„Gewonnen und verloren wird zwischen den Ohren“ (Teil 2)
Der zweite Teil des Interviews mit Coach und Leistungssportler René Göldner konzentriert sich auf Faktoren wie Talent, Freizeit oder Gesundheit. Göldner gibt Tipps gegen Motivationslöcher und beantwortet die zentrale Frage: Sind beruflicher Erfolg und Karriere verlässlich planbar? Und falls ja, worauf kommt es an?
VDI: Wie wichtig sind Talent und eine gute Ausbildung für den beruflichen Erfolg?
Göldner: Eine gute Ausbildung stellt die Basis dar, im Beruf wie im Sport. Und Talent ist großartig. Wenn mich aber jemand fragt, wem ich die bessere Leistung zutraue: Mitarbeiter*innen mit Talent, aber ohne große Motivation oder Mitarbeiter*innen ohne großes Talent, dafür mit der Bereitschaft, das Beste zu geben, dann setze ich immer auf letztere Gruppe. Ein starker Wille und das richtige Mindset können fehlendes Talent ohne weiteres kompensieren. Talent ist meiner Meinung nach überbewertet. Klar ist aber: Wenn Talent und Wille zusammenkommen, dann ist man unschlagbar.
VDI: Wie wichtig sind Freizeit und Erholung?
Göldner: Unverzichtbar! Jeder Mensch braucht Auszeiten und Erholung, um leistungsfähig zu bleiben und um sich retrospektiv zu betrachten.
Unser Körper braucht Erholung und auch unser Gehirn benötigt einen break, um das Bisherige zu verarbeiten und aus dieser Retrospektive Lernprozesse für die Zukunft zu entwickeln und selbstverständlich benötigen wir als Mensch einfach Freizeit. Das Großartige daran ist, geben wir uns gezielt und regelmäßig Pausen, entwickeln sich kreativen Ideen und Lösungsansätze von selbst.
VDI: Eine gute psychische wie physische Gesundheit sind wichtig. Was stärkt die Gesundheit nachhaltig?
Göldner: Um gesund zu sein und zu bleiben braucht es vor allem Zeit: Zeit, um zu verarbeiten, Zeit, um die nächsten Schritte zu planen, Zeit, um den Kopf freizubekommen. Zeit ist einer der wichtigsten Faktoren. Der Tag hat 24 Stunden und diese sollten nicht komplett verplant werden, sonst bleibt nicht genug Zeit für uns selbst. Denn Paradoxerweise sparen die meisten Menschen zuerst bei sich selbst.
Leistungssportler*innen müssen vernünftig schlafen, essen und sich um sich kümmern. Dann können sie gut trainieren und sich weiterentwickeln, klingt einfach, ist es aber nicht und bedingt viel Disziplin. Wir sprechen hier von den Basics, um leistungsfähig zu sein, davon sind einige allgemeingültig (wie z.B. guter Schlaf, gutes Essen) und andere für jeden individuell und diese gilt es herauszuarbeiten und zu berücksichtigen. Ein Sportwagenfahrer wird sicherlich keinen minderwertigem Sprit tanken, wenn er die volle Leistung auf die Straße bringen will.
Leistungssportler*innen trainierenen, um ihre Ziele zu erreichen. Die Zahl der Trainingsstunden ist dabei sekundär. Gleiches gilt für uns Profis im Job: Das Ziel steht im Fokus. Viel zu oft werden Mitarbeiter*innen anhand Ihrer Anwesenheit anstatt am erbrachten Ergebnis gemessen.
Wer seine Aufgaben z.B. nach fünf Stunden absolviert hat, der hat noch Zeit für andere Dinge und kann schneller seine Akkus wieder aufladen. Hier sollten Unternehmen ihren Mitarbeiter*innen noch mehr Vertrauensvorschuss geben, das wird sich für Beide auszahlen.
Zielkonflikte vermeiden
VDI: Welche Tricks (von Spitzensportler*innen) helfen gegen Motivationslöcher und Niedergeschlagenheit im Job?
Göldner: Tiefpunkte gibt es im Beruf wie im Sport gleichermaßen. Sie begründen sich oft durch zu viele Ziele, die zudem nicht priorisiert sind. Wenn sich die eigenen Ziele nicht ergänzen oder sogar entgegenstehen, führt das zum Zielkonflikt. Die Lösung: Reduzieren, priorisieren und klassifizieren Sie ihre Ziele. Gute Marathon-Läufer*innen arbeiten beispielsweise mit A-, B- und C-Zielen.
Ein A-Ziel ist zum Beispiel der Sieg, das B-Ziel die persönliche Bestzeit und das C-Ziel gutes Ankommen im Ziel. Stellen Läufer*innen im Rennen fest, dass das A-Ziel nicht zu erreichen ist, orientieren sie sich einfach am B-Ziel. Die Motivation bleibt erhalten. Wichtig: Sie müssen sich Ziele setzen, mit denen sie wirklich zufrieden und die realistisch sind.
Das lässt sich auch auf den Beruf anwenden: Was sind meine privaten Ziele? Was will ich im nächsten Jahr erreichen? Welche Zielvereinbarungen treffe ich mit meinem Vorgesetzten? Was will ich im besten Fall erreichen? Diese und weitere Fragen zu ihren Zielen gilt es zu beantworten. Und prüfen Sie sorgfältig, ob Ihre beruflichen Ziele mit Ihren privaten Zielen vereinbar sind!
