhaupt nicht direkt angeschrieben, aber unsere E-Mail wurde dankenswertes Weise weitergeleitet“, erzählt Tina. So haben die beiden Jugendlichen auch in Dr. Jens Kallmeyer einen Mentor gefunden.

Begeisterung für Naturwissenschaften und Technik wecken

Der VDI engagiert sich seit mehr als 30 Jahren im Netzwerk der Stiftung Jugend forscht e.V. und tritt als einer der Hauptförderer auf. Wir übernehmen die Finanzierung aller Preise im Fachgebiet Technik und die Benennung von Juror*innen auf Regional-, Landes- und Bundesebene.

Die Jugend forscht, aber sie hat noch andere Aufgaben

Ohne Mentorinnen und Mentoren läuft kaum etwas. Deutlich wird mir das als ich mit Andreas Bauer in Gespräch komme. Er ist Gymnasiallehrer und betreut Projekte. Er weist mich darauf hin, wie wichtig es ist, den Jugendlichen einen Rahmen zur Orientierung zu geben. Weshalb das so ist? Weil sie ja nicht nur für ihr Projekt im Rahmen für Jugend forscht leben können, sondern auch Familie haben und ganz normal zur Schule gehen. Das vergisst man schnell, wenn man all die Projekt hier sieht. Denn das Niveau ist hoch.

Bauer betreut Lotte Goldstein und Finja Harms. Die beiden Mädchen haben einen Rollstuhl mit einem Gyrosensor ausgestattet, sodass ein automatisierter Stopp einsetzt, sofern das System eine Abweichung erkennt. Hierbei setzen die zwei Schülerinnen ein KI-Tool ein. Zum Hintergrund: Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, sollen diesen selbst dann noch nutzen können, wenn ihre körperliche Kraft schwindet oder schwankt – so wie bei Multipler Sklerose. Was letztlich aus dem smarten Rollstuhl wird, ist nicht absehbar. Es gibt aber Firmen, die schon Interesse bekundet haben. Tatsächlich aber sollen sich die Mädchen erst einmal um ihren Schulabschluss kümmern, so Bauer.

Alltagsnahe Probleme lösen

Die Ideen der Jugendlichen stehen ab und an in einem klaren Bezug zu ihrer direkten Lebensumgebung. So ist zum Beispiel Reinhard Köcher während des Geigenunterrichts aufgefallen, dass die Musiklehrerin die ersten 20 Minuten des Unterrichts damit beschäftigt ist, die Geigen all ihrer Schülerinnen und Schüler zu stimmen. Das hat den 16-Jährigen dazu gebracht, sich zu überlegen, wie sich die Saiten automatisch an die korrekte Frequenz anpassen lassen. Hierzu hat er einen kleinen Apparat namens „simple tuner“ entwickelt. Man bringt die Saite zum Klingen, dann justiert der Motor den Feinstimmer; und alles ist paletti.

Ein nicht ganz so anschauliches, aber dafür ein noch weitaus wichtigeres Projekt namens „Die Albedo 2.0“ präsentieren Tom Sprinz, Thomas Hergetz und Vit Werner aus Mannheim: An eigens konstruierten Modellhäusern hat das Trio untersucht, inwiefern sich die Farbe von Dachziegeln auf die Innentemperatur eines Hauses auswirkt. Die Jungs haben zudem berechnet, dass sich, wenn man alle Dächer innerhalb des Regierungsbezirks Unterfranken weiß streicht, über sieben Millionen Tonnen CO2 kompensieren ließen. Mit Blick auf den Klimawandel muss man hierzu gar nicht mehr sagen. Hinzuzufügen wäre allerdings, dass für die Umsetzung etliche bürokratische Hindernisse im Weg stehen – dabei wäre ja eine schnelle Umsetzung mehr als sinnvoll.

Wir brauchen diese Generation mit ihren pfiffigen Ideen

Ich schaue mir noch etliche andere Projekte an, am frühen Abend geht es dann mit dem Shuttlebus zur Sonderverleihung: Im Rahmen einer festlichen Abendveranstaltung dürfen sich die Teilnehmenden auf rund 50 Sonderpreise diverser Institutionen freuen. Im Bereich Technik durfte sich zum Beispiel Tom Bernhardt aus Kassel über einen Preis für seine Arbeit auf dem Gebiet der Robotik freuen: Der 15-Jährige hat eine Roboterhand entworfen, die gesprochene Worte in Gebärden übersetzt.

Die Sonderverleihung ist in drei Blöcke unterteilt und wird von Jacob vom „breakinglab“ und Klarissa von „Wissen macht Ah!“ unterhaltsam moderiert. Zwischendrin gibt es Auftritte des Trommeltrios „Boundz“, die so mitreißend sind, dass kaum ein Bein still bleibt. Gegen 23.30 Uhr geht es zurück, ins Hotel. Dort weckt mich mein Smartphone so gegen halb sieben. Schließlich findet heute früh ein Rundgang mit prominenten Gästen statt; und um elf Uhr beginnt die Verleihung der Bundespreise – wird bestimmt spannende.

Dass es Sonntagmittag nur einen Sieger pro Fachgebiet gibt, wirkt befremdlich auf mich. Denn angesichts all des Enthusiasmus, den die 175 Teilnehmenden an den Tag legen, sind eigentlich alle Gewinner. Sie haben schließlich bewiesen, dass es ihnen gelingt, Widerstände und frustrierende Phasen zu überwinden. Dies ist auch Tenor der Siegerehrung. Überdies sind sich alle einig, dass wir diese Generation mit ihren pfiffigen Ideen brauchen, um künftige Herausforderungen zu meistern. 

„Hören Sie nie auf, zu staunen. Bleiben Sie dabei. Wir brauchen Sie“, sagt Patrick Cramer, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft. Oliver Trapp, selbst einmal Teilnehmer bei Jugend forscht und heutiges Jury-Mitglied, sagt das schon vorweg: „Diese Dynamik ist einzigartig, Es bestehen keine Berührungsängste“. Stattdessen nehme er viel Neugierde und viel Leidenschaft für das jeweilige Thema wahr.

Autor: Frank Magdans

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