Agrardiesel versus alternative Kraftstoffe
Auch heute gibt es bereits alternative Kraftstoffe für Landmaschinen, die bisherigen Steuerermäßigungen verschafften Agrardiesel jedoch einen Konkurrenzvorteil. Daher sorgt der geplante Wegfall dieser Subventionen für große Aufregung, besonders bei Landwirtinnen und Landwirten. Aber welche Alternativen gibt es zum Diesel und welche Vorteile hätte ihr Einsatz für die Energiewende in der Landwirtschaft? Agrartechnikexperte Roger Stirnimann von der Berner Fachhochschule hat Antworten.
Zurzeit reden alle über die steigenden Dieselkosten, niemand spricht über Alternativen. Gibt es andere sinnvolle Optionen?
Stirnimann: Ja, es gibt grundsätzlich Alternativen, sowohl bei den Antriebssystemen als auch bei den Energieträgern. Aber die Anzahl an marktverfügbaren Landmaschinen ist noch nicht groß, bei denen die Treibhausemissionen im größeren Stil vermindert werden können.
Genannt werden können hier batterieelektrische Lösungen bei kleineren Ladefahrzeugen (Hof- und Teleskoplader) und Traktoren bis ca. 70 kW, die jetzt nach und nach in die Serienproduktion gehen. Ein Traktorenhersteller bietet seit rund zwei Jahren zudem ein Traktormodell (130 kW) an, das mit Methan (Compressed Natural Gas – CNG) betrieben werden kann. Kürzlich vorgestellt wurde ein weiteres Modell (Prototyp) für den Betrieb mit flüssigem Methan (LNG).
Neben Methan gibt es weitere alternative Kraftstoffe wie reines Pflanzenöl, umgeestertes Pflanzenöl (Biodiesel/FAME) und hydriertes Pflanzenöl (HVO). HVO und Biodiesel können auch aus fetthaltigen Rest- und Abfallstoffen hergestellt werden. In weiterer Zukunft werden noch synthetische Kraftstoffe dazu kommen.
Biodiesel wird schon seit Jahren dem fossilen Diesel beigemischt (B7). Es könnte in vielen Motoren aber auch in Reinform verwendet werden. Auch reines Pflanzenöl ließe sich mit überschaubarem Modifikationsaufwand am Kraftstoffsystem von aktuellen Landmaschinen einsetzen. Viele Hersteller haben ihre Maschinen auch bereits für den Einsatz mit HVO bereits freigegeben und nehmen teilweise auch die Erstbefüllung im Werk damit vor. Alle diese Alternativkraftstoffe konnten in der Vergangenheit aus wirtschaftlichen Gründen aber nicht mit Diesel mithalten.
Viel diskutiert wird derzeit auch über Wasserstoff (H2). Eingesetzt werden kann H2 in Fahrzeugen mit Brennstoffzellen oder speziellen Verbrennungsmotoren, in der Landtechnik gibt es beides in Serienfahrzeugen aber noch nicht. Eine große Herausforderung stellt bei H2 die geringe volumetrische Energiedichte dar. Selbst in verflüssigter Form liegt diese bei nur rund einem Viertel von Diesel und insbesondere bei leistungsstarken Maschinen wird es deshalb sehr schwierig sein, genügend Energie für praxisgerechte Einsatzzeiten unterzubringen.
Je nach Leistungsklasse gibt es sinnvolle Alternativen zum Diesel
Im Zusammenhang mit der Verminderung der Treibhausgasemissionen wird immer argumentiert, dass es gegenwärtig zum Dieselantrieb keine realistische Alternative gibt. Stimmt das grundsätzlich so?
Stirnimann: Das hängt von der Maschinenart und vom Einsatzprofil ab. Landmaschinen sind sehr vielfältig, was eine differenzierte Betrachtung erforderlich macht. Ein Hoflader beispielsweise ist eine ganz andere Maschine als ein Traktor, und ein Traktor ist etwas ganz anderes als ein Mähdrescher. Selbst innerhalb der Kategorie „Traktoren“ muss eine Unterscheidung nach Leistungsklassen gemacht werden. Für Hoflader oder kleinere Traktoren beispielsweise können batterieelektrische Antriebe in Betracht gezogen werden. Der mittlere Leistungsbedarf ist hier in der Regel gering und die Fahrzeuge werden nicht über mehrere Stunden am Stück eingesetzt. Da sie sich zudem oft in Hofnähe befinden, lassen sie sich zwischendurch leicht nachladen.
Ganz anders sieht es bei großen Traktoren oder selbstfahrenden Erntemaschinen wie Mähdrescher oder Feldhäcksler aus. Die Leistungen von mehreren 100 kW werden hier oft bei sehr hohen Motorauslastungen über mehrere Stunden abgefordert – und das meistens weitab von Tank- und Ladeinfrastruktur. Für solche Maschinen gibt es heute tatsächlich keine Alternativen zum klassischen Antriebsstrang mit Verbrennungsmotor. Ich verwende hier bewusst nicht den Begriff Dieselmotor, weil die Unterscheidung zwischen Energiewandler und Energieträger wichtig ist. Das Problem mit den Treibhausgasemissionen liegt nämlich nicht bei den Verbrennungsmotoren, sondern bei den bisher verwendeten fossilen Kraftstoffen.
Es braucht in Zukunft deshalb mehrere Antriebslösungen und Energieträger und wir sollten im Moment deshalb technologieoffen bleiben. Welche Lösungen sich am Markt längerfristig durchsetzen werden, wird sich zeigen.
