Künstliche Intelligenz: Deutschland verliert den Anschluss
Um die Spitzenposition bei den führenden KI-Nationen wird es voraussichtlich bald einen Führungswechsel geben: Wo vor knapp einem Jahr noch eine große Lücke von 25 Prozent zwischen den USA und China klaffte, können die Asiaten den Abstand deutlich verkürzen. Aktuell sehen noch 67 Prozent der Fachleute die USA vorne und 61 Prozent China.
Damit Deutschland bei der KI aufholen kann, muss die Große Koalition schnellstmöglich die im Rahmen ihrer KI-Strategie versprochenen Investitionen anstoßen. Kefer: „Wir wissen immer noch nicht, wie hoch die Fördermittel denn nun tatsächlich sein werden bzw. aus welchen Töpfen sie kommen und, vor allem, wohin sie konkret fließen sollen. Wir wissen nur, dass damit 100 neue Professuren geschaffen werden sollen. Ich frage mich, woher das entsprechende Personal kommen soll.“
Methoden der KI müssen schnellstens in den Werkzeugkasten von Ingenieuren
Der gutgemeinten KI-Strategie müsse die Bundesregierung schnellstens konkrete Taten folgen lassen. „Es wäre fahrlässig, bei der KI weiter an Boden zu verlieren. Daher fordert der VDI, ausreichende Fördermittel speziell in den Bereich industrielle Anwendungen von KI-Technologien sowie in die Stärkung von generellem KI-Know-how zu investieren. Methoden der KI müssen schnellstens in den Werkzeugkasten von Ingenieuren, vergleichbar mit Mathematik und Physik. Denn gerade Ingenieure spielen eine zentrale Rolle dabei, KI in technische Systeme zu integrieren.“ Dem pflichten auch 80 Prozent in der Umfrage bei.
Neben dem fehlenden Know-how trägt auch der leergefegte Arbeitsmarkt nicht dazu bei, dass zeitnah ein Aufwärtstrend in Deutschland in Sicht ist. Im vierten Quartal 2018 gab es monatsdurchschnittlich 126.000 offene Stellen auf dem Ingenieur- und Informatikerarbeitsmarkt. Ein Drittel – knapp 43.000 – fielen dabei allein auf den IT-Bereich. Im Vergleich zum Vorjahresquartal entspricht das einer Steigerung der offenen IT-Stellen von rund sechs Prozent.
Viele Unternehmen, speziell aus dem Mittelstand, suchen händeringend nach qualifiziertem Personal, um IT- und Digitalisierungsprojekte umzusetzen. Die hohe Nachfrage und das geringe Angebot an diesen Fachkräften führen dazu, dass viele Projekte nicht verwirklicht werden können und Deutschland im internationalen Wettbewerb weiter an Boden verliert. Speziell im KI-Bereich bedeutet das eine verpasste Chance, denn laut VDI-Umfrage würde die Hälfte der deutschen Industrie aus Datenschutzgründen lieber auf heimische KI-Anbieter setzen.
Die Sicht auf Potenziale von KI-Anwendungen verschiebt sich
„Der globale Wettkampf um die beste Position in Bezug auf die Applikationen von Künstlicher Intelligenz ist gestartet“, sagt Dr. Kurt D. Bettenhausen, Vorstandsmitglied der VDI/VDE-Gesellschaft Mess- und Automatisierungstechnik und Vorsitzender des Interdisziplinären Gremiums Digitale Transformation im VDI. „Wir brauchen in Deutschland jetzt KI-Anwendungen, die das richtige Werteversprechen mitbringen und dem Menschen nutzen. Genau das sehen wir in unserer Umfrage bestätigt.“
Die VDI-Umfrage zeigt eine starke Verschiebung der Einschätzung der Potenziale von KI-Anwendungen: Weg vom Fahren, Fliegen und der Robotik hin zu Verkehrsverflüssigung, Diagnostik, der Entlastung von Menschen bis hin zu Aufklärung und Sicherheit und einer Verbesserung der öffentlichen Verwaltung. Also Anwendungen, die erstens technisch möglich, zweitens auf voraussichtlich hohe Akzeptanz treffen werden und gleichzeitig einen sehr hohen Benefit versprechen. „Wenn sinnvolle Anwendungen zum Greifen nah sind, werden sich die Unternehmen hoffentlich mit großem Elan auf den Weg machen und Entwicklungen vorantreiben, die diese Applikationen möglich machen.“