New Work – Wandel mit viel Potenzial
Nichts ist beständiger als der Wandel… Gerade in den letzten Jahren haben Globalisierung, Digitalisierung und nicht zuletzt Corona die Arbeitswelt stark in Bewegung versetzt.
Denn Unternehmen müssen innovativer und wettbewerbsfähiger werden, neue Wege gehen und gleichzeitig den sich wandelnden Ansprüchen der Arbeitnehmenden gerecht werden. Nicht nur hochqualifizierte Fachkräfte verlangen mehr Flexibilität, Eigenverantwortung und Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf.
Galten bisher oft die Tech-Riesen als Vorreiter des New Work, haben längst auch mittlere und kleine Unternehmen neue Konzepte für sich entdeckt und erste Erfahrungen gesammelt.
Beim Deutschen Ingenieurtag 2023 (DIT 2023) haben Fachfrauen sich genau diesen Chancen gewidmet und in einer spannenden Breakout-Session zum Thema informiert und diskutiert.
Was heißt "New Work" eigentlich konkret?
Jenny Kutschker: Der Begriff "New Work" symbolisiert einen Paradigmenwechsel, bei dem der Mensch und seine Bedürfnisse ins Zentrum der Arbeitswelt rücken. Ziel ist es, dass jeder Mensch seinen größtmöglichen Beitrag leisten kann und gleichzeitig Sinn und Wohlbefinden bei der Arbeit empfindet. Ursprünglich in den 1980er Jahren entstanden, liegt der Fokus von New Work auf der Schaffung von Arbeitsbedingungen, die Kreativität, Flexibilität und Zusammenarbeit fördern. Im heutigen Kontext, oft "Future of Work" genannt, umfasst "New Work" die Integration von neuesten Technologien und Künstlicher Intelligenz (KI), um eine innovationsfördernde Umgebung zu kreieren.
Warum wird es ohne Innovationen nicht gehen?
Jenny Kutschker: Innovationen sind unerlässlich, um mit den Märkten Schritt zu halten. Davon abgesehen sind Innovationen motivierend für die Mitarbeitenden und schaffen Momentum. Bei Innovationen denke ich auch nicht nur an Technologie – sie betreffen zum Beispiel auch die Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten, insbesondere über die Grenzen eines einzelnen Unternehmens hinaus: Der Konkurrenzkampf muss zunehmend Platz für sinnvolle Partnerschaften schaffen, um schneller und effektiver zu agieren. Wir brauchen innovative Herangehensweisen zu den Themen wie Zugehörigkeit, Gleichberechtigung und Diversität, um wirklich nachhaltig Veränderung zu bewirken. In einem Unternehmen kann es vielfältig sein, was Innovation bedeutet und wie sie aussieht.
Im Grunde genommen brauchen wir eine Arbeitswelt, die offen für die unterschiedlichsten Innovationen und in der Lage ist, die stetig neuen Anforderungen – etwa durch technologischen Fortschritt – zu integrieren. Und das alles, während der Mensch und seine Bedürfnisse weiterhin im Mittelpunkt stehen.
Jana Richter: Eine unverzichtbare Innovation, die uns dabei unterstützt, ist Künstliche Intelligenz (KI). Indem wir intelligente Technologien einsetzen, können wir zeitraubende Aufgaben automatisieren und Raum für die individuellen Fähigkeiten der Mitarbeitenden schaffen. Eine weitere entscheidende Anwendung von KI besteht darin, sie als Sparrings-Partnerin für Empfehlungen, proaktive Alerts und als Unterstützung bei Planungsaufgaben einzusetzen, um Muster in Datenmengen zu erkennen, die ein Mensch nur noch schwer überblicken kann. Diese ausgewogene Balance zwischen Mensch und Maschine unterstützt eine moderne Arbeitswelt, die auf Kreativität und Selbstverwirklichung setzt. Gleichzeitig ist es wichtig, die Mitarbeitenden aktiv in den Innovationsprozess einzubeziehen und einen unterstützenden Lernprozess zu fördern. Denn Innovationen sind nicht nur Mittel zum Zweck, sondern bieten auch eine Chance zur persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung.
