Der VDI will Männer- und Frauen-Toiletten verbieten!
Shitstorm in Twitter, empörter Artikel in der BILD-Zeitung und Emma, zig Protest-Mails an Präsident und Direktor des VDI, Webseiten mit vorformulierten Einsprüchen zu VDI-Richtlinien-Entwürfen.
Dabei ist es gar nicht so, dass der VDI Männer- und Frauentoiletten durch Unisex-Toiletten ersetzen will. Sondern lediglich Empfehlungen ausspricht, wie diese als Ergänzung aussehen könnten.
Aber wie kam es zu der Behauptung?
In der Fachzeitschrift „Technik am Bau“ und auf den Webseiten des Beuth Verlags, wird über die im Juli erschienene Entwürfen der Reihe VDI 6000 berichtet, in denen erstmals auch geschlechterunspezifische Toiletten beschrieben werden.
Daraufhin erreichten den VDI zahlreiche Zuschriften. Der Tenor reicht von „Bitte tun Sie das nicht!“ bis hin zu persönlichen Angriffen. Immer heißt es „Frauen und Mädchen brauchen Schutzräume.“, „Die Belange von Frauen und Mädchen werden missachtet.“
Dabei ist diese Sorge im Zusammenhang mit der überarbeiteten Richtlinienreihe VDI 6000 vollkommen unbegründet und geht am Thema vorbei. Offenbar ist den Protestierenden nicht klar, dass die Richtlinie nach wie vor die klassischen Männer- und Frauentoiletten beschreibt! Es gibt lediglich zusätzlich Hinweise auf die Bemessung, Ausstattung und Ausführung von geschlechterunspezifischen Toilettenanlagen, falls ein Betreiber in seinem Gebäude geschlechterunspezifische Toiletten anbieten möchte. Baut er diese dann nach der VDI 6000, ist damit zu rechnen, dass die Räume ihren Zweck erfüllen. Allerdings sieht der Gesetzgeber weiter getrennte Toiletten vor und geschlechtsneutrale Einrichtungen sind lediglich ein Zusatzangebot.
Der VDI hat als privatrechtliche Organisation gar nicht die Möglichkeit, Bauherren und Gebäudebetreibern verbindliche Vorgaben hinsichtlich der Ausführung von Sanitärräumen zu machen. Er hat indes den satzungsgemäßen Auftrag, in allgemein anerkannten Regeln der Technik Lösungsvorschläge für technische Fragestellungen zu entwickeln. Und genau das hat der Richtlinienausschuss VDI 6000 getan.
Warum All-Gender-Toiletten?
Mit dem Anti-Diskriminierungsgesetz (richtig: Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)) wurde auf gesellschaftliche Veränderungen reagiert und der dritte Personenstand „divers“ eingeführt. Der Gesetzgeber hat damit deutlich gemacht, dass Menschen, die sich keinem der beiden klassischen Geschlechter „männlich“ oder „weiblich“ zuordnen möchten, deswegen nicht diskriminiert werden dürfen. Das Bundesverfassungsgericht hat dies 2017 (!) bestätigt. Aber Diskriminierung entsteht auch dadurch, dass man als Mensch mit der Zuordnung 'd' keine Toilette findet, die man benutzen dürfte.
Eine einfache Umnutzung bestehender Anlagen in All-Gender-Toiletten ist zwar möglich, aber es ergeben sich bei der All-Gender-Nutzung erhöhte Anforderungen an den Schutz der Privatsphäre. Bei All-Gender-Nutzung müssen beispielsweise die Kabinenwände raumhoch, also vom Boden bis zur Decke ausgeführt sein, um Voyeurismus auszuschließen. Es reicht also nicht, den Raum einfach umzuetikettieren.
Warum nicht einfach die barrierefreien Toiletten als All-Gender-Toiletten nutzen?
Das hat vor allem zwei Gründe: Erstens ist die Anzahl der barrierefreien WCs gesetzlich vorgeschrieben und ihre Nutzung soll nicht durch Zweckentfremdung eingeschränkt werden. Zweitens soll eine Gleichsetzung der nicht-binären Geschlechterzuordnung mit einer Behinderung vermieden werden.
Autor: Thomas Wollstein
Fachlicher Ansprechpartner:
Dipl.-Phys. Thomas Wollstein
VDI-Gesellschaft Bauen und Gebäudetechnik
E-Mail-Adresse: gbg@vdi.de