Energiewende in fünf Regionen der Welt
In vielen Regionen der Welt wird intensiv daran gearbeitet, den Energieverbrauch von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Ressourcen umzustellen. Um die Energiewende zu meistern, sind jedoch überall noch große Anstrengungen notwendig.
Klimawandel und Energiewende erfordern weltweit erhebliche Veränderungen. Die Ausgangssituationen, Rahmenbedingungen und Entwicklungen für die Energiewende sind länderspezifisch und somit recht unterschiedlich. Die damit verbundenen technischen, wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen lassen sich nur durch eine globale Zusammenarbeit lösen. Die Energiewende bietet aber auch ein großes Marktpotenzial für die entsprechenden Wirtschaftszweige. Um dies zu nutzen, ist es notwendig, länderspezifische, politische, technische und soziale Bedingungen zu kennen, um dann Forschung und Entwicklung auf diese Problembereiche zu konzentrieren.
Eine internationale Sicht auf das Thema „Energiewende“ lieferte die Breakout-Session „Energy Transition in 5 Regions of the World“ auf dem Deutschen Ingenieurtag (DIT) am 25. Mai. Sie wurde vom VDI Netzwerk International organisiert, das sich zum Ziel gesetzt hat, die Vernetzung von Ingenieur*innen im Ausland mit ihren deutschen Kolleg*innen zu fördern. „Wir wollen uns über Erfahrungen und lokalen Themen austauschen“, erklärte Walter Brand, der Vorsitzende des VDI Netzwerks International, in seiner Eröffnungsrede. „Heute werden wir die Herausforderungen und Ziele der Energiewende beispielhaft durch Beiträge aus Australien, China, USA, Brasilien und Italien präsentieren.“
Australien: Infrastruktur und Fachkräfte für die Energiewende fehlen
„Die viele Hektar Land vernichtenden Buschfeuer und die heftigen Überschwemmungen in den letzten Jahren haben in der australischen Bevölkerung zu einem Umdenken bezüglich des Umweltschutzes geführt“, berichtete Peter Boesch, Mitarbeiter bei Stantec Inc. und Vorstandsmitglied des VDI-Freundeskreises in Australien. „Dies zeichnete sich auch im Wahlverhalten ab.“ Seit 2022 wird nach 10 Jahren Stagnation die Umstellung auf regenerative Energien durch die neue australische Regierung forciert. So sollen 80 Prozent der benötigten Energie in 2030 und 100 Prozent in 2050 aus erneuerbaren Ressourcen stammen (Bild 1). Im Moment werden 60 Prozent der benötigten Energie aus Kohle gewonnen, circa 30 Prozent aus regenerativen Quellen, wobei die Windenergie mit 35 Prozent den größten Anteil hat, gefolgt von Solarenergie (24 Prozent) und Wasserkraft mit 21 Prozent.
„Der Ausbau ist nicht nur von technischen, sondern auch von politischen und finanziellen Umständen abhängig“, so Peter Boesch. Es fehlt die Infrastruktur. „Die großen Distanzen aus dem Landesinneren, wo Platz für die Energiegewinnungsanlagen vorhanden ist, zu den Wirtschaftszentren im Osten und Westen erweisen sich als Hemmnis für die Infrastruktur und den Transport“, erläuterte Peter Boesch. Auch benötigt die Energiewirtschaft finanzielle Anreize für die Umstellung. „Außerdem“, betonte Boesch, „fehlen uns die Fachleute zur Installation von Energieanlagen. Wir versuchen, sie im Ausland zu bekommen.“
Brasilien: Ethanol soll wichtiger Energieträger werden
„Wir verfügen über ein großes Portfolio an Energieträgern in Brasilien“, erklärte Newton José Leme Duarte von der Polytechnical School der Universität São Paulo und Vorstandsmitglied im VDI-Brasilien, bei der DIT Breakout-Session. In dem Energiemix, wie er sich 2021 darstellte, haben sich die Anteile an Solar-, Windenergie, Erdgas und Zuckerrohr als Energiequelle seit 2000 erhöht, während die Anteile von Wasserkraft von 16 auf 11 Prozent und Erdöl von 46 auf 34 Prozent aus Windkraft, neun Prozent aus Biomasse, drei Prozent aus Solarenergie und ein Prozent aus Kernkraft generiert. Brasilien verfügt heute über mehr als 1.000 Wasserkraftwerke. „Der Anteil an Wasserkraft wird sich aber weiter reduzieren, da Wasserkraftwerke aus Umweltschutzgründen kaum noch akzeptiert werden“, erläuterte Newton José Leme Duarte.
Brasilien setzt neben dem Aufbau von Windkraft- und Solaranlagen ― sie sollen bis 2027 auf 15 beziehungsweise 5 Prozent ausgebaut werden ― verstärkt auf den Einsatz von aus Zuckerrohr gewonnenem Ethanol. Für die Elektrizitätswirtschaft und die Autoindustrie ist Zuckerrohr ein wichtiger Energieträger, der im Süden und Nordosten fernab vom Amazonasgebiet angebaut wird. Ethanol wird schon seit vielen Jahren mit einem Anteil von 27 Prozent dem Autokraftstoff zugesetzt. „Damit haben die brasilianischen Autos mit 85 g CO2/km die geringsten CO2-Emissionen weltweit“, erklärte Duarte. „Betrachtet man den Lebenszyklus, sind sie günstiger als E-Autos.“ Neben Ethanol liefert Zuckerrohr aber auch Biomasse für die Kraft-Wärme-Kopplung. Die Energiegewinnung aus Biomasse und Biogas soll in den nächsten Jahren von 12,3 auf 31 GW erweitert werden.
