Durchgestartet: Brennstoffzellenflitzer aus Stralsund auf der Überholspur
Beim Shell-Eco-Marathon 2019, dem weltweit größten Energieeffizienz-Wettbewerb, ist das Team „ThaiGer-H2-Racing“ der Hochschule Stralsund in London auf dem Podium gelandet. Unterstützt wird das Team u.a. vom VDI Landesverband Mecklenburg-Vorpommern. Wir haben mit Teamleiter und Hochschulprofessor Prof. Johannes Gulden über das Projekt, den Brennstoffzellenantrieb und die Zukunft der Mobilität gesprochen.
VDI: Was hat Euch motiviert, einen Rennwagen auf Wasserstoffbasis zu konstruieren?
Johannes Gulden: Die Motivation lag darin, einen mobilen Demonstrator zu bauen. Es gab zu diesem Zeitpunkt schon andere Teams, die ein Brennstoffzellenfahrzeug erfolgreich konstruiert hatten. Am Anfang war unser Auto nicht mehr als eine Seifenkiste mit einer funktionierenden Brennstoffzelle. Da gehörte am Ende viel Ausdauer und Durchhaltevermögen dazu, damit das Ganze zu solchen Erfolgen wie jetzt führt.
VDI: Was war bei der Entwicklung Eures Rennwagens die größte Herausforderung?
Johannes Gulden: Die größte Herausforderung damals wie heute ist, eine passende Brennstoffzelle zu finden, die unseren Anforderungen entspricht. Die wenigsten Brennstoffzellen sind ja dafür gemacht, sondern für völlig andere Anwendungen. In den Anfängen haben wir eine Brennstoffzelle genommen, die uns zur Verfügung stand. Inzwischen sind wir so weit, dass wir nach unseren Anforderungen eine eigene bauen können. Übrigens geht es uns auch um Nachhaltigkeit und Wiederverwertbarkeit bei dem Bau unserer Karosserie. Unser Gehäuse besteht bisher aus leichtem Carbon. Im nächsten Schritt wollen wir es jedoch wieder etwas schwerer machen, aber dafür nachhaltiger. Es soll wesentlich besser recycelbarer als Karbon sein und einen wesentlich besseren CO2-Footprint als Kohlefaser haben.“
VDI: Welche Anforderungen muss ein Rennwagen denn konkret erfüllen?
Johannes Gulden: Die Anforderungen sind Gewicht und Wirkungsgrad. Wir brauchen eine Brennstoffzelle, die ein wenig überdimensioniert ist, damit wir einen höheren Wirkungsgrad erreichen. Sowas findet man in der industriellen Anwendung eher selten, weil Brennstoffzellen teuer sind. Die andere Schwierigkeit ist das Gewicht. Das spielt bei den wenigsten industriellen Anwendungen eine Rolle. Wasserstoffsysteme haben den Vorteil, dass sie leichter als Batterien sind - für jedes Fahrzeug ein Vorteil. Für die Luftfahrt ist man im Übrigen gerade dabei, ultraleichte Brennstoffzellen zu entwickeln und zu bauen. Da würden wir uns freuen, wenn vielleicht aufgrund unserer Erfolge eine Kooperation zustande kommt. Die Brennstoffzelle, die wir jetzt gebaut haben, wäre zum Beispiel ideal für kleine Lastendrohnen.
VDI: Würdet ihr mit eurem Wagen auch längere Strecken fahren? Zum Beispiel einmal von Stralsund bis zum VDI nach Düsseldorf?
Johannes Gulden: Nein, weil das Fahrzeug dafür gar nicht gebaut ist. Der Wagen ist darauf optimiert, dass wir die 40 vorgegebenen Wettkampfminuten absolvieren können. Im Wagen liegt ja nur eine Person drin. Die ist dort relativ eingepfercht und hat nur bedingt einen Überblick auf die Straße. Auf der Rennstrecke geht das gerade so, aber auf einer normal befahrenen Straße nicht. Das Fahrzeug hat auch gar keine Straßenzulassung. Als medienwirksamen Event könnte ich mir natürlich vorstellen, unser Rennauto mal ein Stückchen auf einer abgesperrten Straße fahren zu lassen oder so etwas wie ein 24-Stunden-Rennen mit einem Fahreraustausch zu machen.