Pro und Contra - Kraftstoffe aus Nahrungsmitteln
Ein häufiges Argument gegen die Anwendung biogener Kraftstoffe ist, dass deren Gewinnung in Konkurrenz zum Anbau von Nahrungsmitteln steht. Wie schätzen Sie diese Tank-Teller-Diskussion ein?
Stirnimann: Die Tank-Teller-Problematik ist grundsätzlich nicht von der Hand zu weisen. Wichtig scheint mir hier aber die Feststellungen, dass es ohne Tank keinen Teller gibt und dass alle Alternativen ihre Vor- und Nachteile haben. Wenn wir nicht bereit sind, gewisse Nachteile in Kauf zu nehmen, werden wir die Energiewende nie schaffen. Entkräften lässt sich die Diskussion ein Stück weit, wenn beispielsweisen bei Raps nicht nur das Öl, sondern auch das Nebenprodukt «Presskuchen» berücksichtigt wird. Als Futtermittel eingesetzt, können damit Proteinträger ersetzt werden, die oft aus Übersee stammen. Durch die dezentrale Produktion in kleinen Kreisläufen lassen sich zudem CO2-Emissionen durch Transporte vermindern. Auch gesellschaftspolitische Aspekte wie die Sicherstellung der Nahrungsmittelproduktion mit einheimischen Energieträgern oder die Verringerung der Abhängigkeit von Kraftstoffimporten können hier ins Feld geführt werden. Bei einer gesamtheitlichen Betrachtung sind biogene Kraftstoffe als Teillösung für die Landwirtschaft meiner Meinung nach deshalb vertretbar.
Wie groß wäre die benötigte landwirtschaftliche Fläche, um beispielsweise Raps für die Produktion von Biodiesel in Deutschland anzubauen?
Stirnimann: Diese Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten, weil Biodiesel einerseits auch aus fetthaltigen Rest-/Abfallstoffen sowie Altspeisefetten hergestellt werden kann, und andererseits, weil der Bedarf an solchen Kraftstoffen aufgrund der Elektrifizierung in Zukunft abnehmen dürfte.
Aber wenn wir einmal davon ausgehen, dass der heutige Biodiesel-Bedarf ausschließlich über Raps von deutschen Äckern gedeckt werden müsste, kann man folgende Überschlagsrechnung machen:
Die Landwirtschaft in Deutschland hat aktuell einen Energiebedarf von 66 PJ. Mit dem Rapsertrag von einer Hektare lassen sich etwa 1775 l Biodiesel herstellen, der einen Energieinhalt von 32,65 MJ/l aufweist. Hieraus resultiert eine Anbaufläche von rund 1.15 Mio. ha. Das wäre etwa das Doppelte der Fläche, die heute für den Rapsanbau zur Herstellung von Pflanzenöl/Biodiesel als Kraftstoffe verwendet wird. Diese Zahlen stammen unter anderem aus der sehr aktuellen KTBL-Schrift „Verwendung erneuerbarer Antriebsenergien in landwirtschaftlichen Maschinen“.
Aber dies ist eine rein theoretische Betrachtung, da in der Landwirtschaft sicherlich unterschiedliche Kraftstoffe und auch elektrischer Strom zum Einsatz kommen werden. Zudem wird durch fortschreitende Elektrifizierung insbesondere von Pkw immer weniger Dieselkraftstoff und damit Biodiesel zur Beimischung benötigt, der dann für landwirtschaftliche Maschinen Verwendung finden kann.
Spitzenreiter Bioethanol
Wie schätzen Sie die Verfügbarkeit alternativer Kraftstoffe gegenwärtig und in naher Zukunft ein?
Stirnimann: Relativ große Anlagenkapazitäten gibt es in der Europäischen Union für Pflanzenöle und Biodiesel, deutlich geringere für HVO. Weltweit gesehen ist Bioethanol der am meisten produzierte erneuerbare Kraftstoff. Die aktuelle Weltproduktion an erneuerbaren Kraftstoffen liegt gemäß DBFZ bei rund 4000 PJ/a, weitere 2000 PJ/a sind im Bau oder in Planung. Der Bedarf im Jahr 2050 wird auf 32500 bis 58000 PJ/a geschätzt, was bedeutet, dass die Kapazitäten in den nächsten Jahren weiter stark ausgebaut werden müssen.
Wie hoch ist das Einsparpotenzial bei den CO2-Emissionen in der Landwirtschaft durch die Nutzung von Biokraftstoffen?
Durch die Nutzung von Dieselkraftstoff im Sektor Landwirtschaft werden in Deutschland jährlich rund 5,1 Mio.t CO2 –Äquivalente ausgestoßen. Nach meinem Wissen geht man in Deutschland bei einer Well-to-Wheel-Betrachtung für Pflanzenölkraftstoff, Biodiesel und HVO je nach Rohstoff und Herstellungsverfahren von mindestens 60% bis über 90% aus.
VDI-Mitglied Dipl. Ing. Agr. FH und Dipl.-Ing. Wirtschaft FH Roger Stirnimann begeistert sich schon seit Schulzeiten für Landtechnik. Nach berufliche Stationen im Vertrieb von Land- und Baumaschinen ist er seit 2013 Agrartechnik-Dozent an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL in Zollikofen/Schweiz. Nebenberufliche Tätigkeiten arbeitet er als Autor/Co-Autor beim Jahrbuch Agrartechnik (Traktorenkapitel) und ist in Kommissionen der DLG in Deutschland tätig.
Interview und Ansprechpartner:
Dr. Andreas Herrmann
VDI-Fachbereich Max-Eyth-Gesellschaft Agrartechnik
E-Mail: herrmann@vdi.de