China: Feste Pläne zum Abbau der CO2-Emissionen
In China wird der größte Anteil der global eingesetzten fossilen Energieträger verbraucht. Damit ist China für 60 Prozent aller mit dem Energieverbrauch entstehenden CO2-Emissionen weltweit verantwortlich. Obwohl der Anteil an erneuerbaren Energien stetig zunimmt - er erreichte 48 Prozent der installierten Kapazität in 2022 – werden die CO2-Emissonen in China voraussichtlich bis 2030 noch ansteigen. Wie Prof. Chai Qimin, Direktor des National Center for Climate Change Strategy and international Cooperation, in seinem Vortrag ausführte, sollen aber diverse Maßnahmen dazu beitragen, den CO2-Peak schon vor 2030 zu erreichen. Nach 2030 sollen die CO2-Emissionen dann drastisch verringert werden (Bild 2). Dazu gibt es in China feste Pläne von Seiten der Regierung. Die Maßnahmen sind detailliert in Fünf-Jahresplänen vorgegeben. Es gehört neben dem Ausbau von Solar- und Windkraftanlagen auf 1,2 GW Leistung auch die umfangreiche Aufforstung großer Waldflächen um sechs Milliarden m³ dazu. Nach 2045 soll der größte Anteil der Energie solar gewonnen werden, erklärte Prof. Chai Qimin. Der Bedarf an Kohle wird sich bis 2060 um 80 Prozent, an Öl um mehr als 60 Prozent und an Erdgas um etwa 40 Prozent verringern, so lautet die Prognose. Die Investitionen, die notwendig sind, um CO2-Neutralität zu erreichen, werden auf 21 Billionen US Dollar geschätzt.
Italien: Zurzeit wird ein großer Teil der Energie importiert
Auch in Europa verläuft die Umstellung auf regenerative Energien recht unterschiedlich. So stammen beispielsweise in Deutschland 41 Prozent des verbrauchten Stroms aus regenerativen Quellen. Dies entspricht einem Anteil von circa 19 Prozent am Gesamtenergieverbrauch.
„In Italien wird ein großer Teil der benötigten Energie importiert“, berichtete Massimo Cellino, CEO der EGEA New Energy S.p.A., Alba, in der VDI-Breakout-Session über die Energiewende in Italien. „Er stammt überwiegend aus fossilen Brennstoffen.“ Die Produktionskapazitäten für erneuerbare Energien liegen derzeit bei 38 Prozent der sieben Prozent am Gesamtenergieverbrauch bei. Traditionell zählt in Italien die Wasserkraft zu den wichtigsten nicht-fossilen Lieferanten für Energie. Sie wurde bis in die 2000er Jahre stetig ausgebaut. Seit 2010 werden unter anderem aus Umweltschutzgründen keine neuen Wasserkraftwerke mehr gebaut. Jedoch werden seit etwa 12 Jahren Solar- und Windkraftanlagen verstärkt errichtet. „Ziel ist es, 60 GWh Energie mit Photovoltaikanlagen und 20 GWh mit Windkraftanlagen bis 2030 zu erzeugen“, so Massimo Cellino. Mit dem Ausbau von 2.500 Biogasanlagen für die Energieerzeugung wurde das Maximum erreicht, da die Landwirtschaft nicht mehr Substrat liefern kann. „Der weitere schnelle Ausbau von Solar- und Windkraftanlagen ist aber von finanziellen und politischen Bedingungen abhängig“, erklärte Cellino. Er erfordert hohe Investitionen, aber auch Flächen, die nicht zur Verfügung stehen. „Dazu kommt“, so Cellino, „dass viele lokale Regierungen die Ausbauprogramme, die schon in Rom genehmigt wurden, aus diversen Gründen verzögern oder auch komplett verhindern“.
USA: Energiewende von lokalen Initiativen abhängig
2022 wurden mit dem „Inflation Reduction Act“ die wichtigsten Gesetze zur Bewältigung der Klimakrise in den USA verabschiedet. Die Ziele aus Washington lauten, bis 2030 die Emissionen der Treibhausgase auf die Marke von 50 bis 52 Prozent vom Ausstoß 2005 zu senken, 100prozentige CO2-Neutralität in 2035 und die Null-Emissionen-Wirtschaft in 2050 zu erreichen. Die Regierung hat unter Präsident Biden einen Plan erstellt, nach dem 80 Prozent der Energiegewinnung in 2030 aus erneuerbaren Quellen erfolgen soll (Bild 3). Dies berichtete Oliver Baumann, Geschäftsführer von Baumann Consulting in Washington, in der DIT Breakout-Session. Im Jahr 2022 wurden 4,24 Billionen KWh Energie produziert, davon 60 Prozent aus fossilen Brennstoffen wie Kohle, Gas und Öl, 18 Prozent in Kernkraftwerken und 22 Prozent aus erneuerbaren Energien, wobei hier Wasser- und Windkraft dominierten. „Für die Energiewende müssen wir aber an unserer Infrastruktur arbeiten, sonst können wir diese Herausforderungen nicht bewältigen“, erklärte Baumann. Allein für die erwartete Zunahme an Elektroautos müssen die Ladestationen um das 20-fache der jetzigen Kapazität auf 1,2 Mio. Ladestationen im öffentlichen Raum ausgebaut werden. Hierbei sollen benachteiligte Kommunen finanziell durch 40 Prozent der Einnahmen aus staatlichen Investitionen unterstützt werden. „Allerdings“, so Baumann, „werden in den USA Regierungsvorgaben häufig ignoriert.“ Deshalb hängt die Energiewende stark von lokalen Initiativen beispielsweise der großen Städte wie New York, Denver oder Chicago ab.