Eine faszinierende Entwicklung ist die nahtlose Integration komplexer Technologien wie KI in Unternehmensanwendungen, beispielsweise von SAP. Dadurch wird der Zugang zu Innovationen für jeden Mitarbeitenden zugänglich und erfordert kein tiefgreifendes technisches Verständnis mehr. Es liegt an uns, diese Chancen zu erkennen und Innovationen als Motor für eine zukunftsorientierte Arbeitswelt zu nutzen.
Welche neuen Konzepte und Ideen gibt es?
Jenny Kutschker: Es gibt eine Fülle von neuen Konzepten und Ideen im Bereich "New Work". Diese reichen von flexiblen Arbeitszeitmodellen über dezentrale Entscheidungsstrukturen, agile Arbeitsmethoden wie Scrum oder Kanban, Remote-Arbeit, Simultanübersetzungs-Tools, Job-Sharing, bis hin zu Co-Working Spaces und zu vielem mehr. Das Ziel all dieser Konzepte besteht darin, die Art und Weise, wie wir arbeiten, anzupassen und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mehr Freiheit, Eigenverantwortung und Möglichkeiten zur Selbstentfaltung zu bieten. Allerdings ist die "New Work"-Welt noch sehr "analog": Die Zukunft der Arbeit wird geprägt sein von intelligenten Technologien, die unseren Arbeitsalltag genauso prägen wie der Teamkollege, der im Büro neben mir sitzt… Falls ich im Büro bin.
Jana Richter: Mithilfe von KI können wir, wie zuvor dargelegt, beispielsweise riesige Datenmengen effizient analysieren, Muster erkennen und neue Erkenntnisse gewinnen. Das führt zu frischen Ideen und innovativen Lösungsansätzen. Intelligente Technologien ermöglichen zudem personalisierte Lösungen, die den individuellen Bedürfnissen von Mitarbeitenden gerecht werden. So können personalisierte Arbeitsumgebungen und flexible Arbeitsmodelle geboten werden, die Kreativität und Produktivität fördern.
Ein aktueller Trend, der eng mit dem New-Work-Konzept verbunden ist, liegt im Bereich der generativen KI. Diese Technologie ermöglicht KI-Systemen eigenständig Inhalte wie Texte oder Bilder zu erstellen. Sie eröffnet damit weitere immense Potenziale und eine Vielzahl von Möglichkeiten, den kreativen Prozess in verschiedenen Branchen zu unterstützen.
Wie lassen sich diese mit Leben füllen?
Jenny Kutschker: Ein Unternehmen, das eine zukunftsgerichtete und innovative Arbeitsumgebung für die Mitarbeitenden schaffen möchte, sollte erstmal mit der Analyse der Situation beginnen: Was ist unser Fokus und was wollen wir erreichen? Wo kommen wir gerade nicht weiter? Anschließend müssen wir uns fragen: Wie können wir unsere Arbeitsmethoden im Unternehmen so anpassen, dass wir unsere Ziele besser erreichen? Und oft sind es nicht die bekannten New-Work-Tools und -Methoden, sondern grundlegende Aspekte: Veränderungen in der Organisationsstruktur, Unternehmenskultur, Führungsprinzipien und -qualität und umfangreiche Digitalisierung. Eine Veränderung der "Lebensgewohnheiten" einer gesamten Organisation erfordert für viele Unternehmen ein Umdenken und Umlernen im großen Stil.
Welche Potenziale bringen in diesem Zusammenhang KI und andere intelligente Technologien mit?
Jana Richter: Insgesamt erweitert die Kombination von intelligenten Technologien und New Work die Grenzen dessen, was im Arbeitsumfeld möglich ist. Indem wir die Effizienz durch die genannten Funktionen der KI steigern, den individuellen Bedürfnissen gerecht werden und den kreativen Prozess fördern, ermöglichen wir den Mitarbeitenden, ihre Potenziale voll auszuschöpfen und eine dynamische, flexible und inspirierende Arbeitsumgebung zu schaffen.
