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Karriereberatung: Was unser Experte Gerhard Stähler jetzt empfiehlt

In der Krise auf Stellenangebote reagieren

Die Menschheit hat derzeit anderes im Sinn als Karriere und Stellenangebote. In Deutschland wächst die Angst vor einer Rezession und damit verbundener Arbeitslosigkeit. In der Personalberater-Praxis stellen wir aber fest, dass unsere Kunden weiterhin strategisch wichtige und vor allem technisch ausgerichtete Funktionen anbieten und besetzen.

Interviews über digitale Kanäle sind durchaus möglich. Teilweise werden Stellenangebote sogar direkt nach Videointerviews abgegeben oder persönlich in sehr kleinem Kreis, mit dem nötigen Sicherheitsabstand, finalisiert. Die Prozesse haben sich generell verlangsamt; das Leben geht aber weiter. Auf der anderen Seite erleben wir zahlreiche potenzielle Kandidat*innen – in der Mehrzahl Ingenieur*innen – die bereits terminierte Interviews oder Präsentationen bei Industrieunternehmen absagen oder grundsätzlich Gespräche, mit dem Hinweis auf Corona, ablehnen.

Ist dieses Verhalten sinnvoll?

Selbstverständlich ist es sinnvoll, vorsichtig zu sein. Jeder kann die Krise aber auch als Chance verstehen und durchaus die Zeit zur Entschleunigung und Selbstreflexion nutzen, sofern man nicht direkt von der Lage betroffen ist. Wer krisenbedingt temporär im Home Office arbeitet, hat eher die Möglichkeit, über sich nachzudenken und kann nebenbei auch einmal seine Unterlagen sortieren, was ich auch getan habe. Dabei fiel mir ein Artikel in die Hände, den ich 2002 für die FAZ zum Thema Karriereangebote in Krisenzeiten geschrieben habe, damals bedingt durch den 9/11 und dem Platzen der Internetblase.

Damals wie heute kam und komme ich zum Schluss, dass es keinen Sinn macht, in einer Krise „die Schotten dicht“ zu machen, sondern sich bewusst mit seiner Karriere zu beschäftigen und nicht auf das Ende der Krise oder den Aufschwung zu warten. Dies gilt nicht nur für die damalige und heutige Krise, sondern das pro-aktive Verhalten war auch in der Finanzkrise 2008/9 die richtige Strategie. Um es platt auszudrücken: Nach der Krise ist vor der Krise. Dass wir jetzt circa zehn Jahre relativen Aufschwung erleben durften, ist nicht der Normalfall.

Wir müssen uns auf Krisen einstellen und gelassen damit umgehen, und daher auch die Karriereplanung nicht aussetzen, sondern weiter führen. Denn in Deutschland, bedingt durch gute wirtschaftliche Grundbedingungen und dem Mittel Kurzarbeitergeld, ist es eher zu erwarten, dass wir nach der Krise wieder durchstarten können, so der „Lock-down“ nicht zu lange anhält. Da der Deutsche eher pessimistisch in die Zukunft schaut (siehe aktuelle Umfragen) geht die Mehrheit eher von einem negativen Ausgang der Krise und dem Abstürzen der Wirtschaft aus und verhält sich auch so. Daraus folgt: Nichts tun, Hoffen auf bessere Zeiten und zuletzt Schockstarre.

Die bessere Alternative: überlegtes und vorsichtiges sowie proaktives Handeln

Zu erwarten ist aber auch, dass die Konjunktur eine kleinere oder größere „Delle“ erhält und die Jobangebote des derzeit stark ausgeprägten Bewerbermarktes nicht mehr so zahlreich sein werden. Daher ist überlegtes und vorsichtiges sowie proaktives Handeln die bessere Alternative – vor allem, wenn man in einer Branche beschäftigt ist, die sich wie zum Beispiel die Automotive-Branche auch langfristig im Krisenmodus befindet.

Sehe ich oder bekomme ich jetzt das Angebot für eine passende und interessante Position, sollte ich diese zumindest prüfen und Gesprächsmöglichkeiten nutzen. Wer in diesen Zeiten Positionen ausschreibt, hat Gründe dafür und erwartet eine positive Geschäftsentwicklung für sein Unternehmen in oder nach der Krise. Arbeitgeber planen in der Krise sehr vorsichtig und kostenbewusst, daher kann ich mir als Kandidat*in oder Bewerber*in recht sicher sein, dass eine jetzt ausgeschriebene Position strategisch wichtig und langfristig angelegt sein wird.

