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Elektromobilität

Antriebsbatterien: ein beherrschbares Risiko

Bild: sinology via Getty Images

Thermisches Durchgehen ist einer der häufigsten Gründe für Brände und Explosionen von Antriebsbatterien für E-Fahrzeuge – zum Teil mit schwerwiegenden Folgen. Wie kann das in Zukunft verhindert werden? Und was sind die Besonderheiten bei einem Transport auf See?

Unfälle von Elektrofahrzeugen erregen mehr Aufmerksamkeit als solche mit Fahrzeugen herkömmlicher Antrieben. Die Öffentlichkeit ist sensibilisiert und reagiert oft überzogen und mit Vorurteilen auf die vermeintlich höheren Risiken, die Elektrofahrzeuge mit sich bringen. Im Fokus steht dabei die Lithium-Ionen-Antriebsbatterie als Hochvolt-Komponente des Fahrzeugs. Großflächig eingebaut im Fahrzeugboden besteht sie aus einer großen Anzahl eng gepackter und elektrisch verbundener Einzelzellen. Kurzschlüsse in diesen Batteriezellen, ausgelöst beispielweise durch eine Fehlfunktion des Separators oder mechanische Beschädigungen, können zum völligen Abbrand oder zur Explosion der Batterie führen: die Batterie geht durch – „thermal runaway“ wird dieser Vorgang auch genannt. 

Elektrofahrzeuge sind mit einem automatischen Batteriemanagementsystem ausgestattet. Es soll sicherstellen, dass die Antriebsbatterie nie über die im Datenblatt angegebene Maximalspannung hinaus geladen oder überhöhten Strömen beim Laden und Entladen ausgesetzt wird, denn das begünstigt einen thermal runaway.

Das passiert beim thermal runaway

Beim thermal runaway überhitzt sich die Batteriezelle durch einen sich selbst verstärkenden, wärmeproduzierenden Prozess, der ein Bersten und Brennen der Zelle nach sich ziehen kann. Leicht kommt es dabei zu einem Übergreifen auf benachbarte Batteriezellen. Sauerstoff wird beim thermal runaway durch Umstrukturierung der Kathode kurzfristig intern freigesetzt und reagiert sofort innerhalb der Batteriezelle mit ihren organischen Bestandteilen, wie beispielsweise dem Elektrolyten. Dadurch entwickelt sich Wärme, wird schließlich zur Hitze und löst weitere Reaktionen aus, so dass innerhalb von Millisekunden mehrere 100 Grad Celsius erreicht werden können.

Die Menge an freigesetztem Sauerstoff und produzierten Gasen, wie beispielsweise Wasserstoff, hängt von der Struktur des Kathodenmaterials und vom Ladezustand der Batterie ab: Je instabiler die Kathode und je höher der Ladezustand, desto mehr brennbare Gase werden gebildet und der äußere Batteriebrand dadurch befördert. Wasserstoff brennt selbst bei sehr geringer Sauerstoffkonzentration von nur circa fünf Volumen-Prozent. Für die Konzeption und den Betrieb von wirkungsvollen Gaslöschanlagen ist das entscheidend. 

Die dritte kritische Komponente beim thermal runaway stellen neben Sauerstoff und Wasserstoff, je nach Zellchemie freiwerdende, hoch-toxische Substanzen wie Kobalt-, Nickel- sowie Manganverbindungen dar. Aber auch Fluorverbindungen, als mögliche Bestandteile von Leitsalzen, flammenhemmenden Additiven oder Bindemitteln sind hier zu nennen. Sie können bei einem thermal runaway zu Fluorwasserstoff umgesetzt werden. Gesundheitsschädliche Konzentrationen sind jedoch nur für einen relativ kurzen Zeitraum messbar.

Elektrofahrzeuge sind nicht brandgefährlicher

Erfahrungen aus unterschiedlichen Ländern und von Deutschen Unfallforschern zeigen, dass die Gefahr einer Brandentstehung für Elektrofahrzeuge nicht größer ist, als für solche mit konventionellen Antrieben. Handlungsbedarf besteht dennoch bei Fragen zur Sicherheit, wie Brandschutz und Umweltschutz sowie bei der Ladeinfrastruktur, denn gerade beim Aufladen der Antriebsbatterie ist das Risiko einer Brandentstehung groß. Würden Hersteller verpflichtet, Elektro-Neufahrzeuge vor Auslieferung mehrmals zu laden und wieder zu entladen, ließen sich mögliche, brandauslösende Defekte besser erkennen. Momentan ist das allerdings noch nicht üblich.
 

Effektive Brandbekämpfung beim Transport auf See

Elektrofahrzeuge werden zunehmend auf Schiffen transportiert. Der Anteil von Elektrofahrzeugen am gesamten deutschen Automobilexport betrug im Jahr 2023 gut 20 Prozent. Zum Vergleich: China liegt hier sogar inzwischen bei etwa 30 Prozent. Das spiegelt sich auch auf fahrzeugtransportierenden Schiffen (Car-Carriern) wider. Diese Schiffe verfügen zwar über gesetzlich vorgeschriebene Brandschutz- und Löscheinrichtungen, das Problem liegt aber inzwischen eher in der Menge der transportierten Fahrzeuge. Autotransporter werden immer größer und auf den Decks stehen die Fahrzeuge mit nur 10 cm seitlichem Abstand voneinander. Wenn es zum thermal runaway kommt oder ein an Bord befindliches Fahrzeug aus anderen Gründen zu brennen beginnt, ist Eile geboten, damit der Brand möglichst schnell eingegrenzt wird. Durch die Enge an Bord ist ein manuelles Eingreifen kaum möglich und die Besatzung ist im Brandfall auf sich allein gestellt. Der sichere Umgang mit den Löschsystemen muss daher immer wieder trainiert werden, um im Ernstfall keine Zeit zu verlieren. Dass die Antriebsbatterie im Fahrzeugboden von Elektrofahrzeugen verbaut ist, erschwert die Brandbekämpfung.