Unser eigentliches Ziel in der nahen Zukunft ist, in die nächst größere Fahrzeugkategorie aufzusteigen. Das sind die Prototypen „Urban Concept Fahrzeuge“. Die sind so groß, dass dort auch wirklich Personen mit einem Gewicht von über 50 kg drin sitzen können. Die Autos müssen auch einen Kofferraum haben, damit man Gepäck mitnehmen kann. Das ginge dann in Richtung Smart oder kleiner Smart. Seit einer Weile überlegen wir uns dazu in kleinen Studien verschiedene Konzepte.
VDI: Wie viel km/h schafft Euer Auto denn?
Johannes Gulden: Das Auto muss während des 40-minütigen Rennens eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 25 km/h schaffen. Das Fahrzeug ist für diesen Wettbewerb optimiert. Wie schnell es wirklich fährt, haben wir tatsächlich nie so richtig ausprobiert. Wir müssten mal auf einem Flugplatz oder auf einer langen Geraden einfach beschleunigen. Es geht aber bei dem Fahrzeug nicht darum, möglichst schnell von 0 auf 100 km/h zu kommen. Vielmehr geht es darum, mit möglichst wenig Energie diese 25 km/h zu fahren und zu halten. Das kann das Fahrzeug auch sehr gut. Alles andere kann es sicherlich auch. Also wenn wir einfach nur geradeaus fahren würden und durchgehend beschleunigen würden, kommen wir ca. auf 40 bis 50 km/h.
VDI: Seht Ihr in Eurer Entwicklung und Forschung auch einen gesellschaftlichen Auftrag?
Johannes Gulden: Uns ist es wichtig, mit dem Fahrzeug das Thema Brennstoffzelle in der Bevölkerung bekannt zu machen und mit interessierten Menschen ins Gespräch zu kommen. Darüber hinaus sind wir in einem Schülerprojekt engagiert. Wir bauen ein Schülerteam auf, das mit einem unserer Vorgängermodell erfolgreich an Wettbewerben teilnimmt. Allerdings fahren sie batterieelektrisch. Das hat den Vorteil, dass sie sich nicht mit dem komplizierten Brennstoffzellenmanagement beschäftigen müssen. Wir haben aber dadurch die Möglichkeit, Jugendliche im Alter von 14 bis 15 Jahren zu motivieren und sie in Berührung mit den technischen Berufen zu bringen. Das ist ein schönes Projekt.
VDI: Zum Abschluss noch eine Frage: Wie sieht deiner Einschätzung nach die Zukunft des Wasserstoffantriebs in Deutschland aus?
Johannes Gulden: Das ist eine schwierige Frage. Ich bin der Überzeugung, dass wir uns mit der batterieelektronischen Mobilität in eine Sackgasse manövrieren. Das ist eine Brückentechnologie, die wir mal kurzfristig verwenden können, um uns überhaupt ein grünes Gewissen zu ermöglichen. Aber sie wird langfristig nicht unsere Mobilitätslösung sein, kann sie gar nicht. Es wird weiterhin batterieelektrische Fahrzeuge geben, davon bin ich überzeugt. Die batterieelektrischen Fahrzeuge werden sich aber auf kurze Strecken, kurze Reichweiten, kleine Fahrzeuge beschränken. Alle Fahrzeugen, die größere Reichweiten und längere Fahrzeiten haben, wie Taxen, Busse oder LKW, werden an der Wasserstoffmobilität nicht vorbeikommen. Es macht wenig Sinn, Autos mit Batterien zu bestücken. Sie sind sind einfach zu schwer und manövrieren uns in das nächste Ressourcenproblem hinein, weil wir dafür alle Rohstoffe abbauen müssen.
Interview: Hanna Büddicker