KI und andere intelligente Technologien entlasten allgemein die Kernberufe und ermöglichen es den Fachkräften, sich auf ihre eigentlichen Hauptaufgaben zu konzentrieren. Durch die Reduzierung administrativer Aufgaben, wie beispielsweise ausführliche Dokumentationen, können die Mitarbeitenden mehr Zeit für sinnvolle und anspruchsvolle Aufgaben aufwenden. Führungskräfte können sich verstärkt dem Team und seinen Bedürfnissen widmen sowie gut durchdachte Führungskonzepte entwickeln, anstatt viele Stunden mit Tätigkeiten wie dem Verfassen von Stellenausschreibung zu verbringen.
Die entlastende Wirkung von KI ermöglicht es somit, sich auf die Bereiche zu konzentrieren, die bei der Berufswahl entscheidend waren und führt dadurch automatisch zu einer höheren Allgemeinzufriedenheit
Worauf müssen sich Unternehmen in Zukunft einstellen?
Jana Richter: Die Zukunft lädt uns ein, vor allem anpassungsfähig und aufgeschlossen zu sein. In Bezug auf Technologie ist eine zentrale Komponente die Weiterentwicklung von Jobprofilen, die den veränderten Arbeitsbedingungen und neuen Prozessen angepasst werden müssen. Gleichzeitig dürfen wir nicht vergessen, dass ethische Überlegungen einen entscheidenden Stellenwert einnehmen. Datenschutz und die Einhaltung ethischer Standards sind unerlässlich, um das Vertrauen unserer Mitarbeitenden und Kunden zu bewahren und eine verantwortungsvolle Zukunft zu gestalten. Auch Kooperation gewinnt in diesem Zusammenhang an Bedeutung. Unternehmen, die aktiv vernetzt sind und Synergien schaffen, können von einem erweiterten Wissensaustausch und frischen Perspektiven profitieren. Flexibilität und Offenheit sind dabei die Schlüsselqualitäten, die uns ermöglichen, die Herausforderungen der Zukunft mit Mut und Zuversicht anzugehen.
Jenny Kutschker: Unternehmen müssen sich auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereiten, insbesondere im Hinblick auf die Integration neuer Technologien in die Arbeitsabläufe. Sie müssen lernen, ständige Veränderungsprozesse zu meistern. Es ist wichtig zu verstehen, dass die Zukunft transformativ ist und eine entsprechende Führungskultur erfordert. Führungskräfte müssen in der Lage sein, Mitarbeitende in schnelllebigen Innovationszyklen zu führen und ständige Neuerungen umzusetzen. Das bedeutet, nicht nur die Akzeptanz für ständige Veränderungen zu schaffen, sondern auch deren exzellente Umsetzung und Wertschöpfung zu gewährleisten. Unternehmen, die bei allem noch „human-centered“ agieren, sind stärker im Wettbewerb: durch ihre Attraktivität für Talente und Fachkräfte, bessere Business-Performance und höhere Resilienz in Krisen und Chaosphasen. Was spricht bei all den Herausforderungen noch dagegen, den Menschen ins Zentrum zu stellen?
Interview: Gudrun Huneke
Dr. Jenny Kutschker, Co-CEO und Co-Founderin von Leaders Dock, startete als Ärztin und ist jetzt als Führungsberaterin unterwegs. Sie bringt ihre Leidenschaft für Technologie und ihre Expertise für transformative Führung in die Welt der Unternehmensführung ein. Mit ihrem Fokus auf kontextuelle Transformation unterstützt sie Unternehmen dabei, innovative Lösungen für komplexe Herausforderungen zu finden.
Jana Richter ist Leiterin des Bereichs AI Product Success bei der SAP SE mit einem Fokus auf Maschinellem Lernen und Künstlicher Intelligenz in Unternehmenssoftware. Sie ist seit 2005 im Produktmanagement für verschiedene SAP-Produkte im Bereich Technology & Innovation tätig. Darüber hinaus ist sie eine erfahrene Rednerin bei Technologieveranstaltungen.
Fachliche Ansprechpartnerin:
Kathrin Sevink
VDI-Netzwerk Frauen im Ingenieurberuf FIB
E-Mail: sevink@vdi.de