Arbeitgeber die jetzt neue Mitarbeiter*innen suchen, versuchen die Chancen im Wettbewerb um die besten Köpfe zu nutzen, da sie gerade jetzt zukunftsorientierte Argumente vorbringen können. Die meisten Arbeitgeber sind sich bewusst, dass es auch langfristig demographisch einen Engpass bei gut ausgebildeten Mitarbeiter*innen / Ingenieur*innen geben wird und sie werden unter diesen Voraussetzungen auch weiterhin am Arbeitsmarkt aktiv sein.

Schauen Sie sich die Angebote, die jeweilige Industrie und das anbietende Unternehmen genau an. Auf der Arbeitgeberseite wird in dieser Situation auch verstärkt auf Qualität und Qualifikation von Bewerber*innen geachtet und sehr selektiv gesucht. Wenn Sie jetzt den Zuschlag für eine Position erhalten haben, sind Sie erhöhten Anforderungen gerecht geworden.

Wenn Sie sich als Kandidat*in qualifizieren und überzeugen, sind Sie derzeit noch in einer sehr guten Verhandlungsposition. Mit Hinweis auf die schwer zu kalkulierenden Risiken durch Corona, könnten Sie daher versuchen, die Probezeit auszusetzen oder eine bestimmte Beschäftigungsgarantie zu bekommen. Viele potenzielle Arbeitgeber werden sicher auch kein Problem haben, eine endgültige Entscheidung  nach hinten zu verschieben, bis man über den Zeitpunkt der Corona-bedingten Einschränkungen mehr Klarheit hat, zumal sich ein Bewerbungsprozess in der Regel sowieso über mehrere Wochen hinzieht.

Auch für Arbeitnehmer*innen in gesicherten Positionen kann es in Krisenzeiten sinnvoll sein, einen passenden Karriereschritt zu planen und auch wahrzunehmen. Selbstverständlich muss man das Angebot genau prüfen und hinterfragen, bevor eine Karriereentscheidung getroffen wird. Jeder Wechsel ist ein Risiko; die Chancen sollten aber überwiegen. Manchmal gibt es eben nur ein kurzes Zeitfenster für eine Karrieremöglichkeit; diese Chance jedoch ohne Überprüfung zu verwerfen, kann sich später als Fehler erweisen. Tendenziell lässt sich sagen, besonders in Krisenzeiten handeln Vertragspartner überlegter und oft auch ehrlicher. Zudem sind sich alle ihrer gestiegenen Verantwortung bewusst.

Auch wenn Sie keine aktuellen Stellenangebote haben und nicht aktiv auf der Suche nach möglichen Berufsalternativen sind – und Sie es sich in diesen Tagen leisten können – beschäftigen Sie sich nicht mit der Angst, sondern vielmehr mit den Möglichkeiten der digitalen Kommunikation. Schärfen Sie Ihr eigenes Profil. Werden Sie sich bewusst, ob Sie mit Ihrer Karriere zufrieden sind oder sich mittelfristig bewegen müssen. Denken Sie über Ihr Netzwerk nach und nehmen Sie sich auch, sofern vorhanden, die Zeit zum Netzwerken.

So können Sie bereits jetzt den nächsten Karriereschritt einleiten oder sind gerüstet, um nach der Krise durchzustarten beziehungsweise sich – was wir uns alle nicht wünschen – auf schwierigere Zeiten auf dem Arbeitsmarkt vorzubereiten.

Bleiben Sie aktiv. Es wird eine Zeit nach Corona geben!

Autor: Gerhard Stähler, Geschäftsführer der Talentor Germany | Kaiser Stähler Rekrutierungsberatung GmbH. Für den VDI ist er auf dem Gebiet der Karriereberatung aktiv. Über Chancen in der Krise und neue Formen der Bewerbungsgespräche spricht Gerhard Stähler außerdem in unserer Podcast-Folge Technik aufs Ohr "Bewerben in der Krise".

Wichtige Info: Wegen der hohen Nachfrage bieten unsere Karriereberater*innen VDI-Mitgliedern im April mehr Termine für die telefonische Beratung an. Der Service ist auch per Videochat möglich.

Die Anmeldung erfolgt über https://www.vdi.de/netzwerke-aktivitaeten/karriereberatung

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