Lokale Kaltluft für die Planung richtig bewerten
Die aktualisierte Kaltluftrichtlinie gibt für die Umwelt- und Flächenplanung eine überarbeitete und erweiterte Hilfestellung zur Beurteilung der Planungsrelevanz lokaler Kaltluftprozesse. Insbesondere wurden quantitative Beurteilungsmethoden ergänzt.
Die Bedeutung der lokalen Kaltluft für die Bereiche Stadtentwicklung, Straßenbau, Landwirtschaft und Immissionsschutz wird in der Richtlinie VDI 3787 Blatt 5 E hervorgehoben. Lokale Kaltluft, die sich bei autochthonen Wetterlagen in gegliedertem Gelände bildet und lokal die Temperatur beeinflusst, spielt eine wichtige Rolle in der räumlichen Gesamtplanung auf regionaler und lokaler Ebene.
Lokale Kaltluft ist Luft, die gegenüber ihrer Umgebungsluft kühler ist und als untere Atmosphärenschicht auf der Erdoberfläche lagert. Sie entsteht während klarer, austauscharmer und von überregionalen Windströmungen unbeeinflussten Witterungsbedingungen insbesondere nachts auf sich abkühlenden natürlichen, heißt unversiegelten Oberflächen.
Die Schichtung der Kaltluft ist sehr stabil und in flachem Gelände äußerst lagefest. In geneigtem Gelände erfolgt jedoch ein gravitativer Kaltlufttransport zu niedrigeren Geländelagen. Eine weitere Möglichkeit des Kaltlufttransports kann ggf. eine nahe gelegene städtische Wärmeinsel sein, die als relatives örtliches Tiefdruckgebiet die Kaltluft bodennah vom Umland („von der Flur“) in Richtung Siedlung saugen kann (Flurwind).
Die bodengebundenen Kaltluftströme sind jedoch sehr empfindlich gegenüber Strömungshindernissen wie Dämmen, Mauern, Häuserzeilen, Baumhecken, Gehölzen oder Wäldern, welche die Kaltluftströme stoppen und zu einem luvseitigen Kaltluftstau mit anschließender Ausbildung von Kaltluftseen führen können. Baum- und siedlungsfreie Täler und Ventilationsbahnen im urbanen Bereich hingegen fördern den Kaltlufttransport.
(Un-)Erwünschte Auswirkungen der Kaltluft
Kaltluft kann auf verschiedene Flächennutzungen positive oder negative Wirkungen haben.
In der Landwirtschaft und im Straßenwesen beispielsweise kann Kaltluft in den kühleren Jahrzeiten die Bildung unerwünschter Fröste begünstigen. Im Städtebau hingegen ist die Zufuhr von Kaltluft aus dem Umland oder aus größeren innerstädtischen Parks zur Minderung insbesondere sommerlicher Wärmebelastungen in Wohngebieten erwünscht, gerade auch im Hinblick auf die zukünftige Zunahme und Intensivierung von Hitzeperioden. Ferner können Kaltluftflüsse im Siedlungsraum zur lufthygienischen Verbesserung beitragen. Andererseits besteht in Gewerbe- oder Industriegebieten sowie in alten Wohnsiedlungen mit veralteter Gebäudeheiztechnik die Gefahr der Anreicherung der Kaltluft mit unerwünschten anthropogenen Spurenstoffen.
Die Richtlinie soll dazu beitragen, die positiven Effekte der Kaltluft bei der Planung von Wohngebieten, Industrie- und Gewerbegebieten, Verkehrswegen und Kraftwerken zu nutzen und bei Sanierung und Umnutzung bestehender Baugebiete und Anlagen zu verstärken. Die Beeinträchtigung der positiven Wirkung der Kaltluft soll bei der Erweiterung bestehender oder Planung neuer Baugebiete und Anlagen minimiert werden.
Richtlinie als Entscheidungshilfe für Planungsverantwortliche
Hinsichtlich des umweltrechtlich geforderten Schutzes der Naturressource Klima ergibt sich daher die planungsrechtliche Notwendigkeit, im Rahmen von Flächenplanungen potenzielle lokale Kaltluftprozesse zu erkennen, ihre lokale Wirkung zu beschreiben, hinsichtlich der Relevanz für das lokale Klima und die lokale Flächennutzung zu bewerten und gegebenenfalls durch geeignete Planungsmaßnahmen ein verträgliches Lokalklima zu erreichen.
Ziel dieser Richtlinie ist eine qualifizierte Hilfestellung für diese Aufgabe. Sie ermöglicht Umwelt-, Raum- und Stadtplanern die umwelt- und planungsrechtlich angemessene Berücksichtigung, Bewertung und Behandlung des Themas lokale Kaltluft, indem die Grundlagen und Wirkungen der Kaltluft auf der lokalen Skala erläutert werden. Der in überregional ausgedehnten Hügel- und Berglandschaften nachweisbare Einfluss regionaler Kaltluftflüsse bleibt aus Gründen der Übersichtlichkeit unberücksichtigt.
Als neues Werkzeug dient ein grafisches Entscheidungsbaumschema zur Beurteilung der lokalen Kaltluftrelevanz für Siedlungen anhand topografischer Gebietsmerkmale. Ergänzend werden quantitative Methoden zur objektiven Bearbeitung des Themas aufgezeigt, wobei neben den weiterhin enthaltenen einfachen empirischen Methoden zur Ersteinschätzung erstmals physikalisch basierte Beurteilungsmaßstäbe bereitgestellt werden.
Die lokale Kaltluft gewinnt insbesondere durch den projizierten Klimawandel an Bedeutung und stellt somit einen wichtigen Faktor für eine nachhaltige und zukunftsorientierte Raumplanung dar.
Die Richtlinie VDI 3787 Blatt 5 E „Umweltmeteorologie - Lokale Kaltluft“ ist im März 2024 als Entwurf erschienen und kann für 103,50 € bei DIN Media (Tel.: +49 30 2601-2260) bestellt werden. Einsprüche zum Entwurf können über das elektronische Einspruchsportal oder eine E-Mail an die herausgebende Gesellschaft (krdl@vdi.de) eingereicht werden. Die Einspruchsfrist endet am 30.06.2024.
VDI-Mitglieder erhalten 10 Prozent Preisvorteil auf alle VDI-Richtlinien.
Fachliche Ansprechpartnerin:
Dr. rer. nat. Julia Nickel-Kuhn
KRdL-Fachbereich Umweltmeteorologie
Telefon: +49 211 6214-927
E-Mail: nickel-kuhn@vdi.de