Digitalisierung sorgt für Veränderungen bei der technischen Zuverlässigkeit
Wie in vielen Bereichen beeinflusst die Digitalisierung auch die technische Zuverlässigkeit. Der VDI-Fachbereich Sicherheit und Zuverlässigkeit unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Peter Zeiler begleitet diesen dynamischen Veränderungsprozess kontinuierlich mit neuen Richtlinien und ist im regelmäßigen Austausch mit der Industrie.
Technische Zuverlässigkeit beschreibt einerseits die relevanteste aller Produkteigenschaften und andererseits die Anforderungen an Maschinen und Anlagen. Damit verbunden ist das bekannte Qualitätsmerkmal „Made in Germany“, das zugleich ein wichtiger Wettbewerbsfaktor ist. Eigenschaften wie Verlässlichkeit, Langlebigkeit und Zuverlässigkeit stehen im direkten Zusammenhang mit dem Begriff „Deutsche Wertarbeit“.
An diesem Ruf haben Ingenieurinnen und Ingenieure einen großen Anteil. Neu ist die technische Zuverlässigkeit nicht. Was jedoch neu hinzu kommt: Mit der Digitalisierung, Vernetzung und Automatisierung sind besondere Anforderungen verbunden, die Unternehmen an die Sicherheit von Maschinen und Anlagen sowie deren Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit stellen. Prof. Dr.-Ing. Peter Zeiler, Vorsitzender des VDI-Fachbereichs Sicherheit und Zuverlässigkeit, gibt einen Einblick in diesen Veränderungsprozess.
VDI: Herr Zeiler, warum ist die technische Zuverlässigkeit für Unternehmen so relevant?
Peter Zeiler: Fallen Maschinen und Anlagen aus, hat das sofort spürbare Folgen für das Unternehmen. Ausfallzeiten von Anlagen und Maschinen bedeuten neben zeitlichem Verzug vor allem finanzielle Einbußen, die im schlimmsten Fall die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens in Schieflage bringen. Nehmen wir ein Beispiel aus der Automobilindustrie: Immer wieder kommt es zu Rückrufaktionen von Herstellern. Die Gründe dafür sind ganz unterschiedlich. Eine solche Situation versucht man mit technischer Zuverlässigkeit im Vorfeld so gut es geht zu verhindern.
VDI: Wie genau verändert die zunehmende Digitalisierung die technische Zuverlässigkeit?
Peter Zeiler: Die naheliegendste Veränderung ist, dass der Mensch als „Bediener“ der Maschinen und Anlagen zunehmend überflüssig wird. Dadurch entfällt der Faktor Mensch, der den Zustand der Anlagen zuvor überwacht hat und diesen sehr genau kannte. Bedeutet im Umkehrschluss auch, dass der Mensch bei einem drohenden Ausfall mit passenden Gegenmaßnahmen eingegriffen hat. Die Aufgaben, die der Mensch hier erfüllt hat, waren komplex. Sie beinhalten neben technischem Know-how auch Erfahrung.
Zudem hat der Mensch die Anlagen mit allen Sinnen bedient: mit seinen Augen, Ohren, seiner Nase, seinen Händen. Wer in einer Produktionsanlage arbeitet, der kann am Klang der Anlagen oder der Vibration erkennen, ob sie zuverlässig arbeitet oder ein Fehler vorliegt.
VDI: Wenn der Mensch als „Bediener“ wegfällt, wer übernimmt diese Aufgaben dann und wie verändert das die technische Zuverlässigkeit?
Peter Zeiler: Die Anlagen und Maschinen müssen selbst ihren Gesundheitszustand erkennen und damit die Aufgaben des Bedieners übernehmen. Diagnosemöglichkeiten sind mittlerweile in die Maschinen integriert. Statt der menschlichen Sinne sind es heute Sensoren, die den Zustand einer Maschine erkennen.
Gehen wir nun noch einen Schritt weiter und kombinieren ein solches System mit Künstlicher Intelligenz: Das versetzt Maschinen in die Lage, Diagnosen über den eigenen Zustand zu erstellen und darüber hinaus sogar Prognosen abzugeben, zu welchem Zeitpunkt welche Störungen auftreten können. Das Stichwort ist hier „vorausschauende Instandhaltung“. Setzt man dann noch maschinelles Lernen ein, wird es möglich, dass die Maschinen aus unterschiedlichen Zuständen und Betriebsszenarien für die Zukunft lernen. So können sie Fehler frühzeitig erkennen und alternative Lösungen entwickeln, um Stillstandszeiten zu verhindern.
VDI: Wie schätzen Sie die deutsche Industrielandschaft in puncto Digitalisierung in diesem Bereich ein?
Peter Zeiler: Das Interesse ist durchweg sehr groß und es gibt schon etliche Unternehmen, die ihre Produktion zukunftsorientiert transformiert haben. Schließlich gibt es auch zahlreiche Systeme, die eine Diagnose ermöglichen. Besonders Branchen, in denen eine Überwachung, Wartung und Reparatur der Anlagen schwierig ist, haben früh auf die Digitalisierung gesetzt.
Zum Beispiel sind Offshore-Windenergieanlagen nur mit viel Aufwand erreichbar. Sie aus der Ferne zu überwachen, auf digitale Diagnosesysteme zu setzen und auch eine Steuerung aus der Ferne zu ermöglichen, ist hier Standard. Darüber hinaus kann die Digitalisierung im Bereich der technischen Zuverlässigkeit auch dem Fachkräftemangel entgegenwirken, da manuelle Arbeitsvorgänge nicht mehr in so großer Zahl notwendig sind.
VDI: Welche Vorteile sehen Sie darin, die Digitalisierung im Bereich technischer Zuverlässigkeit voranzutreiben?
Peter Zeiler: Für mich gibt es einen klaren Vorteil: Ich kann die technische Zuverlässigkeit dank der Digitalisierung zusätzlich absichern. Denn durch den Einsatz digitaler Werkzeuge lassen sich viel einfacher, schneller und besser Simulationen erstellen, zum Beispiel wie sich ein Bauteil unter verschiedenen Belastungen verhält, ob es den Anforderungen entspricht und was möglicherweise verändert werden muss. Darüber hinaus lassen sich sehr schnell unterschiedliche Szenarien durchspielen, wodurch sich Schwachstellen im Vorfeld eliminieren lassen.
Wir vom VDI-Fachbereich Sicherheit und Zuverlässigkeit betrachten es als unsere Aufgabe, hier nicht nur den Wissenstransfer zwischen Forschung und Unternehmen zu ermöglichen, sondern auch mit Richtlinien und Veröffentlichungen kontinuierlich die Veränderungen zu begleiten.
32. VFI-Fachtagung Technische Zuverlässigkeit 2025
Das VDI Wissensforum vernanstaltet am 9. und 10. April 2025 in Nürtingen die VFI-Fachtagung Technische Zuverlässigkeit. Begleitend zum Netzwerken und fachlichen Austausch gibt es ein interessantes Programm unter anderem zu den Themen "Interaktion Mensch-Maschine" und "Zuverlässigkeit von KI-Systemen".
VDI-Fachtagung Technische Zuverlässigkeit 2025
Autor: Thomas Kresser
Fachlicher Ansprechpartner:
Dr. Andreas Herrmann
VDI-Fachbereich Sicherheit und Zuverlässigkeit
E-Mail: herrmann@vdi.de