Verkehrsinnovationen − gescheitert oder nicht?
Der VDI-Fachbeirat Verkehr und Umfeld hat sich den genauen Gründen gescheiterter innovativer Verkehrsprojekte gewidmet. Die Lehren daraus können zukünftigen Konzepten und deren Akteure zugutekommen.
Wenn es um Verkehrsinnovationen geht, gibt es viele Ideen für eine mobile Welt, die unseren Wunsch nach Bewegung energieeffizienter, emissionsärmer und sicherer umsetzten sollen, ohne dass sich eine bestimmte Gruppe Verkehrsteilnehmer einschränken muss oder eingeschränkt fühlt. Es gibt vermeintlich gute Ideen, Güter innerhalb der Stadt effizienter von einem Ort zum anderen zu transportieren, zum Beispiel mittels Güterstraßenbahnen. Auch Konzepte wie den Transrapid, den Cargolifter, die SwissMetro, oder die H-Bahnen gelten als gescheitert. Oder doch nicht?
Wann ist gescheitert eigentlich so richtig gescheitert? Der Fachbeirat Verkehr und Umfeld des Vereins Deutscher Ingenieure hatte das Ziel, in seiner neuesten Diskussion keine verkehrshistorische Betrachtung in Sachen Scheitern vorzunehmen, sondern zu schauen, welche Lehren aus diesen gescheiterten Verkehrsinnovationen gezogen werden können. Solche Lehren können dann von anderen Akteuren genutzt werden, um zukünftige Projekte, die für eine erfolgreiche Verkehrswende gebraucht werden, besser aufzusetzen.
Beispiel Transrapid
In die Technik der Magnetschwebebahn wurden große Hoffnungen gesetzt. Sie sollte vor allem Flüge auf den Kurz- und Mittelstrecken überflüssig machen. Ideen für den Einsatz gab es schon, wie zum Beispiel für die Strecke Hamburg-Berlin oder als Zubringer von München zum außerhalb gelegenen Flughafen. Die Gründe für das vermeintliche Scheitern des Transrapid sind schnell gefunden: Die Technologie war nicht ins Gesamtsystem integriert, es mangelte an Anknüpfungspunkten zu der bereits bestehenden Infrastruktur. In Städten ist die Einbindung neuer Infrastrukturen schon aus baulicher Perspektive nicht einfach. Fläche, die sowieso schon knapp ist, müsste für den Bau freigemacht werden und das ist in bestehen den Stadtteilen keine unmittelbare Lösung. Aber dennoch ist der Transrapid an sich nicht gescheitert, denn in Shanghai wird er eingesetzt. Die Flächenthematik ist sicherlich auch ein Grund, warum diverse Straßenbahnprojekte in Bürgerentscheiden scheitern, besonders in Städten, die nicht sowieso schon über ein Straßenbahnnetz verfügen.
Auch hier muss die Hürde der Neueinführung überwunden und neue Infrastruktur in Bestandsstädte integriert werden. Das Gegenargument in diesem Falle ist das 3,0-l-Auto. Die Infrastruktur, sprich die Straße, ist vorhanden. Kaufen, geschweige denn Fahren wollte das Auto aber kaum jemand.
Scheitern ist nicht leicht
Für ein besseres Verständnis des Scheiterns teilt der Fachbeirat die Definition vom Scheitern in zwei Phasen auf: den Bau und den Betrieb einer Verkehrsinnovation, wenn man allein die technische Seite betrachtet. Gescheitert wären nach dieser Auffassung die Verkehrsinnovationen, die gar nicht erst in die Realität umgesetzt wurden. Der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) in seinem defizitären Betrieb wäre demnach aber auch gescheitert, nur die wenigsten würden jedoch der Aussage „Der ÖPNV ist gescheitert“ auch zustimmen. Aber auch eine nicht-technische Sichtweise ist beim Scheitern relevant: die Erwartungshaltung verschiedener Parteien.
Losgelöst von den Kosten-Nutzen-Qualitäts-Aspekten der Infrastrukturinnovationen betrachtet der Fachbeirat auch das, was unterwegs an Problemen auftritt. Viele Ideen und Verkehrsinnovationen scheitern, weil in der systemischen Perspektive das Umfeld nicht mitbedacht worden ist. Zum Beispiel, weil der Faktor Mensch nicht mit einbezogen wurde oder einfach die Rahmenbedingungen im Betrieb nicht gestimmt haben.
Verkehrsinnovationen beinhalten nicht immer neuartige Fahrzeuge, sondern mittlerweile auch Geschäftsmodelle, wie zum Beispiel die On-Demand-Verkehre. Diese scheitern nicht nur an ihrem Geschäftsmodell, sondern gegebenenfalls auch an mangelnder Nachfrage. Wirtschaftlich sind On-Demand-Verkehre nicht abgebildet, da sie entweder durch Konzerne querfinanziert oder durch den ÖPNV bestellt sind. Denkt man nun die Zukunft weiter, stellt sich durchaus heraus, dass On-Demand-Verkehre wirtschaftlich kein eigenes Modell sein können, aber als sinnvoller Beitrag im ÖPNV betrachtet werden können und über diesen Ansatz finanziert werden. Wären diese Geschäftsmodelle dann gescheitert? Als privates Modell vielleicht. So wie Ubers Geschäftsmodell an den Regularien in Deutschland gescheitert ist, andererseits Taxen aber allgemein akzeptiert und genutzt werden. Führt man dieses Gedankenexperiment weiter, könnten diese Geschäftsmodelle in 20 Jahren mit autonom fahrenden Autos auch wieder privatwirtschaftlich sinnvoll sein. Dieses Experiment zeigt, dass die Schlussfolgerung aus einer Technikfolgenabschätzung, aber auch Systemberücksichtigungen wichtig sind, wenn man über die Einführung neuer Verkehrsinnovationen entscheidet.
In Zukunft will der Fachbeirat Verkehr und Umfeld sich mit der Wechselwirkungsebene dieser Infrastrukturinnovationen befassen, mit dem Hinweis darauf, dass Technikfolgenabschätzungen versäumt wurden oder weil die Akzeptanz nicht da war. Als nächsten Schritt plant der Fachbeirat eine Expertenumfrage zu diesem Thema. Die Auswertung, welche innovativen Projekte Verkehrsexperten als gescheitert betrachten, soll noch 2021 erfolgen.
Autorin:
Dr. Frederike Wittkopp
VDI-Fachbereich Verkehr und Umfeld
E-Mail-Adresse: wittkopp@vdi.de
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