Luftschadstoffe bei Schadenereignissen
In einem Chemiestandort wie dem Chempark in Leverkusen wird mit giftigen Substanzen gearbeitet. Welche Luftschadstoffe bei Explosionen und Störfällen entstehen und wovon der Transport der Schadstoffe abhängt, erklärt Dr. Jörg Hellhammer, Vorsitzender der "VDI/DIN-Kommission Reinhaltung der Luft (KRdL) – Normenausschuss".
Wodurch können Schadenereignisse wie zum Beispiel in Chemieparks ausgelöst werden? Was sind häufige Ursachen?
Technisches oder menschliches Versagen sind Auslöser von Schadenereignisse, umgangssprachlich häufig als Störfall bezeichnet. Beispielsweise kann ein Funkenflug, der durch Arbeiten an Anlagenteilen verursacht wird, dazu führen, dass es zu Bränden oder anderen Schadenereignissen kommt. Meist ist es ein Zusammenspiel. Bei den Untersuchungen der Ursache werden neben technischem Versagen oft auch durch Menschen verursachte Fehler gefunden, die letztlich zum Versagen eines technischen Anlagenteils führen.
Welche typischen Luftschadstoffe entstehen bei Explosionen und Störfällen sowie Großbränden?
Bei Explosionen und Stofffreisetzungen ist in den meisten Fällen von Anfang an bekannt, welche Substanzen freigesetzt werden. Bei Lagertanks, in die Abfälle eingefüllt werden, ist die genaue Zusammensetzung allerdings nicht sofort bekannt. In solchen Fällen muss erst recherchiert werden.
Bei Bränden werden in erster Linie die klassischen Brandgase freigesetzt wie Ruß Kohlenmonoxid, Stickoxide, Schwefeldioxid, Blausäure und Salzsäure. Da die Verbrennung natürlich nicht so sauber wie in einem Ofen passiert, werden je nach Brennstoff auch Substanzen durch die Hitze unverbrannt mitgerissen. Aber es entstehen auch in kleinen Mengen Stoffe, die nur teilverbrannt sind oder sich aus den Brandgasen neu bilden.
Eventuell entstehende Dioxine, polychlorierte Biphenyle (PCBs – giftige Chlorverbindungen) oder Furane – also hochgiftige Verbindungen – sind häufig an Partikeln wie Rußteilchen gebunden.
Warum sind diese Stoffe schädlich?
Klassische Brandgase sind zum Teil giftig, wie Kohlenmonoxid und Blausäure oder haben eine reizende Wirkung wie Salzsäure. An Rußpartikel lagern sich häufig aromatische Verbindungen an, die auch gesundheitsschädlich sind. Es kann auch zu Stofffreisetzungen kommen, die harmlos sind. Das weiß man aber immer erst nach einer entsprechenden Analytik, die je nach Schadstoff sehr zeitaufwändig sein kann. Bei Ereignisfällen werden häufig auch mobile Messwagen und Messtrupps oder auch Drohnen vor Ort eingesetzt, um sich einen Überblick über die gesundheitliche Gefährdungssituation zu machen.
Wie weit können diese Schadstoffe transportiert werden? Wovon ist das abhängig?
Der Transport von Schadstoffen hängt in erster Linie von den Wetterbedingungen und den Freisetzungsbedingungen am Freisetzungsort ab. Dazu kommt noch die Größe der Partikel. Große Ruß- und Staubpartikel sinken relativ schnell zu Boden. Feinstaub und Gase können mit dem Wind sehr weit getragen werden. Allerdings findet auf dem Transport eine entsprechende Verdünnung statt, so dass in größeren Entfernungen in den meisten Fällen keine Gefährdung stattfinden wird. Bei Regen kommt es zu Auswaschungen von Stoffen, was je nach Intensität der Niederschläge sehr unterschiedlich seien kann. Wie lange die Partikel in der Luft bleiben, hängt neben ihrer Größe ebenfalls stark von der Wetter- und Windlage ab.
Im direkten Umfeld der Schadstofffreisetzung kann es zu Kontaminationen von Oberflächen oder z.B. auch von Pflanzen kommen. Aus Vorsorgegründe sollte man daher unbedingt mit dem Verzehr von Obst und Gemüse aus dem heimischen Garten abwarten, bis Klarheit über die Gefährdung besteht.
Erst dann können Handlungsempfehlungen über den Umgang mit kontaminierten Flächen und z.B. mit dem Obst und Gemüse im Garten gegeben werden.
Auf welcher Basis erfolgt eine Ausbreitungsrechnung? Wie funktioniert das grob?
Da bei Schadensereignissen die Quellstärke nicht bekannt ist, kann man mit Hilfe von Rechnungen die Ausbreitungsrichtung bestimmen, aber nicht die Konzentration. Dazu benötigt man immer die exakten Ausgangsparameter.
Wichtige Grundlagen der Ausbreitungsrechnung – auch unter direkter Einbeziehung aktueller Konzentrationswerte – sind in VDI 3945 Blatt 3 oder VDI 3783 Blatt 1, Blatt 2 und Blatt 4 dargestellt.
Fachlicher Ansprechpartner:
Dr.-Ing. Jochen Theloke
Geschäftsführer der VDI/DIN-Kommission Reinhaltung der Luft (KRdL) - Normenausschuss
E-Mail-Adresse: theloke@vdi.de