Es hat sich gezeigt, dass es bei einem thermal runaway verstärkt zu einer raschen, seitlichen Brandausbreitung auf benachbarte Fahrzeuge kommt. Eine Kühlung mittels Sprinkleranlage ist daher nur dann erfolgreich, wenn sie rechtzeitig aktiviert wird. Wassernebel-Löschanlagen bieten den Vorteil, dass die vielen kleinen Tröpfchen mehr Wärme absorbieren und mit vergleichbar geringerem Wassereinsatz besser kühlen können, als Sprinkleranlagen. Das verdampfende Wasser verdrängt den Luftsauerstoff, die Nebeltröpfchen können sich besser ausbreiten und erreichen auch unzugängliche Stellen der Fahrzeugkarosserie, wie den Unterboden. 

Allerdings: eine nicht vollständig ausgebrannte Batterie birgt immer das Risiko, dass sich eine oder sogar mehrere der noch (überwiegend) intakten Batteriezellen neu-entzünden können. Deshalb werden brennende Elektrofahrzeuge an Land zunehmend nicht gelöscht, sofern keine Gefahr besteht, dass der Brand sich ausbreitet.

Doch bei Weitem sind es nicht nur Elektrofahrzeuge, die Brände auslösen: Bei der Havarie der Fremantle Highway im Sommer 2023 im Wattenmeer brannten auf dem Car Carrier über eine Woche lang tausende Autos. Lange Zeit stand der thermal runaway eines an Bord befindlichen Elektrofahrzeugs im Verdacht, den Brand ausgelöst zu haben. Dies konnte trotz umfangreicher Ursachenforschung bis heute nicht bestätigt werden: Der Brand wütete ausschließlich auf den oberen Decks. Die Elektrofahrzeuge hingegen waren allesamt auf den Unterdecks geladen.
 

Trendwende durch neue Batterietechnik

Die Elektromobilität wird aktuell offensichtlich dennoch unattraktiver. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) rechnet durch den Wegfall der Kaufprämie mit weniger neuzugelassenen Elektrofahrzeugen deutscher Fabrikate. Ein klarer Widerspruch zum Ziel der Bundesregierung, bis zum Jahr 2030 mindestens 15 Millionen Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Straßen zu bringen.

Der deutsche Markt wäre wettbewerbsfähiger gegenüber der Konkurrenz aus Fernost, wenn es weniger bürokratische Hürden und mehr Investitionsbereitschaft gäbe. Das gilt vor allem für die Entwicklung neuartiger Antriebsbatterien als Schlüssel zu einer attraktiveren Elektromobilität. Nachhaltig produzierte, langlebige und recyclingfähige Batterien vermögen der aktuellen Trendumkehr entgegenzuwirken. 

Laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Keramische Technologien und Systeme (IKTS) erfüllen Natrium-Ionen-Batterien schon heute diese Kriterien und stellen eine technisch ausentwickelte Alternative zu Lithium-Ionen-Batterien dar. Mit gelöstem Natrium statt Lithium im Elektrolyt, haben diese Batterien zwar naturgemäß eine geringere Energiedichte, sind aber weit weniger entzündlich und ermöglichen einen höheren Ladestrom. Weiterer Vorteil: Als Bestandteil von Kochsalz (NaCl), ist Natrium wesentlich preiswerter als Lithium und weltweit leicht und praktisch unbegrenzt verfügbar – ein entscheidender Kosten-, Umwelt- und Ethikaspekt. Da die Batteriezellen weder Kupfer noch Kobalt enthalten, sind es nur wenige wertvolle metallische Elemente der Batterie, die recycelt werden müssen: Neben Eisen insbesondere Aluminium als Anodenmaterial.

Es zeichnet sich ab, dass Natrium-Ionen Batterien die Elektrofahrzeugbranche in naher Zukunft auch hierzulande revolutionieren könnten, gerade bei batterieelektrischen Kleinst-, Klein- und Mittelklassefahrzeugen, die für ihren Einsatzzweck mit wenigen 100 Kilometern Reichweite auskommen: Elektromobilität für alle – und alles andere als brandgefährlich. 

Autorin: Alice Quack

Fachlicher Ansprechpartner:
Dipl.-Ing. Simon Jäckel
VDI-Gesellschaft Fahrzeug- und Verkehrstechnik
E-Mail: jaeckel@vdi.de

VDI zum Thema Elektromobilität

VDI-Publikation 'Elektromobilität: Herausforderungen und Lösungen'

VDI-EE 5950 Blatt 2 „Elektromobilität - Brandschutz auf Parkflächen und Ladeplätzen für Elektrofahrzeuge - Empfehlungen für Bestands- und Neubauten“
VDI 2166 Blatt 2 „Planung elektrischer Anlagen in Gebäuden; Hinweise für die Elektromobilität“
VDI 2305„Brandtechnologische Prüfstellen und Batterieprüfstellen; Einrichtungen zur Prüfung des Brandverhaltens und andere Rauchgas emittierende Prüflaboratorien“

Weitere Richtlinien zum Umgang mit Hochleistungsbatterien in der Elektromobilität - mit besonderem Augenmerk auf dem Schutz von Umwelt und Infrastruktur - sind in Arbeit.

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