Produktion der Zukunft: Autonome Systeme sind mehr als hochautomatisiert
Bereits heute führen die Vielzahl an Produkten, Produktionsprozessen und Logistikketten zu hochgradig komplexen, vernetzten Systemen in der industriellen Produktion. Sie bilden die Grundlage für eine hochflexible Automatisierung der gesamten Wertschöpfungskette. Hinsichtlich steigender Anforderungen an Flexibilität und Produktivität bieten autonome Systeme darüber hinaus große wirtschaftliche Potenziale. Aber der Einsatz autonomer Systeme birgt auch Risiken.
„Wir müssen zunächst zwischen hochautomatisiert und autonom klar unterscheiden“, sagt Prof. Dr.-Ing. Alexander Fay, Professor für Automatisierungstechnik Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg und Mitglied im Vorstand der VDI/VDE-Gesellschaft für Mess- und Automatisierungstechnik (GMA) anlässlich des VDI-Automationskongress in Baden-Baden. „Anders als bei automatisierten Systemen entscheidet ein autonomes System selbständig, wann es welche Mittel einsetzt, um das Ziel zu erreichen. Zeit- und kostenintensive Prozessänderungen, die bisher noch von Ingenieuren und Informatikern umgesetzt werden, können somit zukünftig ohne Eingreifen des Menschen erfolgen. Die vollkommen auftragsgesteuerte Produktion und die autonome Wandlungsfähigkeit der Fabriken können so tatsächlich erreicht werden.“
Wie sicher sind autonome Systeme?
„Wenn ein System ständig lernen soll, dann muss man ihm dafür Freiraum geben, aber auch Grenzen aufzeigen“, meint Fay. Er sieht speziell die Industrie in der Pflicht, den autonomen Systemen Leitplanken zu setzen. „Es ist durchaus gewollt, dass autonome Systeme Fähiggkeiten selbstständig weiterentwickeln, um zu einem vorgegebenen Ziel zu gelangen. Das autonome System muss aber unbedingt zuverlässig dagegen geschützt sein, dass jemand Fremdes von außen die Ziele ändert oder das es selbst die Ziele ändert. Denn dann ist es nicht mehr sicher.“
Wie autonom darf ein autonomes System sein?
Die Antwort hierauf ist aus industrieller Sicht recht simpel zu beantworten, meint Dr. Eckhard Roos, Leiter Industry Segment Management Process Industries bei Festo und ebenfalls Mitglied im Vorstand der GMA. „In der Industrie ist die Wirtschaftlichkeit der autonomen Systeme das entscheidende Kriterium für die Implementierung und Nutzung. Anlagen werden nicht autonom gemacht der Autonomie willen, sondern nur, wenn es wirtschaftlich sinnvoll ist. Und die Vorteile, die man sich von der Autonomie verspricht – sprich Optimierung von Qualität, Zeit und Ressourcen oder kürzere Innovationszyklen – lassen sich gut monetär bewerten.“
Risiken durch Veränderung der Arbeit
Die Frage, wie autonom ein System sein soll, hat vor allem Auswirkungen auf die Veränderung der Arbeitswelt. Roos: „Autonome Systeme werden sicherlich den einen oder anderen Arbeitsplatz überflüssig machen. Dafür bieten sich neue Aufgaben, die eine höhere Qualifikation erfordern. Hierfür braucht es Menschen, die die Fähigkeit und den Willen besitzen, sich diesen neuen Themen mit wahrscheinlich höheren Anforderungen zu stellen.“
Auf dem Automationskongress stellte der VDI auch seinen neuen Statusreport „Agenten zur Realisierung von Industrie 4.0“ vor, der kostenfrei erhältlich ist.