VDI: Sind beruflicher Erfolg und Karriere verlässlich planbar? Und falls ja, wie?
Göldner: Erfolg und Karriere sind planbar. Die wichtigsten Komponenten sind: Ziele, eine realistische Selbsteinschätzung, eine professionelle Planung und das Wissen um die eigenen Kernkompetenzen. Kernkompetenzen sind die eigenen Kompetenzen, die mit den eigenen Wertevorstellungen übereinstimmen. Beispiel: Jemand, der das Element Wasser scheut, wird es sehr schwer haben, ein erfolgreicher Schwimmer zu werden. Jemand, dem die Selbstbestimmtheit im Beruf wichtig ist, wird sich in einem nine to five Job vermutlich nicht wohl fühlen. In beiden Beispielen benötigt es viel Energie und Zeit, um sich zu überwinden und beides fehlt dann für die eigentliche Zielerreichung.
Jeder sollte sich also von Zeit zu Zeit erneut fragen: Passt das, was ich beruflich oder privat mache überhaupt (noch) mit meinem Leben zusammen? Wer seine Kernkompetenzen kennt und lebt, der wird beruflich und privat erfolgreich sein.
Dies ist ein wichtiger Teil in einem meiner Workshops, den ich zusammen mit den Teilnehmern erarbeite.
VDI: Welche Tipps können Sie Ingenieur*innen für eine erfolgreiche Karriere geben?
Göldner: Machen Sie das, was der eigenen Leidenschaft entspricht und worauf Sie Lust haben. Seien Sie sich Ihrer Fähigkeiten bewusst und setzen Sie sich Herausforderungen. Holen Sie sich regelmäßig Inspiration von außen, etwa durch Seminare, Workshops und wenn möglich einen Coach.
Alle erfolgreichen Leistungssportler*innen haben Trainer*innen, die sie beraten, steuern und daraufhin Vorgaben machen. Alle guten Trainer*innen vermitteln Denkansätze, Werkzeuge und deren Anwendung mit denen sie sich selbst weiterentwickeln können – also Hilfe zur Selbsthilfe.
Spaß und Arbeit gehören zusammen
VDI: Wie verändern Globalisierung und Digitalisierung die Anforderungen an Ingenieur*innen? Und wie können sie diesen gerecht werden?
Göldner: Für viele von uns gilt, dass wir immer länger leben, immer mehr erreichen wollen und das in einer immer schneller werdenden Umwelt. Umso wichtiger ist es, sich selbst am besten zu kennen und seine eigene Herangehensweise und Strategie zu erarbeiten. Das ist aufwendig und kostet Zeit, jedoch absolut wichtig. Spitzensportler*innen tun genau das, um erfolgreich und glücklich zu sein.
Übrigens: Viel zu lange glaubten viele Menschen, dass die Attribute Spaß und Arbeit nicht zusammengehören. Dabei sollte der Job Spaß machen, oder wer glaubt, dass ein Spitzensportler auf lange Sicht erfolgreich sein kann ohne Freude bei dem zu haben, was er tut?
VDI: Mit welcher Strategie beraten und coachen Sie Unternehmen und Einzelpersonen?
Göldner: Ich arbeite mit den Teilnehmern sehr interaktiv, entweder im Seminar oder per Webinar. Die Teilnehmer*innen bzw. Projektteams (er)arbeiten mit meiner Unterstützung vieles selbstständig heraus. Oftmals ist es einfach wichtig, diese auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen und mit der Basis zu beginnen, ähnlich einer Marathonvorbereitung.
In vielen Projektteams gibt es schon altersbedingt große Unterschiede: Der eine hat nur noch wenige Jahre zu arbeiten und die andere ist neu, will Gas geben. Das sind Konstellationen, die ich sehr gut aus meiner eigenen Erfahrung kenne. Schaffen wir es, Unstimmigkeiten zu Beginn auszuräumen und dazu beizutragen, dass alle Projektmitarbeiter*innen auch privat etwas über sich wissen, haben wir eine sehr gute Basis für ein erfolgreiches Projekt geschaffen. Ich setze auf erfolgreiche Techniken aus unterschiedlichen Ländern.
VDI: Was ist Ihnen sonst noch wichtig?
Göldner: Ich stehe hinter dem was ich sage. Jeder Mensch sollte eine Tätigkeit ausüben, die ihn aufbaut und die ihm Lust macht, Leistung zu erbringen, Wer so aufgestellt ist, der ist zufriedener, schafft mehr und inspiriert sein Umfeld. Was die deutschen Ingenieur*innen angeht: Wir gelten weltweit nach wie vor als extrem präzise und kompetent, aber auch als etwas unnahbar und verbissen. Hierzu meine Empfehlung: Auch wir dürfen öfter mal lachen. Wer Spaß an der Sache hat, der vermittelt das glaubhaft und schafft die Voraussetzung für gegenseitige Inspiration, die bekanntlich Ergebnisse und Leistung verbessert – im Sport und im Beruf.
Herr Göldner, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Autor: Thomas Kresser